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ARTIKEL/001: Medizintechnik trotzt der Wirtschaftskrise und bleibt Jobmotor (BVMed)


BVMed - Bundesverband Medizintechnologie e.V. - Mittwoch, 4. November 2009

BVMed-Herbstumfrage: "Medizintechnik trotzt der Wirtschaftskrise und bleibt ein Jobmotor"

Medizintechnikverband fordert auf seinem Medienseminar in Berlin stärkere Qualitätsorientierung


Berlin. Die Unternehmen der Medizintechnologie trotzen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Sie sind in 2009 durchschnittlich mit knapp vier Prozent gewachsen und schaffen weiter Tausende Arbeitsplätze. Das ist das Fazit der Herbstumfrage des BVMed, an der sich 110 Mitgliedsunternehmen beteiligt haben. Der BVMed stellte die Umfrageergebnisse auf seinem 10. Medienseminar "Die MedTech-Branche in der neuen Legislaturperiode" am 4. November 2009 in Berlin vor.

Von der neuen Bundesregierung erwartet der BVMed "mehr wettbewerbliche Elemente im Gesundheitsmarkt und eine schnellere Umsetzung von Produkten in den Behandlungsalltag - sowohl in den Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich", so der BVMed-Vorstandsvorsitzende Dr. Meinrad Lugan. "Der Fokus muss auf der Qualität der medizinischen Versorgung statt alleine auf dem Preis liegen", sagte BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt. Die Umfrage zeigt: Bei den gesundheitspolitischen Forderungen der Unternehmen steht eine stärkere Qualitätsorientierung statt einer einseitigen Preisfokussierung (58 Prozent) im Vordergrund.

Nach den Ergebnissen der BVMed-Umfrage hat sich die Stimmung in der Branche im Herbst 2009 gegenüber dem Frühjahr 2009 verbessert. 52 Prozent der befragten MedTech-Unternehmen rechnen in diesem Jahr mit einem besseren Umsatzergebnis als 2008. Das ist ein deutlich positiverer Wert als bei der Frühjahrsumfrage 2009 vor einem halben Jahr (37 Prozent). Der inländische Preisdruck hält weiter an, konnte aber in den meisten Bereichen durch weitere Absatzsteigerungen aufgrund steigender Fallzahlen kompensiert werden. Es leiden jedoch die Deckungsbeiträge und die Gewinnsituation der Unternehmen.

Überraschend ist, dass trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise die MedTech-Branche in Deutschland ein Jobmotor bleibt. Rund 47 Prozent der Unternehmen haben gegenüber dem Vorjahr neue Arbeitsplätze geschaffen. Die über 220 BVMed-Mitgliedsunternehmen haben in diesem Jahr rund 4.200 neue Jobs geschaffen. Derzeit beschäftigt die Branche insgesamt über 175.000 Menschen in Deutschland.

Der Ausblick der Unternehmen auf das Jahr 2010 fällt vorsichtiger aus. 46 Prozent erwarten ein besseres Ergebnis, 39 Prozent erwarten Stillstand und 15 Prozent sogar Umsatzeinbußen. Die Zurückhaltung ist in erster Linie durch die verschlechterte Finanzsituation des Gesundheitsfonds in 2010 begründet. 57 Prozent der BVMed-Unternehmen erwarten dadurch indirekte negative Auswirkungen auf das eigene Geschäft.

Befragt nach den konkreten Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise nennen die Unternehmen vor allem den stärkeren Preisdruck (64 Prozent) sowie eine generell angespanntere Finanzlage (47 Prozent). Für 2010 befürchten die Unternehmen eine weitere Zunahme des Drucks auf die Preise von Produkten und Dienstleistungen (80 Prozent). Konkrete Maßnahmen wie einen Einstellungsstopp haben 23 Prozent der Unternehmen eingeleitet. 30 Prozent sagen, dass sie Investitionen aufgeschoben haben. Rund 17 Prozent der Unternehmen spüren derzeit keinerlei Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die laufenden Geschäfte. Im Frühjahr waren es noch 25 Prozent.

