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FORSCHUNG/246: Für ein Leben ohne Luftnot - Forscher wollen Atemhilfe für Patienten mit COPD entwickeln (idw)


Universität Witten/Herdecke - 27.04.2018

Für ein Leben ohne Luftnot: Forscher wollen Atemhilfe für Patienten mit COPD entwickeln

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt bis 2020 mit einem Gesamtvolumen von 1,65 Millionen Euro


In einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt wollen Prof. Christian Karagiannidis, Leiter der Lungen-Intensivstation im Krankenhaus Köln-Merheim sowie Professor für Extrakorporale Lungenersatzverfahren der Universität Witten/Herdecke, und die Aachener enmodes GmbH ein transportables Lungenunterstützungssystem für Patienten mit COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung) entwickeln. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt bis 2020 mit einem Gesamtvolumen von 1,65 Millionen Euro.

Bei einigen Patienten mit COPD wird im Laufe der Erkrankung die Lunge so stark geschädigt, dass eine normale Atmung nicht mehr möglich ist. Ein Teil der Patienten ist dann auf eine akute intensivstationäre Beatmung angewiesen und danach etwa 20% auf eine chronische häusliche Beatmung ("Heimbeatmung"). Eine aktuelle Studie der Klinik für Pneumologie in Merheim zeigt, dass die Heimbeatmung mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität, der Mobilität und der Fähigkeit zu kommunizieren einhergehen kann. Die Patienten sind durch das Beatmungsgerät und die Schwere der Erkrankung meist an die Wohnung gebunden, verbringen einen großen Teil des Tages liegend und können sich auch innerhalb der Wohnung nur wenige Schritte bewegen. Große medizintechnische Entwicklungen für diese Patienten hat es - anders zum Beispiel als in der Kardiologie - in den letzten Jahren nicht gegeben.

Daher konzipierte das Aachener Medizin-Startup enmodes GmbH ein medizintechnisches Gerät zur Verbesserung der Patientenversorgung. Schon in der Frühphase wurde hierbei Prof. Christian Karagiannidis als Experte hinzugezogen, der im Rahmen der Klinischen Testreihe bereits nach kurzer Zeit eine Schlüsselrolle einnahm.

Dabei nutzt er seine umfangreichen Erfahrungen mit der sog. ECMO-Therapie (künstliche Herz-Lungen-Maschine) auf der Intensivstation. Die ECMO kann nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden, da das Blut während der Therapie geschädigt werden kann und solche Geräte nicht für den Dauereinsatz und tragbar konzipiert sind. Um Therapie, Lebensdauer und Lebensqualität der Patienten zu verbessern, soll das neue Gerät

  • schonend arbeiten, damit das Blut nicht geschädigt wird
  • die rechte Herzkammer zusätzlich entlasten
  • leicht und kompakt sein, um Mobilität zu ermöglichen
  • in der Anwendung so unkompliziert werden, damit es die Patienten alleine bedienen können.

Das neue Medizinprodukt soll COPD-Patienten ermöglichen, einen geregelten Alltag ohne permanente Fremdhilfe und ohne Luftnot zu führen - ein ehrgeiziges Ziel, das Dank der erfolgreichen Kooperation jedoch möglich erscheint. Die beiliegende Grafik zeigt, wie das Gerät aussehen könnte.

Um den hohen Ansprüchen gerecht zu werden, wird in dem neuen Gerät ein neuartiger Gasaustauscher eingesetzt, bei dem das Blut gleichmäßiger verteilt wird, um weniger Blutbestandteile zu beschädigen. Im ersten Projektteil werden Blutschädigung und Effizienz des Systems intensiv mit Hilfe von Computersimulationen sowie in Labor- und Tierversuchen untersucht. Anschließend folgen weitere Untersuchungen zur Blutverträglichkeit. Zum Projektabschluss soll eine gut kontrollierte klinische Studie die Sicherheit der Behandlung, die Verbesserungen des Krankheitsbildes und die Verringerung der Sterblichkeit zeigen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung war von dem Projekt überzeugt und fördert es bis 2020 mit einem Gesamtvolumen von 1,65 Millionen Euro. Zudem unterstützt das Technologiezentrum des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) das Projektteam im Rahmen der Projektorganisation.


