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INSTRUMENTE/221: Das größte Teleskop der Welt startet binokularen Betrieb (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 8. März 2008

Das Large Binocular Telescope (LBT) blickt erstmals mit beiden "Augen" ins All

Das größte Teleskop der Welt startet den binokularen Betrieb


Nach mehr als zehnjähriger Bauzeit hat das leistungsstärkste Einzelteleskop der Welt, das LBT, erstmals mit seinen beiden riesigen "Augen" den Himmel beobachtet. Die US-amerikanischen, italienischen und deutschen Partner im Large Binocular Telescope-Projekt berichten vom erfolgreichen "Ersten Licht" bei der Beobachtung im binokularen Modus. Durch Erreichen dieses neuen Meilensteins ist das LBT nun auf dem Weg, mit neuen und noch leistungsfähigeren Blicken in die Tiefen des Universums fundamentale Fragen über die Entstehung des Universums und geheimnisvolle Welten in anderen Planetensystemen zu beantworten.


Das auf dem Mount Graham im Südosten von Arizona erbaute LBT kostet 120 Millionen Dollar und ist das Erste einer neuen Generation von außergewöhnlich großen optischen Teleskopen. Es überschreitet bisherige Grenzen in der Astronomie wie auch in der Technologie, denn es verwendet zwei massive Einzelspiegel mit jeweils 8,4 Metern Durchmesser, die nebeneinander auf einer gemeinsamen Montierung installiert sind. Damit erreicht das LBT das Lichtsammlungsvermögen eines Teleskops mit einem 11,8 Meter-Spiegel. Die beiden Spiegel sind Dank ihrer Honigwabenstruktur viel leichter als konventionelle Reflektoren und arbeiten nun parallel wie ein klassisches Teleskop mit einem einzigen großen Spiegel. In der letzten Ausbaustufe wird das LBT durch die interferometrische Überlagerung der Strahlengänge der beiden Einzelspiegel die Auflösung eines 22,8-Meter-Teleskops erreichen. Damit ist das LBT nun das größte Einzelteleskop der Welt.

"Dass wir nach den vielen Jahren des Baus nun ein voll funktionsfähiges binokulares Teleskop zur Verfügung haben ist ein Grund zum Feiern nicht nur hier am LBT sondern auch für die gesamte astronomische Gemeinschaft. Das Teleskop wird Bilder liefern, wie man sie noch nie zuvor gesehen hat. Die Leistungsfähigkeit des Teleskops ist eine Klasse für sich. Wir haben nun die Möglichkeit in die Geschichte des Universums zu schauen und den ersten Sternen und Galaxien bei ihrer Geburt zuzusehen", sagt Peter A. Strittmatter, Präsident der LBT Corporation.

Allein das einzigartige Gebäude für das 600 Tonnen schwere LBT ist bereits ein architektonisches und technologisches Wunder. Sein Bau begann 1996. Die Teleskopstruktur wurde in Italien gebaut, während bei der Universität von Arizona die beiden Hauptspiegel gegossen und poliert wurden. Das Teleskop wurde 2002 zum Mount Graham transportiert, der erste Spiegel erreichte den Berg im Jahr 2003 und wurde im Laufe des Jahres 2004 montiert und justiert, 2005 folgte dann der zweite Spiegel. Erstes Licht mit dem ersten der beiden Hauptspiegel erfolgte im Oktober 2005. Dabei wurde die aus 36 Megapixeln bestehende Panorama-CCD-Kamera eingesetzt, die von einem Team unter der Leitung des Observatoriums Rom gebaut worden war. Die Lieferung der zweiten Panorama-CCD-Kamera im November 2007 erlaubte erstmals den Einsatz des zweiten Hauptspiegels und den Abschluss der technischen Arbeiten für das "Erste Licht" im binokularen Betrieb.

"Bemerkenswert ist der Umfang der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. Am Anfang war das LBT nur eine Idee. Nun ist es, dank der internationalen Kooperation von mehr als 15 Institutionen, das fortschrittlichste Teleskop der Welt. Die Fertigstellung dieses einzigartigen Instruments zeigt, was möglich ist, wenn Menschen zusammenkommen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten", sagt John P. Schaefer, Vorsitzender des Direktorengremiums der LBT Corporation und Mitglied des Direktorengremiums der Research Corporation.

