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FORSCHUNG/799: Wirkstoff Rhizoxin - Schädling im Reisfeld als Helfer gegen Krebs (idw)


Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie / Hans-Knöll-Institut (HKI) - 02.10.2013

Schädling im Reisfeld als Helfer gegen Krebs



Jena. Ein 30 Jahre altes Rätsel ist gelöst: Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (HKI) und der Universität Tübingen ist es gelungen, einen wichtigen Schritt in der Herstellung des Wirkstoffes Rhizoxin zu entschlüsseln. Die Brisanz liegt in seiner Wirkungsweise: Rhizoxin hindert Krebszellen daran, sich zu teilen. Ihre Erkenntnisse konnten die Jenaer Forscher nun in der international renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlichen.

Lange bevor die Kartoffel europäische Teller und Mägen eroberte, wurde in Südostasien Reis angebaut - heute weltweites Grundnahrungsmittel. Verheerend ist es, wenn Pflanzenkrankheiten die Ernte vernichten. Zu den Schädlingen zählt auch die Reiskeimlingsfäule, ausgelöst durch den Schimmelpilz Rhizopus microsporus. Der Pilz befällt die Keimlinge und bildet den Naturstoff Rhizoxin. Dieses Zellgift hindert das Wachstum der Wurzeln und die Pflanze stirbt ab.

Bereits Mitte der 1980er Jahre haben japanische Wissenschaftler Rhizoxin an menschlichen Zellkulturen getestet. Das überraschende Ergebnis: Es ist wirksam gegen Krebs. Leider scheiterte der Wirkstoff als Medikament: schlecht löslich im menschlichen Körper und noch dazu instabil. Die krebshindernden Eigenschaften der Substanz Rhizoxin sind aber weiterhin vielversprechend. Und so haben sich Christian Hertweck und seine Forscherkollegen vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut gemeinsam mit Wissenschaftlern der Eberhard Karls Universität Tübingen daran gemacht, die Bildung des Moleküls aufzuklären. Dabei entdeckten sie einen völlig neuen Reaktionsmechanismus.

Rhizoxin gehört zur großen Gruppe der Polyketide, die alle nach einem ähnlichen Muster gebildet werden. Im speziellen Fall von Rhizoxin interessierten sich die Forscher dafür, wie eine bestimmte Kettenverzweigung in das Molekül eingeführt wird. Genau diese Verzweigung ist für die Wirkung des Moleküls gegen Krebszellen verantwortlich. Für diesen Reaktionsschritt, so fanden die Forscher heraus, ist ein bisher unbekanntes Enzymmodul verantwortlich. Zunächst machten sich die Wissenschaftler aus Tübingen daran, die atomare Struktur des Enzyms aufzuklären, das die Verzweigungsreaktion katalysiert. Ihre Erkenntnisse gaben sie an die Jenaer Kollegen weiter. Diese konnten den Verzweigungsschritt im Reaktionsgefäß nachvollziehen und damit die Annahme bestätigen. Die Forscher nehmen an, dass das neu entdeckte Prinzip der Kettenverzweigung in der Natur häufiger vorkommt - eine Chance unbekannte Naturstoffe zu entdecken. Außerdem haben sie damit ein völlig neues Werkzeug in der Hand: Neue, medizinisch interessante Wirkstoffe könnten erzeugt und bereits vorhandene gezielt verändert werden.

Die Erkenntnisse sind von großer Bedeutung für die Fachwelt. Daher werden sie nicht nur in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht, sondern das neu gefundene Enzym wird auch in der Protein-Datenbank PDB erfasst, auf die alle Wissenschaftler weltweit zugreifen können.


Originalveröffentlichung
Bretschneider T, Heim JB, Heine D, Winkler R, Busch B, Kusebauch B, Stehle T, Zocher G, Hertweck C
Vinylogous chain branching catalysed by a dedicated polyketide synthase module
Nature (2013) doi:10.1038/nature12588

Ansprechpartner
Dr. Michael Ramm
Wissenschaftliche Organisation
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e. V. - Hans-Knöll-Institut
Adolf-Reichwein-Straße 23
07745 Jena
michael.ramm@hki-jena.de
Presseservice: pr@hki-jena.de
http://www.presse.hki-jena.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.presse.hki-jena.de
http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature12588.html

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Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut - wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.

Das HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zur Zeit arbeiten mehr als 350 Personen am HKI, darunter 120 Doktoranden.

Das HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundprojekte wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, des Sonderforschungsbereiches/Transregio FungiNet, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020 - Neue Antiinfektionsstrategien, einem Vorhaben im BMBF-Programm Zwanzig20 - Partnerschaft für Innovation.


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut
(HKI)
Dr. Michael Ramm, 02.10.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2013