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MELDUNG/014: Psychiatrie im Nationalsozialismus - Erinnerung und Verantwortung (idw)


Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) - 17.08.2010

Psychiatrie im Nationalsozialismus - Erinnerung und Verantwortung


Psychiatrie im Nationalsozialismus wird eines der großen Themen des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) von Mittwoch, den 24., bis zum Samstag, den 27. November 2010 in Berlin sein. Damit bekennt sich die DGPPN zu ihrer besonderen Verantwortung um die Würde und Rechte psychisch Kranker, die der Fachgesellschaft aus der Beteiligung ihrer Vorläuferorganisationen an den Verbrechen des Nationalsozialismus, an Krankenmorden und Zwangssterilisierungen erwachsen. Auch in diesem Jahr werden über 8.000 Teilnehmer aus dem In- und Ausland erwartet.

In die Zeit des Nationalsozialismus fällt das dunkelste Kapitel der deutschen Psychiatrie: Jüdisch und politisch missliebige Psychiater wurden verfolgt und aus Deutschland vertrieben. Dazu waren Psychiater maßgeblich an der Zwangsterilisierung von mehr als 360.000 vor allem psychisch kranken Menschen beteiligt. Die finanziellen Ressourcen für die Unterbringung und Behandlung von chronisch psychisch Kranken wurden drastisch reduziert. Zwischen 1939 und 1945 fielen mindestens 250.000 psychisch Kranke und Behinderte dem sogenannten Euthanasieprogramm zum Opfer. Welche Rolle die psychiatrischen Fachgesellschaften in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft spielten, ist bislang noch viel zu wenig problematisiert, aufgearbeitet und diskutiert. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde stellt das Thema in den Mittelpunkt ihrer Jahrestagung, die vom 24. vom 27. November 2010 im Internationalen Congress Centrum (ICC) in Berlin stattfindet. So widmet sich am Freitag, den 26. November 2010, eine Reihe von Veranstaltungen dem Thema "Psychiatrie im Nationalsozialismus".

In einer Gedenkveranstaltung kommen Vertreter der Opfer zu Wort und Professor Frank Schneider legt als Präsident der Gesellschaft die Verantwortung der deutschen Psychiatrie für die Vorgänge der Ermordung psychisch Kranker, der Zwangssterilisationen und der Vertreibung von jüdischen Kollegen dar.
Im Rahmen eines Plenarvortrags spricht Professor Paul Weindling zum Thema "Identitäten und Verletzungen: Die Opfer von erzwungener Forschung im Nationalsozialismus im Schatten der Psychiatrie".
In einem Präsidentensymposium informieren die Mitglieder der Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte der DGPPN über den Stand der historischen Kenntnisse und ihre Arbeit.
Während des gesamten Kongresses erinnert die von Professor Dr. Michael von Cranach konzipierte Ausstellung an die Leiden der Opfer. Diese Ausstellung wurde bereits 1999 auf dem Weltkongress für Psychiatrie in Hamburg gezeigt und für den diesjährigen DGPPN Kongress aktualisiert und weiterentwickelt.
Schüler diskutieren das Thema "Wenn Ärzte zu Tätern werden: Eugenik im Dritten Reich" im Rahmen des Schülerkongresses am Mittwoch, den 24. November 2010. Damit möchte die DGPPN die Thematik einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen und bekennt sich zu ihrer besonderen Verantwortung, die der Fachgesellschaft "aus der Beteiligung ihrer Vorläuferorganisationen an den Verbrechen des Nationalsozialismus, an massenhaften Krankenmorden und Zwangssterilisierungen erwachsen", so die Satzung der DGPPN. Auf dem Kongress werden mehr als 8.000 Teilnehmer erwartet. Dieser zählt inzwischen in Europa zu den größten wissenschaftlichen Tagungen auf dem Gebiet der psychischen Störungen.

Die Veranstaltungen zum Thema Psychiatrie im Nationalsozialismus sind Ausdruck des gegenwärtigen Aufarbeitungs- und Diskussionsprozesses, der innerhalb der Fachgesellschaft stattfindet. So soll ein laufendes Forschungsprojekt klären, inwieweit die Vorläuferorganisationen der DGPPN und ihre Repräsentanten am sogenannten Euthanasieprogramm, an der Zwangssterilisation psychisch Kranker, an der Vertreibung von jüdischen und politisch missliebigen Psychiatern sowie an weiteren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes mitgewirkt haben. Den Prozess der wissenschaftlichen Aufarbeitung wird eine unabhängige Kommission aus vier namhaften internationalen Medizin- und Wissenschaftshistorikern begleiten. Nach Abschluss des Projekts im Jahr 2012 soll der Forschungsauftrag auf die Zeit nach 1945 ausgeweitet werden, um die Auswirkungen der Zeit des Nationalsozialismus auf die Psychiatrie im Nachkriegsdeutschland in Ost und West festzustellen.


Weiterführende Informationen:
- Information und Anmeldung zum Kongress:
  http://www.dgppn.de
- Information zur Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte der DGPPN und dem Forschungsprojekt:
  http://www.dgppn.de/dgppn/geschichte/kommission-zur-aufarbeitung-der-geschichte.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution805


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
Dr. Thomas Nesseler, 17.08.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2010