Erwartungen an die neue Bundesregierung

Die Unternehmen der Medizintechnologie sind vorsichtig optimistisch, wenn sie auf den Start der neuen Regierung schauen. Ein Drittel der 110 Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, erwartet verbesserte Rahmenbedingungen für die Medizintechnologie-Branche durch die neue Bundesregierung. Eine weitere Verschlechterung erwarten nur 8 Prozent. Der Rest geht von gleichbleibenden Rahmenbedingungen aus.

Zu den Koalitionsverhandlungen hat der BVMed auf seinen "10-Punkte-Plan für die Versorgung von Patienten mit fortschrittlicher Medizintechnologie" hingewiesen. "Die zehn Punkte bleiben über die Koalitionsverhandlungen hinaus unsere Forderungen an das wirtschafts- und gesundheitspolitische Handeln dieser Regierung in den nächsten vier Jahren", so Dr. Lugan. Der BVMed fordert unter anderem, die besondere Wertigkeit von Medizinprodukten besser herauszustellen, beispielsweise durch ein CE-Med-Zeichen. Der Zugang für medizintechnische Innovation sollte unbürokratisch und flexibel gestaltet werden. Medizintechnische Innovationen müssten im Krankenhaus auch weiterhin ungehindert eingeführt werden können. Der BVMed schlägt einen Innovationspool zur schnelleren Einführung von medizintechnischen Innovationen vor. Homecare und Telemedizin sollten feste Bestandteile der Regelversorgung werden.

"Stärkere Qualitätsorientierung im Gesundheitsmarkt: Praxisbeispiele aus der MedTech-Branche"

Gemeinsames Ziel der Akteure im Gesundheitsmarkt ist es, die medizinische Versorgung der Patienten auf einem qualitativ hohen Niveau für alle finanzierbar zu halten. "Dafür brauchen wir kontinuierliche Prozessoptimierungen und eine stärkere Qualitätsorientierung in der Gesundheitsversorgung. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Krankenkassen, Ärzten, Krankenhäusern und den MedTech-Unternehmen", so BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt.

In zahlreichen Bereichen der Medizintechnologie gibt es bereits Konzepte und Projekte, um bessere Versorgungsforschungs-Daten und neue Qualitätsstandards zu generieren. Das BVMed-Medienseminar präsentierte drei Praxisbeispiele: Endoprothesenregister, Herzstimulations-Datenbank und Versorgungsstandards im Hilfsmittelbereich.

- Wilhelm Blömer, Leiter Forschung und Entwicklung Orthopädie/Wirbelsäule bei Aesculap, stellte das Industriekonzept für ein Endoprothesenregister vor. Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland ist davon auszugehen, dass Gelenkersatzoperationen in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen werden. Schon heute benötigen jährlich mehr als 350.000 Patienten ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk. Die Standzeit einer Endoprothese ist von großer Bedeutung für den Patienten und von ökonomischer Bedeutung für das Gesundheitssystem. Versagt eine Endoprothese vorzeitig, kann dies vielfältige Ursachen haben. Faktoren, die dem operativen Eingriff selbst zuzuschreiben sind, sind ebenso zu berücksichtigen, wie patientenseitige oder auch implantatbedingte Faktoren. Ein Endoprothesenregister könnte, wie in anderen Ländern bereits nachgewiesen, systematische Informationen über Häufigkeit und Ursachen des Versagens insbesondere auch über lange Nutzungszeiten hinweg liefern.

Die Erfassung und Bewertung aller implantierten Gelenkendoprothesen im Sinne eines Endoprothesenregisters wird seit vielen Jahren von der implantatherstellenden Industrie gefördert und aktiv mitgestaltet. Die Unternehmen befürworten und unterstützen die Einrichtung eines Endoprothesenregisters als zusätzlichen Baustein zur Sicherstellung und Optimierung der Qualität in der endoprothetischen Versorgung. Die damit verbundene Transparenz über Implantatverwendung, Implantationstechniken und deren Versorgungs- und Ergebnisqualität werden als wichtigen Schritt hin zu verbesserten und innovativen Technologien und Operationsverfahren und damit zu einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung zum Wohle des Patienten gesehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet jetzt darüber, ob Deutschland zukünftig über ein Endoprothesenregister verfügen wird.