Und Hans-Walter Rix, Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, und Mitglied des LBT-Boards ergänzt. "Nach dieser großen Anstrengung durch alle beteiligten Partner bedeutet das >Erste Binokulare Licht< die eigentliche Geburt des LBT. Es ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur vollen Leistungsfähigkeit des Teleskops, weil alle momentan im Bau oder in der Testphase befindlichen Instrumente ihre herausragende Leistungsfähigkeit im binokularen Betrieb zeigen werden."

Die "First-Light"-Bilder im binokularen Betrieb liefern einen ersten kleinen Eindruck vom großen Leistungspotenzial des LBT. Sie zeigen drei Falschfarbenaufnahmen der Spiralgalaxie NGC 2770 in 102 Millionen Lichtjahren Entfernung von unserem eigenen Milchstraßensystem. Das ferne Sternsystem besteht aus einer flachen Scheibe aus Sternen und leuchtendem Gas, die leicht zu unserer Sichtlinie geneigt ist. Im ersten Bild sind ultraviolettes und grünes Licht kombiniert. Dies betont die mehr klumpigen Regionen von neu entstandenen heißen Sternen in den Spiralarmen. Im zweiten Bild sind zwei tiefe Aufnahmen im roten Spektralbereich kombiniert, welche die eher gleichmäßige Verteilung der älteren und kühleren Sterne zeigt. Im dritten Bild sind schließlich alle Einzelaufnahmen zusammengefasst, um alle Strukturen der Galaxie zu zeigen.

Sowohl die Kameras als auch die damit gewonnenen Aufnahmen entstanden unter der Verantwortung von Emanuele Giallongo und seinem Team der Large Binocular Camera am Astrophysikalischen Observatorium Rom.

Das LBT ist ein Gemeinschaftsprojekt vieler verschiedener wissenschaftlicher und astronomischer Institutionen in den USA, Italien, und der Bundesrepublik Deutschland. Neben finanziellen Beiträgen gewährleisten auch die besonderen Fachkenntnisse der Partner, dass das LBT das fortschrittlichste Teleskop der Welt sein wird. Zu den Partnern gehören folgende Institutionen (mit Beispielen ihrer Beiträge zum LBT):


Die LBT Beteiligungsgesellschaft (LBTB) aus Deutschland mit 25 Prozent Anteil am gesamten Projekt:

Die LBTB ist ein Konsortium von fünf Instituten aus Deutschland unter Koordination des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg. Mitglieder sind neben dem MPIA die Max-Planck-Institute für Extraterrestrische Physik in Garching (MPE) und für Radioastronomie in Bonn (MPIfR), sowie das Astrophysikalische Institut Potsdam (AIP) und die Landessternwarte Heidelberg (LSW) als Teil des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg.

Die LBTB entwickelt die Instrumente LUCIFER1 und LUCIFER2 für Direktbilder und Spektroskopie im Nah-Infrarot. Beide Instrumente sollen vor allem unter Einsatz der Adaptiven Optik (AO) des LBT ihre Stärke ausspielen. Mit Hilfe solcher adaptiven Optikelemente wird die theoretisch mögliche Auflösung der Einzelspiegel des Teleskops erreicht, weil damit die durch Luftturbulenzen verursachte Unschärfe der Bilder erdgebundener Teleskope bei laufender Beobachtung herauskorrigiert werden kann.

Zusammen mit dem INAF (s.u.) entwickelt die LBTB auch das LINC-NIRVANA-Instrument. Dieses erlaubt die interferometrische Überlagerung der Bilder der Einzelspiegel und vereinigt diese in einer Weise, dass im nah-infraoten Spektralbereich die Auflösung eines 22,8-m-Teleskops erreicht wird. Damit wird die Auflösung des LBT diejenige des HUBBLE-Weltraumteleskops um einen Faktor 10 übertreffen.

