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GEWALT/237: Gewalterfahrungen im Jugendalter - Forschungsnetz gegen Missbrauch geht an den Start (idw)


Universitätsklinikum Ulm - 24.09.2012

Forschungsnetz gegen Missbrauch geht an den Start



Das Wissen über Ursachen und Folgen von sexuellem Missbrauch und anderen seelischen und körperlichen Gewalterfahrungen im Kindes- und Jugendalter ist in Deutschland noch nicht ausreichend. Forschung kann helfen, dieses Wissen zu vergrößern und wirksame Präventions- und Therapiemaßnahmen für Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat daher zur Gründung eines Forschungsnetzes gegen Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt im Kindes- und Jugendalter aufgerufen und 20 Millionen Euro für die Förderung von Forschungsprojekten zur Verfügung gestellt.

Am 24. und 25. September 2012 treffen sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Deutschland an der Universität Ulm, um das Forschungsnetz zu gründen. Sie werden ihre geplanten Forschungsprojekte diskutieren und wichtige Aufgaben ihrer zukünftigen Zusammenarbeit festlegen. Auch internationale Expertinnen und Experten werden an der Tagung teilnehmen.

Gut jeder Siebte berichtet nach einer aktuellen repräsentativen Studie über schweren emotionalen, körperlichen oder sexuellen Missbrauch bzw. schwere emotionale und körperliche Vernachlässigung in Kindheit und Jugend. "Unsere Gesellschaft hat hier Defizite, denen wir uns auch wissenschaftlich stellen müssen", erläutert Prof. Dr. Lutz Goldbeck, Leiter der Sektion Psychotherapieforschung und Verhaltensmedizin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie, der die Tagung organisiert. "Wir müssen über die Forschung zu einer besseren Praxis kommen. Dazu bieten die jetzt geförderten Forschungsvorhaben und ihre Vernetzung auf unserer Tagung eine gute Grundlage."

Die Gründung des Forschungsnetzes ist ein wichtiges Ergebnis der Arbeit des Runden Tisches "Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich", den die Bundesregierung eingerichtet hat. "Mit dem Forschungsnetz ,Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt im Kindes- und Jugendalter' wird es gelingen, dieses sensible und anspruchsvolle Thema angemessen wissenschaftlich zu bearbeiten", erklärte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan. "Führende Forscherinnen und Forscher aus unterschiedlichen Fachdisziplinen haben sich zusammengeschlossen und von Anfang an Experten aus der Praxis in die Forschungsprojekte eingebunden. Diese enge Vernetzung wird das Wissen über Prävention und Therapie entscheidend voranbringen, damit Kindern und Jugendlichen wirksamer geholfen werden kann."

Ein Fokus der vom BMBF geförderten Projekte liegt auf der Erforschung geeigneter Therapien. Das Projekt "CANMANAGE" beispielsweise will dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt oder Vernachlässigung sind, nicht mehr so lange wie heute oft üblich auf eine Therapie warten müssen oder von den Angeboten gar nicht erreicht werden. "An fünf Modellstandorten vernetzen speziell ausgebildete Personen die Angebote und Informationen von Kinder- und Jugendhilfe, Beratungsstellen, Gesundheits- und Justizsystem, um betroffene Kinder zu identifizieren, ihnen schnell und ohne bürokratische Hemmnisse eine geeignete Therapie anzubieten. Sie geben Familien Hilfestellung und begleiten die Entwicklung langfristig weiter", erläutert Projektleiter Professor Goldbeck aus Ulm.

Ein weiterer Schwerpunkt des Forschungsnetzes sind Entstehung und Auswirkung von Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung. Die Wissenschaftler wollen psychische Störungen besser verstehen, die sich sofort oder erst im Erwachsenenalter zeigen, manchmal über Generationen hinweg. Sie untersuchen aber auch organische Veränderungen: So erläutert Gastredner Professor Michael de Bellis, renommierter US-Forscher aus Durham in North Carolina, welche funktionalen Veränderungen sich nach Gewalterfahrungen im kindlichen Gehirn entwickeln können. Forschungsthema sind auch neurologische oder hormonelle Mechanismen, die Pädophilie oder sexuellen Gewalttaten zugrunde liegen können.


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Ulm, Jörg Portius, 24.09.2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2012