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NACHLESE/023: 50 Jahre später ... John Mayall - Blues from Laurel Canyon (SB)


Ten hours in a plane
England left behind
Back here in L.A.
Wonder what I'll find

John Mayall - Vacation


Neben Alexis Korner kann John Mayall als Urvater jener britischen Bluesszene bezeichnet werden, die eine ganze Riege von zum Teil bis heute aktiver Weltstars hervorgebracht hat. Die 1963 gegründete Band John Mayall & The Bluesbreakers gelangte 1965 mit dem Gitarristen Eric Clapton zu landesweiter Berühmtheit. Auch Jack Bruce spielte bei den Bluesbreakers, so daß zwei Drittel der späteren Cream aus dieser Formation hervorgingen. Peter Green, John McVie und Mick Fleetwood waren Mitglieder der Bluesbreakers, bevor sie Fleetwood Mac gründeten, Jon Hiseman und Dick Heckstall-Smith gaben dort ihren Einstand, bevor sie Collosseum gründeten, Andy Fraser, später Free, John Weider, später Eric Burden and The Animals und Family, und zahlreiche andere Musiker spielten bei den Bluesbreakern und entwickelten dort jene Fertigkeiten, für die sie später berühmt werden sollten.

John Mayall selbst schien mit seiner Rolle als einer Art Konverter für das Personal britischer Rockbands nicht unzufrieden zu sein, die vielen Wechsel in seiner Formation brachten stets neue Impulse in eine Musik, die als dem Blues verpflichtetes Genre zugleich formale Grenzen hatte. In den drei Jahren ihrer Hochzeit bis Mitte 1968 brachten die Bluesbreakers viele Stücke hervor, die dem Blues lyrische Elemente entlockten und auf eine Weise besinnlich sein konnten, wie es typisch für seine weiße, europäische Spielweise wurde.

Ein Beispiel für den Innovationsgeist der Musik John Mayalls war das erste Album nach Auflösung der Bluesbreakers. Bei einem Aufenthalt in den USA entstand mit Blues from Laurel Canyon ein Werk, dem man den Einfluß seiner amerikanischen Umgebung durchaus anhören kann. Der Sound eines startenden Jetliners, angetrieben durch das Slide-Gitarrenspiel Mick Taylors, macht verständlich, wieso die Rolling Stones ihn ein Jahr nach den Aufnahmesessions für Blues from Laurel Canyon auf Empfehlung von John Mayall bei sich vorspielen ließen. Was erst für Aufnahmen gedacht war, für die Taylor als Sessionmusiker gebucht werden sollte, führte nach dem Tod von Brian Jones am 3. Juli 1969 dazu, daß die von seinen Fertigkeiten an der Sologitarre beeindruckten Stones ihn als vollwertiges Mitglied für den verstorbenen Leadgitarristen der Band aufnahmen. Mick Taylor war gerade einmal 20 Jahre alt, als er sein Live-Debüt mit den Rolling Stones im Hyde Park vor bis zu einer halben Million Menschen in jenem Konzert gab, das als Gedenken an den zwei Tage zuvor verstorbenen Brian Jones in die Geschichte eingehen sollte, tatsächlich aber noch zu dessen Lebenszeiten geplant gewesen war.

Die Gitarrenarbeit auf dem Album verrät bereits, das Taylor zu Höherem auserkoren war, um so wichtiger ist dieses Dokument zum Verständnis dessen, daß reine Instrumentalisten wie dieser Sologitarrist wesentlich zum prägenden Sound einer Band beitragen konnten. Die auf Blues from Laurel Canyon zu hörende Slidegitarre enthält alle typischen Elemente, mit denen Taylor die Stones in ihrer kreativen Hochphase zwischen 1969 und 1974 begleitete.

Wie das in grünen Naturfarben gehaltene Cover des Albums beeindruckt die Musik durch ihren handgemachten, unprätentiösen Charakter. Bis auf den stürmischen Auftakt dominieren ruhige Stücke mit fast jazziger instrumenteller Improvisation, darunter mit The Bear eine Ode an Mayalls Freunde bei der Band Canned Heat. Enthalten ist auch ein Lied über Frank Zappa und seine Tochter Moon Unit Zappa mit dem Titel 2401. Die Musik fügt sich dadurch, daß es keine Pausen zwischen den einzelnen Songs gibt, und die zugrundeliegende Bluesmatrix zu einem organischen Ganzen zusammen, das bis heute auch deshalb gut hörbar ist, weil der Blues eine Zeitlosigkeit aufweist, die Mayall stets in allerdings unterschiedlicher Qualität und Intensität verkörpert hat.

Mit dieser Platte gab der britische Musiker, der den Blues bei einer drei Jahre währenden Stationierung als Soldat in Korea entdeckt hatte, auch seinen Einstand in den USA. Er bezog ein Haus im Laurel Canyon, einem Tal in den Hollywood Hills in Los Angeles, das in den späten 60er und frühen 70er Jahre berühmt für die vielen Stars der Rockmusikszene von L.A. war, die dort lebten und Partys feierten. Schon damals stellten die Brände in dieser Region Kaliforniens ein Problem dar, brannte Mayalls Haus doch 1979 bis auf die Grundfesten nieder. Seiner musikalischen Schaffenskraft tat diese Zäsur keinen Abbruch - am 29. November feiert er seinen 85. Geburtstag. Erst dieses Jahr warb er mit der 1972 geborenen Bluessängerin und -gitarristin Carolyn Wonderland die erste weibliche Leadgitarristin seiner Band an.

25. November 2018


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