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SCHLAGANFALL/166: Gesundheitsaufklärung - Patientinnen gelangen schneller ins Krankenhaus (idw)


Kompetenznetz Schlaganfall - 22.09.2009

Gesundheitsaufklärung - Schlaganfallpatientinnen gelangen deutlich schneller ins Krankenhaus

Bei Männern zeigte schriftliche Informationskampagne keine Wirkung


Schriftliche Informationsmaterialen über die Schlaganfallsymptome und die Dringlichkeit der Behandlung tragen dazu bei, dass Patientinnen wesentlich rascher eine Klinik aufsuchen, als dies ohne Aufklärung der Fall ist. Bei Männern zeigte sich hingegen keine signifikante Verbesserung. Dies belegen Ergebnisse einer Studie des Kompetenznetzes Schlaganfall, die in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts Archives of Internal Medicine (2009;169(16):1484-1490) erschienen sind.

Kommt es zu einem Schlaganfall, zählt buchstäblich jede Minute. Denn unmittelbar nach Symptombeginn beginnen die betroffenen Hirnzellen abzusterben. "Der Schlaganfall ist deshalb immer ein Notfall: Eine rasche Behandlung - insbesondere innerhalb den ersten drei bis viereinhalb Stunden - ist lebenswichtig", so Dr. Christian Nolte, Neurologe an der Charité - Universitätsmedizin Berlin und Mitautor der Studie. Je schneller ein Schlaganfall behandelt wird, desto größer ist die Chance, Folgeschäden wie Lähmungen und Sprachstörungen zu verringern oder gar zu vermeiden. Trotzdem kommen noch immer viele Patienten zu spät ins Krankenhaus, da sie die Symptome falsch interpretieren und / oder keine adäquate medizinisch Hilfe aufsuchen. Genau an diesem Punkt setzen Aufklärungskampagnen an.

Ob und wie effektiv speziell schriftliche Interventionen die Zeit von Symptombeginn bis zum Eintreffen ins Krankenhaus verkürzen, untersuchte nun eine Studie des Kompetenznetzes Schlaganfall unter der Leitung von Prof. Jacqueline Müller-Nordhorn von der Charité - Universitätsmedizin Berlin.

Für die Studie erhielten etwa 75.000 zufällig ausgewählte Berliner Bürger im Alter von über 50 Jahren Informationsmaterial über die Symptome des Schlaganfalls wie plötzlich auftretende halbseitige Lähmungen, Gefühls-, Sprach- und Sehstörungen. Außerdem wiesen die Forscher ausdrücklich darauf hin, bei Auftreten einer dieser Warnsignale sofort zu handeln und den Rettungsdienst 112 zu alarmieren. Das Informationsmaterial wurde zwischen Februar und April 2004 verschickt und bestand aus Aufklärungsbriefen, Lesezeichen und Aufklebern. Eine vergleichbare Kontrollgruppe erhielt keine derartigen Informationen. Zwischen April 2004 und Dezember 2005 registrierten die drei an der Studie beteiligten Berliner Krankenhäuser bei 647 Patienten der Interventionsgruppe und bei 741 Patienten in der Kontrollgruppe einen Schlaganfall. Die Gesundheitsaufklärung erzielte bei den Frauen einen deutlichen Effekt: Aufgeklärte Schlaganfallpatientinnen kamen wesentlich schneller ins Krankenhaus als jene Frauen, die zuvor kein Informationsmaterial erhalten hatten. Die Zeit zwischen dem Einsetzen der Symptome bis zur Einlieferung ins Krankenhaus verkürzte sich bei den Frauen um 27 Prozent. Bei den angeschriebenen Männern hingegen zeigte die Intervention keinen Effekt. "Frauen scheinen für eine schriftliche Informationsvermittlung empfänglicher zu sein als Männer", so Müller-Nordhorn. Die Gründe hierfür sind nicht ganz klar. In früheren Studien konnte nachgewiesen werden, dass Frauen im Allgemeinen besser über Risikofaktoren und Anzeichen des Schlaganfalls informiert sind als Männer. Bisher konnte aber nicht gezeigt werden, dass dieses Wissen auch in adäquates Handeln umgesetzt wird. "Frauen zögern vielleicht, wenn sie den Rettungsdienst verständigen müssten, weil sie niemandem zur Last fallen wollen", sagt Nolte. "Durch die schriftliche Aufklärung und eindeutige Handlungsanweisung wurde diese Zurückhaltung vielleicht überwunden."

In zukünftigen Untersuchungen soll besonderes Augenmerk sowohl auf die geschlechtspezifischen Unterschiede bei der Wirkung von Gesundheitskampagnen als auch auf die Nachhaltigkeit und die Übertragbarkeit gerichtet werden.


• Hintergrund:

Der Schlaganfall ist weltweit die zweithäufigste Todesursache. Allein in Deutschland erleiden mindestens 165.000 Menschen jedes Jahr einen Schlaganfall. Davon verstirbt jeder Dritte binnen eines Jahres. Fast zwei Drittel der Patienten, die einen Schlaganfall überleben, sind behindert und auf fremde Hilfe angewiesen. Der Schlaganfall ist damit der häufigste Grund für bleibende Behinderungen im Erwachsenenalter. Zurzeit leiden etwa eine Million Patienten an den Folgen der Erkrankung. Da das Erkrankungsrisiko im Alter deutlich ansteigt, wird angesichts der steigenden Lebenserwartung der Menschen die Bedeutung des Schlaganfalls in Zukunft weiter zunehmen.

Müller-Nordhorn J, Wegscheider K, Nolte CH, Jungehülsing GJ, Rossnagel K, Reich A, Roll S, Villringer A, Willich SN.
Population-based intervention to reduce prehospital delays in patients with cerebrovascular events.
Arch Intern Med. 2009 Sep 14;169(16):1484-90.

Kontakte:
Prof. Dr. Jacqueline Müller-Nordhorn
Berlin School of Public Health
Charité - Universitätsmedizin Berlin
E-Mail: jacqueline.mueller-nordhorn@charite.de

Dr. med. Christian Nolte
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Campus Benjamin Franklin
Klinik für Neurologie
Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin
E-Mail: christian.nolte@charite.de

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.kompetenznetz-schlaganfall.de
   Kompetenznetz Schlaganfall
- http://www.kompetenznetze-medizin.de
   Kompetenznetze in der Medizin

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution803


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Kompetenznetz Schlaganfall, Dipl. Biol. Liane Clevert, 22.09.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2009