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MILITÄR/8209: Sicherheitspolitik, Rüstung und Konflikte - 02.08.2019 (SB)


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Kündigung des INF-Vertrags durch Washington ist wirksam

Anfang Februar hat die Regierung der USA den Rüstungskontrollvertrag INF einseitig aufgekündigt. Nach sechs Monaten ist die Kündigung an diesem Freitag wirksam geworden. Der Vertragspartner Rußland hatte sich bald nach den USA seinerseits vom INF-Vertrag verabschiedet. Noch am Donnerstagabend bot der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow den USA und der NATO erneut ein Moratorium bei der Stationierung von Raketensystemen mittlerer und kürzerer Reichweite in Europa an. Mit dem INF-Vertrag hatten die USA und die UdSSR 1987 auf landgestützte, mit Nuklearsprengkörpern bestückbare Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern verzichtet. Rjabkow wies in einem Interview der Agentur Tass darauf hin, daß sich sein Land einseitig auf ein Moratorium bei der Aufstellung derartiger Systeme festgelegt hat. Darauf seien bisher weder die USA noch die NATO eingegangen, so Rjabkow. Er warnte, für den Fall, daß die USA landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen in Europa stationierten, behalte sich seine Regierung vor, solche Raketen in Reichweite der USA aufzustellen.

Washington begründet seinen Ausstieg aus dem INF-Vertrag mit Verstößen Rußlands gegen das Abkommen. Demnach hätte die russische Rakete 9M729 eine Reichweite von rund 2000 Kilometern und nicht, wie von russischer Seite stets versichert, von weniger als 500 Kilometern. Bundesaußenminister Heiko Maas machte am Freitag in einem Interview des Deutschlandfunks Rußland für die Vertragsaufkündigung durch Washington verantwortlich. Maas leitete die Unglaubwürdigkeit der russischen Regierung in der über Jahre geführten Debatte daraus ab, daß diese zunächst darauf hingewiesen hatte, daß Rußland keine dieser Raketen entwickelt, und dann darauf hinwies, daß es doch welche entwickelt, diese aber nicht so weit fliegen. Auf die explizite Frage, ob es keine richtigen Beweise dafür gebe, daß diese Raketen weiter flögen als 500 Kilometer, antwortete der Außenminister, doch, es gebe Beweise dafür. Es gebe allerdings unterschiedliche Auffassungen. Es werde abgestritten von der russischen Seite. Aber im Ergebnis helfe uns das jetzt auch nicht weiter. Der SPD-Politiker betonte, die Bundesregierung habe alles daran gesetzt, in Gesprächen mit Rußland darauf hinzuwirken, daß die Vertragstreue wiederhergestellt werde, weil dieser Vertrag wichtig für die Sicherheit in Europa sei. Das sei leider nicht gelungen. Deshalb laufe dieser Vertrag aus. Das sei kein guter Tag für die Sicherheit in Europa.

Oberst a. D. Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik ging im Gespräch mit demselben Sender näher auf die Beweisfrage ein. Seinen Worten zufolge ist von außen nicht so leicht zu beurteilen, wer recht hat. Die USA hätten in der NATO Beweise vorgelegt für den russischen Vertragsbruch. Diese Beweise seien für die NATO-Verbündeten überzeugend gewesen, aber sie seien nicht öffentlich. Der Wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses habe allerdings Details öffentlich gemacht. Es gehe um Tests russischer Raketen auf dem Testgelände Kapustin Jar, und zwar einmal von einem festen Startgerät aus mit einer Reichweite deutlich über 2000 Kilometer, das sei als Test erlaubt, und einmal von einem mobilen Startgerät aus mit einer Reichweite deutlich unter 500 Kilometer. Ein Start von einem mobilen Startgerät wäre verboten nach dem INF-Vertrag. Die Frage, ob es sich um die gleiche Rakete handele, lasse sich nur von Experten beantworten. Das lasse sich von der äußeren Hülle her nicht eindeutig feststellen. Dazu wäre eine Verifikation nötig gewesen in Form von Datenaustausch, Expertengesprächen und Beobachtungen auf dem Inspektionsgelände selbst. Die Verifikation habe nicht stattgefunden. Experten hätten das Standarddesign der Rakete erörtern müssen, vielleicht mit Schnittmodellen, am besten mit Flugvorführungen. Dann hätte man das in technischen Zusatzprotokollen festlegen können, damit es vertragskonform sei. Denn die Rakete, die von außen so gleich aussehe, könne völlig unterschiedliche Konfigurationen haben. Das liege an der Größe des Gefechtskopfs oder an der Steuereinrichtung et cetera. Das müsse man wissen, bevor man die Reichweite daraus ableite.

2. August 2019


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