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RECHT/049: Zwangsbehandlung trotz Patientenverfügung (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 28. Februar 2020

Ressort: Medizinrecht / Urteile / Gesundheit

Zwangsbehandlung trotz Patientenverfügung


Osnabrück/Berlin (DAV). Ärzte und Behörden müssen eine Patientenverfügung beachten. Diese stößt aber dann an ihre Grenzen, wenn es um die Rechte Dritter geht. So kann eine psychiatrische Zwangsbehandlung trotz entgegenstehender Patientenverfügung insbesondere dann angeordnet werden, wenn dies auch dem Schutz der Allgemeinheit dient. Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landgerichts Osnabrück vom 10. Januar 2020 (AZ: 4 T 8/20 - 4 T 10/20).

Eine Gemeinde beantragte für eine psychisch kranke Person die zwangsweise gerichtliche Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung und eine Zwangsmedikation. Sie begründete das damit, dass die betroffene Person sexuell enthemmtes und aggressives Verhalten gegenüber Dritten zeige. Dem könne man nur durch die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung und eine medikamentöse Behandlung begegnen.

Das Amtsgericht gab dem Antrag der Gemeinde statt. Dagegen legte die betroffene Person Beschwerde ein und legte eine Patientenverfügung vor. Demnach lehne sie "jede Zwangsbehandlung egal mit welchen als Medikamenten bezeichneten Stoffen" ab. Außerdem sei die "Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung strikt und verbindlich und unter allen Umständen zu unterbinden". Diese Verfügung beruhte auf einer im Internet abrufbaren Vorlage, die dort unter dem Slogan "Für Freiheit, gegen Zwang" angeboten wird.

Das Landgericht wies die Beschwerde zurück. Die Patientenverfügung sei in einem Fall wie dem vorliegenden kein Hindernis für die Anordnung der Unterbringung und der zwangsweisen Medikation. Zwar sollten Patientenverfügungen aufgrund des Selbstbestimmungsrechts beachtet werden. Das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen finde aber seine Grenze in den Rechten Dritter. Eine Patientenverfügung könne daher eine zwangsweise Behandlung dann nicht verhindern, wenn sie dem Schutz der Allgemeinheit diene. Stelle jemand aufgrund seiner Erkrankung eine Gefahr für Dritte dar, überwiege das berechtigte Interesse der Allgemeinheit, notfalls eine Behandlung mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen zu können. Dies sei hier aufgrund des aggressiven Verhaltens gegeben.

Informationen: www.dav-medizinrecht.de

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Quelle:
Pressemitteilung MedR 04/20 vom 28. Februar 2020
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2020

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