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KREBS/919: "Sekundäre Pflanzenstoffe" - Soja und Lilien gegen Krebs (Magazin der Deutschen Krebshilfe)


Magazin der Deutschen Krebshilfe, Ausgabe Nr. 2/2011

Soja und Lilien gegen Krebs

Krebsforscher arbeiten intensiv daran, die pflanzlichen
Stoffwechselprodukte für den Menschen nutzbar zu machen.


Bonn (gb) - Sie schützen vor Fressfeinden, wehren Krankheitserreger ab und locken pollenverbreitende Insekten an - ohne die "sekundären Pflanzenstoffe" wäre Überleben im Pflanzenreich nicht möglich. Doch die Natursubstanzen nutzen auch dem Menschen in vielfältiger Weise. Die Deutsche Krebshilfe fördert zurzeit zwei Studien, in denen Wissenschaftler die krebsvorbeugenden Eigenschaften der Pflanzenstoffe, näher untersuchen.


In Asien erkranken deutlich weniger Menschen an Brust- oder Prostatakrebs als in westlichen Ländern. Das Liegt an der traditionellen asiatischen Küche und einem ihrer Hauptbestandteile: der Sojabohne. Bereits seit Jahrtausenden wird die Hülsenfrucht in Ländern wie Japan, China oder Korea als Kulturpflanze genutzt. Ob verarbeitet zu Tofu, Sojamilch, Sojasoße oder als Gewürz - der Alleskönner ist aus dem asiatischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Der Trumpf der Sojaprodukte: Sie sind besonders reich an so genannten sekundären Pflanzenstoffen. Mit diesen schützen sich die Pflanzen vor Schädlingen oder vor dem Vertrocknen.

Doch sekundäre Pflanzenstoffe nützen nicht nur den Pflanzen, sondern auch dem Menschen: Die Substanzen stärken sein Abwehrsystem, schützen ihn vor Bakterien und Viren und senken seinen Cholesterinspiegel. Derzeit sind etwa 10.000 sekundäre Inhaltsstoffe essbarer Pflanzen bekannt. Wissenschaftler vermuten, dass es bis zu 100.000 dieser Stoffe gibt.

Eine spezielle Gruppe der pflanzlichen Sekundärstoffe sind die so genannten Phyto-Östrogene. Sie kommen in großen Mengen in der Sojabohne, aber auch in Liliengewächsen und in Getreide vor. Die wichtigste Eigenschaft der Phyto-Östrogene: Sie ähneln dem menschlichen Sexualhormon Östrogen. Aus diesem Grund werden sie beispielsweise bei Wechseljahresbeschwerden verwendet. Wegen ihrer Östrogen-Ähnlichkeit sind die Pflanzenhormone in den letzten Jahren zunehmend in den Blickpunkt der Krebsforscher gerückt. Der Grund: Die Substanzen sind möglicherweise in der Lage, die Entstehung und das Wachstum von Brust- oder Prostatakrebs zu verhindern. Die Zellen dieser Tumorarten benötigen menschliches Östrogen, um sich zu vermehren. Dafür besitzen sie spezielle Andockstellen: Heftet sich ein Östrogenmolekül daran, wird die Tumorzelle zum Wachsen angeregt. Phyto-Östrogene haben eine ähnliche Struktur wie Östrogene und binden ebenfalls an diese Andockstellen. Sie lösen aber kein Wachstumssignal aus und stoppen so das Ausbreiten des Tumors.

Diese Eigenschaft wollen sich Krebsmediziner zu Nutze machen. So untersuchen Göttinger Wissenschaftler derzeit, ob ein Phyto-Östrogen aus der Wurzel der Lilie zur Therapie beim Prostatakarzinom verwendet werden kann. Die Lilie wird traditionell in der chinesischen und koreanischen Medizin als Heilpflanze eingesetzt. Die Deutsche Krebshilfe unterstützt das Projekt mit 300.000 Euro.

Im Fokus von Forschern aus Rostock stehen die hauptsächlich im Getreide vorkommenden Lignane, ebenfalls eine Gruppe von Phyto-Östrogenen. Die Wissenschaftler gehen der Frage nach, ob diese Wirkstoffe vorbeugend gegen Brustkrebs eingesetzt werden können. Sie hoffen, innerhalb der nächsten zwei Jahre wesentliche Fortschritte zu erzielen. Dieses Projekt fördert die Deutsche Krebshilfe mit 470.000 Euro.

Diese Projekte sind Beispiele für die zahlreichen von der Deutschen Krebshilfe geförderten Forschungsvorhaben, ohne die Fortschritte in der Krebsmedizin nicht möglich sind. Dabei bieten pflanzliche Substanzen ein hohes Potential, um konventionelle Therapieansätze zu ergänzen. Um die komplexen Wirkungen der Pflanzenstoffe zu verstehen und für die Betroffenen nutzbar zu machen, sind jedoch weitere intensive Forschungsarbeiten notwendig.


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Pflanzenstoffe erforschen

Interview mit Professor Dr. Peter Burfeind und PD Dr. Paul Thelen, Universitätsmedizin Göttingen.

Welches Potential haben sekundäre Pflanzenstoffe für die Krebsmedizin?

Die immensen Möglichkeiten der Pflanzenhormone liegen in ihrer großen Vielfalt. Zudem stellen bestimmte Pflanzen die wirksamen Inhaltsstoffe in fein abgestuften Varianten her, die einen unterschiedlich starken Effekt haben. Mit Hilfe von speziellen Techniken können diese Verbindungen im Labor bis hin zur molekularen Ebene nachgebildet werden. Doch bisher ist die Synthese der Wirkstoffe in dieser Vielfalt und Präzision nur unter großem Aufwand möglich. Es wird derzeit intensiv daran gearbeitet, dieser Schritt zu vereinfachen.

In welchem Stadium befindet sich die Forschung zur Phytomedizin?

Zum einen werden immer noch weitere Pflanzeninhaltsstoffe mit Potenzial für die Krebsmedizin entdeckt Lind untersucht. Zum anderen ist es wichtig, die in Modellsystemen im Labor erhobenen positiven Befunde auf die Behandlung kranker Menschen zu übertragen. Dabei ist vor allem zu klären, welche Variante eines Pflanzenstoffes, die sich im Labor als wirksam erwiesen hat, für die Krebstherapie erfolgversprechend ist. Darüber hinaus müssen auch Fragen hinsichtlich des Zusammenspiels unterschiedlicher Wirkstoffe erörtert werden.

Wann kommen die Erkenntnisse den Patienten zu Gute?

Generell lässt sich sagen, dass es eine umfassende Krebs-Prävention durch ein einziges Präparat in "einer Pille pro Tag" nicht geben wird. Pflanzenstoffe, wie wir sie jetzt untersuchen, sind derzeit noch nicht als Arzneimittel verfügbar. Es wird wohl noch einige Jahre intensiver Forschung erfordern, bis diese sich im Sinne eines Krebsmedikamentes für den Menschen als wirksam erwiesen haben und im klinischen Alltag eingesetzt werden können. Doch die Krebsforschung ist auf einem guten Weg, den Pflanzen ihre Geheimnisse zu entlocken.


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Quelle:
Magazin der Deutschen Krebshilfe, Ausgabe Nr. 2/2011, Seite 4 - 5
Herausgeber: Deutsche Krebshilfe e.V.
Buschstraße 32, 53113 Bonn
Telefon: 0228/729 90-0, Fax: 0228/729 90-11
E-Mail: deutsche@krebshilfe.de
Internet: www.krebshilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2011