Hintergrund: COPD

Weltweit erkranken immer mehr Menschen an COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung): die Welt-Gesundheitsorganisation WHO führt 6 % der Todesfälle auf COPD zurück; in Deutschland gehört die COPD zu den zehn häufigsten Todesursachen. Hauptursache ist in ca. 90 % der Fälle das Rauchen, andere Faktoren sind Luftverschmutzung sowie genetische Ursachen. Doch anders als bei Herzerkrankungen oder Brustkrebs ist COPD in weiten Teilen der Bevölkerung nicht bekannt. Das Tückische an COPD: die ersten Symptome sind leicht (z.B. morgendliches Husten, leichte Atembeschwerden) und werden von den Betroffenen nicht ernst genommen.

Wenn die Erkrankung jedoch fortschreitet, werden Strukturen der Bronchien und der Lunge unwiderruflich zerstört, die Patienten können nicht mehr richtig ausatmen, die Lunge bläht sich auf und der CO2-Gehalt im Blut steigt. Im fortgeschrittenen Stadium kann die Krankheit nicht mehr geheilt werden; es können nur noch Symptome behandelt und der Krankheitsverlauf verlangsamt werden.

Bei einer sehr schweren COPD ist theoretisch eine Lungentransplantation möglich. Aufgrund des allgemein schlechten Gesundheitszustands der Patienten sowie der geringen Zahl von Spenderorganen ist dies jedoch kaum zu realisieren.

Die Partner im Projekt:

Kliniken der Stadt Köln
Hohe Behandlungsqualität, ein umfassendes medizinisches Leistungsspektrum und Achtung vor der Würde des Menschen ohne Blick auf Nationalität, Weltanschauung oder Religion - das sind die Werte, die in jedem der drei Krankenhäuser, Amsterdamer Straße, Holweide und Merheim, gelebt werden. Das ehrgeizige Ziel: Beste Medizin für alle. Die Kliniken Köln bieten eine bedarfsbezogene und qualitativ hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung. Mit rd. 1.500 Betten, 65.000 stationäre und rd. 155.000 ambulante Patientinnen und Patienten und einem Umsatz von rd. Mio. € 360 sind die Kliniken Köln eines der größten kommunalen Krankenhäuser. Die Kliniken Köln sind Vorreiter bei Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung - vielfach ausgezeichnet und von Experten empfohlen.

Universität Witten/Herdecke
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine
Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.400 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung. Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

Enmodes GmbH
Die enmodes GmbH bietet Design- und Ingenieurdienstleistungen für Medizintechnikunternehmen an mit einem Schwerpunkt auf validierten Berechnungsanalysen und Optimierungen. Das Ziel ist dabei, neue Ansätze zu entwickeln und bestehende Technologien zu verbessern, um den aktuellen Bedürfnissen und Herausforderungen im Gesundheitswesen gerecht zu werden. Gemeinsam mit Partnern aus dem Gesundheitswesen, der Wissenschaft und der Industrie führt, begleitet oder unterstützt die enmodes GmbH neue Entwicklungen von der ersten Idee bis hin zur klinischen Anwendung. Im Januar 2015 startete enmodes mit der Entwicklung an einem verbesserten Gasaustauscher. Das Gerät basiert auf konventioneller Lungenunterstützungstechnologie, beinhaltet aber auch die flexible Bewegung der Lunge über eine patentierte geräteintegrierte Compliance. Im Gegensatz zu sämtlichen bestehenden Geräten wird es mit diesem System erstmals möglich sein, Patienten mit schwerster COPD selbstständig zu mobilisieren, über einen Zeitraum von über 30 Tagen zu therapieren und diese Patienten letztendlich mit einem System auch nach Hause zu entlassen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution226

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Witten/Herdecke, Jan Vestweber, 27.04.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2018

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