Das PEPSI-Instrument ist hingegen ein hochauflösender Echelle-Spektropgraph, der den Astronomen z.B. erlaubt, die Struktur und Dynamik von Magnetfeldern sonnenähnlicher Sterne zu verstehen. PEPSI wird am AIP gebaut, welches auch vier sog. AGW-Einheiten liefert. Diese dienen zur Akquisition und Nachführung des Teleskops, sowie zur Wellenfrontanalyse, die man für die o.g. adaptive Optik benötigt.

Darüber hinaus hat die LBTB Beiträge zu zahlreichen anderen Aspekten des Teleskops geliefert, z. B. zu den Spiegeln und zur Software.


University of Arizona (Anteil 25 Prozent)

Die innovativen Teleskopspiegel des LBT wurden am Steward Observatory Mirror Laboratory der Universität gegossen und poliert. Das Mirror Lab ist ein Pionier in Sachen Entwicklung großer und leichter Spiegel; seine Beiträge sind von großer Bedeutung für die optischen Großteleskope der neuen Generation. Die beiden LBT-Spiegel wurden mit einer Genauigkeit von 30 Nanometern poliert - 3000 mal feiner als der Durchmesser eines Haares. Am Steward Observatory und am NASA Jet Propulsion Laboratory wird auch das LBT-Interferometer für Beobachtungen im Infraroten gebaut. Unter der Leitung der Universität von Arizona entstand auch das einzigartige Gebäude für das LBT.


Instituto Nazionale di Astrofisica (INAF) (Anteil 25 Prozent)

Das INAF vereinigt alle italienischen Observatorien und astronomischen Forschungsinstitute. Die italienischen Partner sind verantwortlich für das detaillierte Design und die Herstellung der Montierungselemente des Teleskops inklusive der beiden Spiegelzellen. Deren Fertigung erfolgte in den renommierten Stahlwerken Ansaldo Camozzi in Mailand. Per Schiff wurde die zerlegte Teleskopmontierung dann 2002 in die USA und schließlich auf dem Landweg auf den Mount Graham transportiert. Die italienischen Partner spielten (zusammen mit Arizona) auch eine Schlüsselrolle in der Herstellung des einzigartigen adaptiven Sekundärspiegelsystems. Auch die als erste Instrumente eingesetzten Large Binocular Cameras stammen im Wesentlichen aus Italien.


The Ohio State University (OSU) (Anteil 12,5 Prozent)

OSU war für die Entwicklung und Verfeinerung der Technik zuständig, um die Hauptspiegel mit einer sehr dünnen reflektierenden Schicht aus Aluminium zu versehen. Die neue Technik erlaubt die (immer wieder notwendige) Aluminisierung der Spiegel an Ort und Stelle, ohne dass ein Ausbau aus dem Teleskop erforderlich ist. OSU zeichnet auch verantwortlich für das Design und die Entwicklung des Multi-Objekt-Doppelspektrographen MODS zur Beobachtung im Optischen und Infraroten bei geringer und mittlerer Auflösung. Auch Direktbilder sind möglich. Der Bau der beiden Instrumente wird unterstützt durch den Verwaltungsrat der Universität, die nationale Wissenschaftsförderung, und die Universität von Arizona.


Research Corporation (Anteil 12,5 Prozent)

Die Research Corporation ist seit 1992 am Projekt beteiligt. Ihre finanzielle Unterstützung war insbesondere in kritischen Entwicklungsphasen des Projekts hilfreich. Darüber hinaus ermöglichte die Research Corporation die Beteiligung der Ohio State University, der University of Notre Dame, der University of Minnesota und der University of Virginia.

Gegründet wurde die Research Corporation im Jahr 1912 mit dem Ziel, den wissenschaftlichen Fortschritt in den USA zu fördern. Die nicht-kommerzielle Organisation konzentrierte sich auf die Unterstützung im Bereich Astronomie, Chemie und Physik und spielte in verschiedenen astronomischen Projekten eine Schlüsselrolle.


Verweise auf weitere Informationen und Bildmaterial siehe:
http://www.mpia.de/Public/menu_q2.php?Aktuelles/PR/2008/PR080306/PR_080306_de.html


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 8. März 2008
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2008