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GALAXIS/117: Neues von den kleinsten Galaxien des Universums (idw)


Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 15.01.2009

Neues von den kleinsten Galaxien des Universums


Die kleinsten Galaxien des Universums leuchten viel schwächer, als es für Sternenhaufen ihrer Gewichtsklasse zu erwarten wäre. Astronomen der Universität Bonn präsentieren nun eine Erklärung für dieses überraschende Phänomen: Nach ihren Berechnungen beheimaten die so genannten "Ultrakompakten Zwerggalaxien" außergewöhnlich viele Neutronensterne und Schwarze Löcher - das Erbe einer gleißend hellen Vergangenheit.

Sie sind die kleinsten unter den Galaxien im Weltall: Ultrakompakte Zwerggalaxien (UCDs, nach dem Englischen ultra compact dwarf galaxies) sind so klein, dass Astronomen sie beim Blick durch das Teleskop lange Zeit für ganz normale Sterne der Milchstraße gehalten hatten. Erst als vor rund zehn Jahren der Bonner Astronom Michael Hilker und der Australier Michael Drinkwater das Lichtspektrum dieser vermeintlichen Einzelsterne genauer analysierten, entpuppten sie sich als unvergleichlich kompakte Ansammlung von Sternen.

UCDs ähneln in vielen Aspekten den einfachen Kugelsternhaufen, die Galaxien wie unser Milchstraßensystem umgeben. Wegen ihrer ungeheuren Masse zählen Astronomen sie aber häufig zu den Galaxien: Sie sind bis zu hundert Mal schwerer als die massereichsten Kugelsternhaufen. Diese Masse konzentrieren die Zwerggalaxien zudem auf engstem Raum, daher ihr Name: ultrakompakt. Sie sind etwa hundertmal kleiner als durchschnittliche Galaxien. "Der Abstand von unserer Sonne zum galaktischen Zentrum der Milchstraße beträgt etwa 30.000 Lichtjahre. UCDs sind höchstens hundert Lichtjahre groß", verdeutlicht Jörg Dabringhausen, Doktorand am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn, die Dimensionen.

Zu dunkel für ihre Masse

Bei den Spektralanalysen der UCDs machten Astronomen schon früh eine überraschende Entdeckung: "Diese Zwerggalaxien müssten angesichts ihrer großen Masse eigentlich mehr Helligkeit aussenden", sagt Dabringhausen. Zusammen mit Professor Dr. Pavel Kroupa und Holger Baumgardt präsentiert er nun im Fachmagazin Monthly Notices of the Royal Astronomical Society ein theoretisches Modell, das diese Licht-Masse-Anomalie der UCDs erklären kann. Die Lösung sind astronomische Objekte, die viel Masse beisteuern, aber kein Licht aussenden. Diese Eigenschaften erfüllen zwei astronomische Extremisten, die den Endpunkt in der Biographie besonders massereicher Sternen darstellen: Neutronensterne und Schwarze Löcher.

"Beide sind im All weit verbreitet", sagt Pavel Kroupa, der die Arbeitsgruppe Astrophysics of Stellar Populations, Dynamics and Dark Matter am Argelander-Institut leitet. "Es sollte sie aber in den UCDs besonders häufig geben." Nach den Berechnungen der Bonner Astronomen gab es in den UCDs nämlich ursprünglich besonders viele schwere Sterne. So machen in unserer Heimatgalaxie Sterne mit mehr als acht Sonnenmassen nur etwa 23 Prozent der Gesamtmasse aller entstehenden Sterne aus. In den UCDs müsste dieser Wert bei bis zu 90 Prozent gelegen haben. "Weil die UCDs aber sehr alte Objekte sind, haben diese schweren Sterne bereits den Endpunkt ihrer Entwicklung erreicht und wurden zu Neutronensternen oder Schwarzen Löchern", erklärt Kroupa.

UCDs müssen ursprünglich wahre Schmelztiegel gewesen sein; vor allem, wenn man bedenkt, dass sie bei ihrer Geburt noch enger gepackt waren, als sie es heute schon sind. "Zwei Protosterne in einer jungen UCD waren sich tausendmal näher als heute unserer Sonne und der nächste benachbarte Stern", sagt Dabringhausen. Bei solch extrem hohen Sterndichten müssen die jungen Sterne zu exotischen und bisher unbekannten sternähnlichen Objekten verschmolzen sein, vermuten die Bonner Forscher. "Durch die Verschmelzung müssen die UCDs in diesem Stadium ihrer Entwicklung gleißend hell gewesen sein", erläutert Jörg Dabringhausen. Hätte man damals einen Blick auf die Geburt einer solchen Zwerggalaxie werfen können, man wäre geblendet worden von so viel Licht. Nach Berechnungen der Bonner Forscher hatten UCDs in ihrem Anfangsstadium die Leuchtkraft einer großen Galaxie, und das konzentriert auf einen Raum von nur etwa einhundert Lichtjahren Durchmesser.

Die extremen Bedingungen in diesem Stadium haben Konsequenzen für die Astrophysik dieses Galaxietypus: "Das Strahlungsfeld im Inneren der UCDs war so stark, dass die Sternentstehung und die eigentliche Struktur der Sterne völlig neu berechnet werden müssen", erklären die Forscher. Bisher gibt es hierzu aber noch keinerlei theoretische Arbeiten. Wenn sich die Berechnungen der Bonner Astronomen also bestätigen, zählen Ultrakompakte Zwerggalaxien zu den extremsten Orten im Universum, an denen Sterne entstanden sind.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Frank Luerweg,
15.01.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2009