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POLITIK/271: Corona - Im Blindflug voran ... Bundesregierung setzt weiter auf Chaos (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 24 vom 17. Juni 2022 - Politik
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Im Blindflug voran
Corona: Bundesregierung setzt weiter auf Chaos

von Ralf Hohmann


Nach der Welle ist vor der Welle. So zumindest darf man es den aktuellen Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dem von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrat entnehmen. Die Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), das am 23. September 2022 ausläuft und das seit April die Corona-Maßnahmen weitgehend außer Vollzug gesetzt hatte, laufe "auf Hochtouren", wie aus dem Gesundheitsministerium zu hören ist. Der Expertenrat forderte in der vergangenen Woche eine rasche Neukonzeption des IfSG, um für die vermutete neue Infektionswelle im Herbst gerüstet zu sein. Aktuell steigt die Inzidenz und hat bereits den Wert 300 hinter sich gelassen, der Anteil der im Kommen begriffenen Subvarianten BA.5 und BA.4 des Covid-Virus steigt dabei an und hat inzwischen die Marke von 10 Prozent Anteil an den Gesamtinfektionen überschritten. Die Meldungen aus Portugal, einem der Länder mit der weltweit höchsten Impfquote, über den signifikanten Anstieg der Infektionsrate und vor allem der Zahl der infektionsbedingten Todesfälle potenzieren die Verunsicherung im Gesundheitsministerium, da die Entwicklung erhebliche Zweifel an der Annahme aufkommen lässt, eine hohe Impfquote senke die Zahl letaler Infektionsverläufe.

Lauterbach befürchtet noch ein weiteres Szenario: Den Grund liefert die Situation in Australien. Dort hat gerade die Winterzeit begonnen und zu einem Comeback der während der Zeit der Corona-Pandemie fast verschwundenen Grippeinfektionen geführt. Laut Expertenrat drohe nun für Herbst und Winter auch in Deutschland das Aufkommen einer "sehr gefährlichen Kombination von Covid und Grippe". Die Folgerungen aus all dem sind nicht neu, Lauterbach und Expertenrat greifen auf den altbekannten und im Chaos seiner Anwendung erwiesen ungenügenden "Instrumentenkasten" (Lauterbach) zurück. Die Verhängung von Abstandsregeln und Maskenpflicht ab Ende September gelten - sofern die FDP mitzieht - als sicher. Über den bekannten Strauß von 2G-, 3G- Regeln werde noch nachgedacht, im Frühjahr 2023 könne alles wieder zurückgefahren werden. Der Expertenrat will sich insgesamt nicht konkret festlegen und bietet drei unterschiedliche Szenarien an, aus denen sich dann die Gesundheitspolitiker der Ampel das genehmigte heraussuchen können.

Offen liegt dabei zutage, dass seit nunmehr über zwei Jahren jegliche verlässliche Datenevaluation fehlt. Die Bundesärztekammer sprach unlängst vom "Datenblindflug" in der Corona-Politik und meint damit, dass es keine verlässlichen Daten zur Effektivität der Abstandsmaßnahmen, der Maskenpflicht und der Wirkung der Impfungen gibt. Die Gesundheitsämter sind auch nach 27 Monaten Pandemie nicht mit einer einheitlichen Software ausgestattet, die den Datenfluss untereinander und zum Robert-Koch-Institut sicherstellen könnte. Die Kontaktverfolgung wurde bundesweit vor sechs Monaten beendet. Empirisch valide Studien zu Krankheitsverläufen sind genauso Fehlanzeige wie eine verlässliche Erhebung zu der Zahl der tatsächlich Geimpften.

Eines ist jedenfalls sicher: Das dilettantische Herumstochern am Maßnahmenkatalog auf Bundes- und Landesebene wird wegen der fehlenden Daten auch im anstehenden Herbst und Winter die Gesundheitspolitik prägen. Dazu passt auch eine andere Meldung der vergangenen Woche: Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, warnte die Bundesregierung, dass "ohne ein sofortiges Handeln der Bundesregierung" die Krankenhäuser nur durch "Personalabbau, Outsourcing sowie Reduktion von Versorgungsangeboten bis hin zu Standortschließungen" der Misere im Gesundheitswesen begegnen könnten.

Über den Autor Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler. Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr. Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 54. Jahrgang,
Nr. 24 vom 17. Juni 2022, Seite 4
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 23. Juni 2022

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