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PSYCHOLOGIE/141: Posttraumatische Belastungsstörung - Psychologen identifizieren Risikofaktoren (idw)


Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) - 05.07.2016

Posttraumatische Belastungsstörung: Psychologen identifizieren Risikofaktoren


Die Konfrontation mit Extremsituationen im Berufsalltag kann Posttraumatische Belastungsstörungen oder Depressionen auslösen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass bestimmte Denkmuster das Risiko für solche Reaktionen erhöhen und damit mögliche Ansatzpunkte für gezielte Trainingsprogramme liefern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die renommierte Psychologin Anke Ehlers begleiteten 386 Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter während ihrer Ausbildung und untersuchten, wie diese mit belastenden Ereignissen umgingen. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift "Psychological Medicine" erschienen.

Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter sind häufig mit belastenden Situationen konfrontiert. Schwere Unfälle, Suizidversuche oder lebensbedrohliche Krankheiten gehören zu ihrem Berufsalltag. Diese Erfahrungen steigern das Risiko, eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln. Aber nicht jeder Betroffene erkrankt in der Folge schwerer traumatischer Erlebnisse. "Wir wollten herausfinden, ob es bestimmte Risikofaktoren gibt, die vorhersagen, ob Notfallsanitäter im Berufsalltag beeinträchtigende psychische Reaktionen wie Depressionen oder eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln", sagt Anke Ehlers, Professorin für experimentelle Psychopathologie an der University of Oxford.

Die Studie

Das Forscherteam untersuchte 386 Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter während ihrer Ausbildung. Zu Beginn der Ausbildung beantworteten sie ausgewählte Fragebögen zu möglichen Risikofaktoren (darunter Fragen zu früheren psychischen Störungen, traumatischen Situationen und zum Umgang mit belastenden Erfahrungen). In den folgenden zwei Jahren wurde mit Fragebögen und Interviews alle vier Monate erfasst, welche belastenden Ereignisse die Befragten erlebt hatten und wie sie darauf reagierten. So konnte festgestellt werden, wer im Laufe der zwei Jahre Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung oder Depression entwickelte. Am Ende der Studie machten die Befragten Angaben zu verschiedenen Aspekten ihres Wohlbefindens. Dazu zählten Anzeichen für Burnout, Anzahl der Arbeitsfehltage, Angaben zu Schlaflosigkeit und Lebensqualität.

Umgang mit belastenden Erfahrungen ausschlaggebend

Fast alle Personen erlebten während ihrer Ausbildung mindestens eine sehr stark belastende Situation. Im Laufe der zwei Jahre entwickelten 32 Befragte (8.6%) eine posttraumatische Belastungsstörung und 41 Befragte (10.6%) eine Depression. Das Forscherteam identifizierte eine Reihe von Faktoren, die es wahrscheinlicher machten, dass jemand in der Folge eine posttraumatische Belastungsstörung oder depressive Episode entwickelte. Personen, die häufig über belastende Situationen grübelten, waren besonders anfällig dafür, eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln. Dabei kam es nicht auf die Anzahl der traumatischen Ereignisse vor und während der Ausbildung an. Für die Vorhersage von Depressionen war der Grad an Selbstvertrauen in die eigene Fähigkeit, mit Belastungen fertig zu werden - die Resilienz einer Person - besonders bedeutsam. "Es sind also weniger die belastenden Ereignisse an sich, die eine psychische Störung vorhersagen, sondern mehr die eigenen Denkmuster und der individuelle Umgang mit diesen Erfahrungen", erläutert Anke Ehlers. Die Erhebung am Ende der Studie zeigt: Obwohl sich die betroffenen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter fast alle innerhalb von 4 Monaten von ihren Problemen erholten, blieben sie stärker als ihre Kolleginnen und Kollegen in ihrer Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Auch schliefen sie schlechter und berichteten einen stärkeren Gewichtszuwachs.

Ansatzpunkte für Begleitung in der Ausbildung: Widerstandskraft erhöhen

Im nächsten Schritt will das Forscherteam untersuchen, ob gefährdete Personen während ihrer Ausbildung besonders unterstützt werden können, um dadurch das Risiko von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen zu senken. "Es lässt sich nicht vermeiden, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter schlimme Situationen erleben", sagt Anke Ehlers, "aber es gilt zu prüfen, ob gezielte Trainingsprogramme zur Veränderung von Denkmustern dazu beitragen können, die psychische Widerstandskraft gegen Extrembelastung zu erhöhen."


Die Originalstudie finden Sie hier:
Wild, J., Smith, K., Thompson, E., Bear, F., Lommen, M. & Ehlers, A. (2016). A prospective study of pre-trauma risk factors for posttraumatic stress disorder and depression. Psychological Medicine
http://journals.cambridge.org/action/displayIssue?jid=PSM&tab=firstview

Weitere Informationen:

Prof. Dr Anke Ehlers
Department of Experimental Psychology
University of Oxford
South Parks Road
Oxford, OX1 3UD
UK
email: anke.ehlers@psy.ox.ac.uk

Pressestelle der DGPs:
Dr. Anne Klostermann
Pressereferentin
E-Mail: pressestelle@dgps.de

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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution599

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Dr. Anne Klostermann, 05.07.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2016

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