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NACHLESE/024: 50 Jahre später ... Eric Burdon & The Animals - Every One Of Us (SB)



Black was the colour of my childish dreams, impressions that would last Black coal, coal black pit yacka's face, escaping the coal dust blast Blind pony stumblin' to the light of day, to retire in the green fields forever And I'll build me a bridge of steel, to beat the black river forever

Eric Burdon & The Animals - The Immigrant Lad

Selbst unter kalifornischer Sonne im legeren Los Angeles ließ Eric Burdon seine Herkunft im Arbeiterviertel der nordenglischen Industriemetropole Newcastle nicht los. Every One Of US wurde wie die anderen Alben der psychedelischen Phase in der Karriere des englischen Bluesshouters - Winds of Change, The Twain Shall Meet, Love Is - in den USA aufgenommen und kam im United Kingdom nicht einmal in die Plattenläden. Um so bemerkenswerter ist der Song The Immigrant Lad, in dessen Refrain der Fluß Tyne besungen wird, an dessen Ufern in Newcastle die Zentren schwerindustrieller Arbeit lagen, die die Bevölkerung mit ihren Giften plagten. So litt Eric, großgeworden in der Familie eines Elektrikers und in der Schule, die zwischen einem Schlachthof und einer Werft lag, daran gescheitert, mit dem ganzen Sadismus schwarzer Pädagogik zum unterwürfigen Befehlsempfänger dressiert zu werden, wie viele Menschen in den düsteren Arbeitervierteln Nordostenglands, wo kalte Feuchtigkeit, Kohlestaub und Industrieabgase die Luft in ein schwer atembares Gasgebräu verwandelten, von früh auf an Asthma.

Den schwarzen Fluß zu schlagen und einer Umgebung zu entkommen, die ihn wie seinen Vater zu einer bescheidenen Existenz im nordenglischen Industrieproletariat verdammt hätte, gelang Eric durch die Hinwendung zum Blues und zum Jazz. In seinem Freundeskreis hörte man fast ausschließlich schwarze, US-amerikanische Musik und war stolz darauf. So beschreibt Burdon in einem Stück eine imaginäre Begegnung mit Bo Diddley, der plötzlich in dem Newcastler Jazzclub The Downbeat auftaucht und ihn mit seiner Musik inspiriert. Schon die 1962 in dieser Stadt gegründeten Animals bezogen sich ausdrücklich auf die afroamerikanische Musiktradition. Sie gehörten zur ersten Welle jener britischer Bands, die den Blues in den USA einem weißen Publikum vorstellten, das sich damit konfrontiert sah, eine höchst vitale Musiktradition aus rassistischen Gründen so effizient unterdrückt zu haben, daß es europäischer MusikerInnen bedurfte, sie überhaupt kennenzulernen.

Für Eric Burdon unterschied sich das Leben im Untergeschoß der britischen Klassengesellschaft nur bedingt von dem der Schwarzen in den Ghettos US-amerikanischer Großstädte. Wie schon in seinen frühen Texten zu hören verfügte er über tiefempfundene Sympathie für den schwarzen Widerstand gegen die weiße Herrschaft. Das hielt ihn nicht davon ab, sich mit aller Lebenslust an die musikalische Spitze der aufkommenden Hippiebewegung zu setzen. Obgleich er die anarchischen Umstände dieses Aufbruchs in vollen Zügen auskostete, konnte er als politisch wacher und klassenbewußter Mensch nicht vergessen, daß der Hippietraum inmitten des brutalen imperialistischen Krieges in Vietnam und bürgerkriegsartiger Aufstände der unterdrückten Schwarzen in den USA stattfand.

