Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → SOZIALES

PFLEGE/471: EU-Projekt "ProDomo" - Ambulant vor stationär (Agora - Uni Eichstätt-Ingolstadt)


Agora - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Ausgabe 2 - 2010

Ambulant vor stationär


Die Alterung der Gesellschaft, der zunehmende Pflegebedarf und die Notwendigkeit verbesserter Rahmenbedingungen für häusliche Pflege sind der Hintergrund des zweijährigen EU-Projekts "ProDomo", bei dem die KU mit Partnern aus sechs weiteren Ländern kooperiert.


Der demographische Wandel zeigt sich in den meisten europäischen Ländern an einer Abnahme der Geburtenraten und einem proportionalen Zuwachs älterer Generationen. An der Professur für Wirtschafts- und Organisationssoziologie sind bereits in den vergangenen Jahren Forschungsprojekte realisiert worden, die sich mit den Folgen dieses Wandels beschäftigen, u.a. mit Fragen der Qualifizierung und Integration von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Ein weiterer Aspekt der "Überalterung" westlicher Gesellschaften betrifft die Versorgung von Menschen, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr in der Lage sind, sich selber zu versorgen. Auch wenn Älterwerden nicht zwangsweise mit körperlichen Gebrechen einhergehen muss, so häufen sich doch mit zunehmendem Alter die Anzahl der Fälle, in denen Hilfen notwendig werden. Eine allgemein anerkannte Zielsetzung besteht dabei darin, vor einer stationären Versorgung oder der Unterbringung in einem Heim - nicht nur aus Kostengründen - den Verbleib in der angestammten Wohnumgebung bevorzugt zu ermöglichen.

Die Alterung der Gesellschaft, der zunehmende Pflegebedarf und die Notwendigkeit verbesserter Rahmenbedingungen für häusliche Pflege sind der Hintergrund des zweijährigen EU-Projekts "ProDomo - Veränderung häuslicher Pflege", bei dem die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) mit Partnern aus Italien, England, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn kooperiert. Dieses von der Provinz Parma (Italien) initiierte Projekt wird dabei von der Europäischen Union bis September 2011 mit knapp 300.000 Euro unterstützt. Nicht nur in Deutschland spielt die häusliche Pflege eine besondere Rolle bei der Versorgung älterer, pflegebedürftiger Menschen. In Deutschland z.B. wurden 2005 laut Statistischem Bundesamt mehr als zwei Drittel der ca. zwei Millionen Pflegebedürftigen von Angehörigen zu Hause versorgt, an dieser Größenordnung hat sich in den Folgejahren nicht viel geändert. Deswegen nimmt diese Versorgungsform auch im Projekt eine besondere Stellung ein: Es geht u.a. um gelungene Wege der Vorbereitung, Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger.

Im Zusammenhang mit der häuslichen Pflege sehen sich alle Partnerländer einem ähnlichen Problem gegenüber. Die hohe zeitliche und emotionale Belastung, die mit der Pflege von Angehörigen einhergehen und die hohen Kosten für Unterstützungsleistungen ambulanter Pflegedienste lassen pflegende Angehörige oft nach Alternativen suchen. Ausländische Pflegekräfte, vor allem aus osteuropäischen Ländern und häufig illegal im Land, stellen eine solche Alternative dar. In allen an diesem Projekt beteiligten Ländern stellen sich dabei Fragen danach, ob diese Pflegekräfte

• eine Lücke der Versorgung füllen, die anderweitig nicht geschlossen werden kann,

• ausreichend qualifiziert sind, um eine derart anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben,

• einen legalen Status erhalten können, der sowohl der finanziellen Situation der zu Pflegenden und deren Angehörigen, wie dem Bedarf der Pflegekräfte nach ausreichender Entlohnung und sozialer und gesundheitlicher Sicherstellung gerecht werden kann.

Die Auftaktveranstaltung des Projekts fand im November 2009 in Parma statt. Dabei legten die Projektpartner die Arbeitsschritte und die jeweils spezifischen Aufgaben fest. Das Team der Professur für Wirtschafts- und Organisationssoziologie beschäftigte sich folgend mit dem Pflege-System in Deutschland und den Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen darauf. Im April 2010 waren die Projektpartner für das zweite Treffen zu Gast an der Katholischen Universität in Eichstätt. In diesem Rahmen wurden, mit besonderem Augenmerk auf die häuslichen Pflege, die Pflegesysteme der Partnerländer vorgestellt und diskutiert. In einem Vergleich der verschiedenen nationalen Studien wurden Rückschlüsse über gelungene Angebote und bestehende Bedürfnisse gezogen.

Es stellte sich heraus, dass alle beteiligten Länder mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert werden: Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung wächst und damit das Risiko der Pflegebedürftigkeit. Die häusliche Betreuung spielt eine große Rolle und soll programmatisch auch in Zukunft an erster Stelle stehen. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie z.B. mangelndes familiäres "Pflegepotential" sowie sozialpolitische Rahmenbedingungen wie z.B. hohe Pflegekosten lassen Familien vermehrt auf (nicht legal beschäftigte) Pflegekräfte aus dem Ausland, v.a. aus osteuropäischen Ländern, zurückgreifen, deren Abschlüsse aus dem Herkunftsland nicht anerkannt werden.

Das "ProDomo"-Projekt wird von der Europäischen Union im Rahmen des Leonardo-da-Vinci-Programms gefördert. Ziel dieses Programms ist eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung der Qualität, der Innovation und der europäischen Dimension in den Berufsbildungssystemen und -praktiken der zusammenarbeitenden Länder. Dem entsprechend werden in einem nächsten Schritt die verschiedenen Ausbildungswege für Pflegeberufe in den verschiedenen Ländern verglichen. Ende dieses Jahres sollen in den Partnerländern an "runden Tischen" Ansätze der gesellschaftlichen und politischen Ausgestaltung der Pflege älterer Menschen mit Akteuren aus dem Pflegebereich diskutiert werden.

Die Ergebnisse dieses Treffens fließen ein in die Entwicklung eines Online-Ausbildungsmoduls, das im Rahmen des Projekts entstehen und im Laufe des nächsten Jahres von Pflegekräften sowie von ausbildenden Personen auf einer Internet-Plattform getestet werden soll. Materialien, die im Rahmen des "ProDomo"-Projekts entstehen, werden auf den gerade entstehenden Internetseiten des Projekts zur Verfügung gestellt (www.prodomoprojekt.eu).

Weitere Informationen zu diesem Projekt sind erhältlich bei Prof. Dr. Rainer Greca ( rainer.greca@ku-eichstaett.de ) bzw. Manuel Beozzo ( manuel.beozzo@ku-eichstaett.de ) oder Danielle Rodarius ( danielle.rodarius@kueichstaett.de ).


Prof. Dr. Rainer Greca ist Inhaber der Professur für Wirtschafts- und Organisationssoziologie an der KU.

Danielle Rodarius ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur.


*


Quelle:
Agora - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 2/2010, Seite 26-27
Herausgeber: Der Präsident der Katholischen Universität,
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsreferat der KU,
85071 Eichstätt
Tel.: 08421 / 93-1594 oder -1248, Fax: 08421 / 93-1788
E-Mail: pressestelle@ku-eichstaett.de
Internet: www.ku-eichstaett.de

AGORA erscheint einmal pro Semester und
kann kostenlos bezogen werden.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Dezember 2010