Qualitätssicherung bei Medizinprodukten im stationären Bereich am Beispiel aktiver Implantate stellte Dr. Lutz Helmke von St. Jude Medical vor. Aktive Implantate sind medizinische Produkte, bei denen es zu einer Übertragung von Energie, Substanzen oder anderen Elementen zwischen dem aktiven medizinischen Gerät und dem Patienten kommt. Helmke gab zwei Beispiele für den Beitrag der Industrie zu einer stärkeren Qualitätsorientierung in diesem Bereich. Das erste Beispiel: mit Herzstimulation.de betreibt die Industrie ein Internetportal, das dem Benutzer erlaubt, firmenübergreifend Informationen zu implantierten Herzschrittmachern und Defibrillatoren zu bekommen, die einen sichereren Umgang mit den Implantaten erlauben. Ein weiteres Beispiel ist die Telemedizin mit aktiven Implantaten. Durch diese neue Technologie kann die Sicherheit der Patienten erhöht werden, da das Implantat seine Messdaten während der gesamten Laufzeit an einen internetbasierten Server überträgt, auf den der Arzt zu jeder Zeit Zugriff hat. Durch diese Art der Überwachung steigt die Qualität der Versorgung und gleichzeitig wird eine Antwort auf die Herausforderungen des demografischenWandels gegeben.

Nach Ansicht von Astra Tech-Geschäftsführer Dr. Jörg Nosek muss man sich bei der Qualitätsdiskussion in der Hilfsmittelversorgung sowohl das Produkt als auch die Versorgung selbst anschauen. Der Begriff "Hilfsmittel" suggeriert auf den ersten Blick, dass es sich um ihrer Natur nach einfache Produkte ohne viel Know-How handelt. Dieser Eindruck wird manchmal noch durch die Natur des Einsatzgebietes unterstützt, beispielsweise Inkontinenz. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es sich meist um sehr komplexe Krankheitsbilder mit hoher medizinischer Relevanz und Bedeutsamkeit für den Alltag der Betroffenen handelt. Um diesen Alltag zu meistern, benötigen diese Menschen Produkte und Dienstleistungen, die Ihnen ein menschenwürdiges und möglichst aktives Leben ermöglichen. "Den Konflikt zwischen diesem berechtigten Anspruch und den knapper werdenden finanziellen Ressourcen für den Einzelnen in unserem Gesundheitssystem wird man nur lösen können, wenn man nicht einfach die billigste Lösung mit der langfristig besten und effektivsten Lösung verwechselt", so Nosek. Sein Fazit: "Dazu Bedarf es der klaren Definition von Versorgungskonzepten und Produktqualiäten in der Versorgung. Für beides stehen wir jedoch noch am Anfang."

BVMed-Geschäftsführer Schmitt: "Ziel ist ein Wettbewerb um die bestmögliche medizintechnische Versorgung um dem Trend zur Billigmedizin entgegenwirken - zum Wohle der Patienten." Die Fallbeispiele verdeutlichten, dass sich die Unternehmen der Medizintechnologie bereits in vielen Praxisprojekten für eine stärkere Qualitätsorientierung im deutschen Gesundheitssystem einsetzen.

Alle Informationen zum BVMed-Medienseminar "Trends der Medizintechnologie" sowie die Ergebnisse der BVMed-Branchenbefragung befinden sich im Internet unter:
www.bvmed.de/medienseminar09



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Der BVMed vertritt als Wirtschaftsverband über 200 Industrie- und Handelsunternehmen der Medizintechnologiebranche. Im BVMed sind u. a. die 20 weltweit größten Medizinproduktehersteller im Verbrauchsgüterbereich organisiert. Die Gesundheitsausgaben im Bereich der Medizinprodukte betragen in Deutschland rund 23 Mrd. Euro. Die Medizinprodukteindustrie beschäftigt rund 170.000 Menschen.

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Quelle:
BVMed-Pressemeldung Nr. 99/09 vom 4. November 2009
V.i.S.d.P.: Manfred Beeres M.A.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2009

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