Diese Lebensphase des 1941 geborenen Burdon stellte musikalisch wie persönlich einen tiefen Einschnitt in seiner Karriere dar. Der schwärzeste aller britischen Blues- und Rocksänger vergraulte einen Großteil seines alten Publikums mit seiner Wandlung zum musikalischen Herold der Hippie-Bewegung, während er eine noch größere Zuhörerschaft in den USA gewann, die ihm viel Geld bescherte, was er ganz im Sinne des Lebens im Hier und Jetzt bis zur völligen Pleite durchbrachte. Doch auch die Hippie-Ära hatte ihre Schattenseiten, die Burdon in Year of The Guru thematisierte. In diesem Stück, dessen Text der Sänger fast in einer Art frühem Rapstil vorträgt, setzt sich Burdon mit der unkritischen Hinwendung zu indischer Religiosität auseinander, die für die meisten Musiker, die damals wie die Beatles die Meditation entdeckten, eine bloße Modeerscheinung bleiben sollte.

Wie in dem Opener White Houses konfrontierte Eric Burdon sein Publikum auch in dem 18minütigen New York 1963 - America 1968 mit den Schattenseiten der Verheißung, jeder Mensch könne in den Vereinigten Staaten unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft sein Glück machen. Die traurige Melodie zu dem Refrain "And when I got to America, I say it blew my mind" leitet zu einem längeren Teil über, in dem ein schwarzer Ingenieur über seine Erlebnisse als Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg und von der Armut in den USA berichtet.

Wie versiert seine Band Eric Burdon and the Animals, die die erste Formation The Animals 1967 abgelöst hatte, aufspielte, kann auf Every One Of Us gut studiert werden. Der Multiinstrumentalist John Weider verrichtete zusammen mit Vic Briggs virtuose Gitarrenarbeit und war nebenbei, wie insbesondere in seiner nächsten Gruppe Family, für Bass und Violine zuständig. Keyboarder Zoot Money, ebenfalls ein Urgestein der britischen Blues- und Jazz-Szene, hatte seine Klangwelten in der Band Dantalian's Chariot entwickelt, in der er zusammen mit dem Gitarristen Andy Summers spielte. Dieser später mit The Police berühmt gewordene und höchst virtuose Instrumentalist stieß ebenfalls zu Eric Burdon and The Animals hinzu, nachdem Vic Briggs die Band verlassen hatte.

Der Einfluß von Jimi Hendrix, mit dem Burdon bis zu dessen Tod eng befreundet war, kann nicht überhört werden, münden die Stücke doch nach einem eher ruhigen Beginn oft in furiose Gitarrensoli, die mit Burdons wohlplazierten Schreien ein Feuerwerk an Intensität entfachen. Bei alledem war der Blueshintergrund unüberhörbar, so daß die Flüge in den Kosmos der Psychedelik stets im festen Boden schwarzer Erde verankert blieben.

Für diese Zeit vor 50 Jahren stellen Everyone Of Us und die anderen Alben der damaligen Formation von Eric Burdon and The Animals musikalische Zeitzeugnisse von einiger Aussagekraft dar. Da der Sänger die ihn umgebende Welt in seinen Texten stets kritisch kommentierte wie lyrisch verklärte, erfüllt die große Emotionalität seiner Musik immer auch die Aufgabe, Transportmittel von Botschaften zu sein, die bei allem heute als naiv empfundenen Idealismus der Epoche in der realistischen Auffassung gründen, daß die sozialen Verhältnisse zum Besseren verändert werden müssen, wenn die Menschen dem scheinbar unauflöslichen Kreis von Krieg und Zerstörung entkommen wollen.

Dieses soziale Engagement führte schon 1969 dazu, daß der in San Francisco lebende Burdon in die Band War einstieg und sich wieder ganz der schwarzen Musik zuwandte. Eric Burdon Declares "War" mit dem fast 14minütigen Tobacco Road und das Doppelalbum The Black-Man's Burdon dokumentieren seine Rückkehr aus den abgehobenen Gefilden LSD-haltiger Träume zum guten alten Blues und dem dazugehörigen Whiskeyglas. In einem Livemitschnitt des Senders arte aus dem Jahr 2015 zeigt sich Burdon, der lange Zeit in Deutschland gelebt hat, in wohlgereifter Frische, der auch das zeitlebens gebliebene Asthma, das mitunter zu Konzertabbrüchten führte, keinen Abbruch tut.

5. Dezember 2018


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