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INSTRUMENTE/389: Erstes Licht für die NGTS-Anlage - Neue Teleskope zur Jagd nach Exoplaneten (idw)


Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO Science Outreach Network - 14.01.2015

Erstes Licht für die NGTS-Anlage - Neue Teleskope zur Jagd nach Exoplaneten auf dem Paranal



Pressemitteilung der Europäischen Südsternwarte (Garching) - Die Teleskope des Next-Generation Transit Survey am Paranal-Observatorium der ESO im Norden Chiles haben ihr erstes Licht gesehen. Im Rahmen dieses Projektes wird nach Exoplanetentransits gesucht - also Planeten, die von der Erde aus gesehen direkt vor ihrem Mutterstern vorbeilaufen und dabei einen kleinen Teil des Sternlichts abschatten. Dieser Effekt lässt sich mit empfindlichen Kameras messen. Die Teleskope des NGTS sollen insbesondere Planeten von der Größe Neptuns oder kleiner entdecken. Von deutscher Seite ist das Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an diesem Projekt beteiligt.

Foto: © ESO/G. Lambert

Die Teleskope des Next-Generation Transit Survey am Paranal-Observatorium der ESO
Foto: © ESO/G. Lambert

Der Next-Generation Transit Survey (NGTS) ist ein auf großflächige Beobachtungen angelegtes System, das aus zwölf Einzelteleskopen besteht, von denen jedes einen Durchmesser von 20 Zentimetern hat [1]. Diese neue Anlage wurde von einem Konsortium britischer, schweizer und deutscher Einrichtungen errichtet und befindet sich in unmittelbarer Nähe des Paranal-Observatoriums der ESO im Norden Chiles. Daher kann sie sowohl von den hervorragenden Beobachungsbedingungen vor Ort als auch von technischer Unterstützung seitens der vorhandenen Einrichtungen profitieren.

"Wir waren auf der Suche nach einem Standort mit vielen klaren Nächten und trockender Luft bei guter Durchsicht, damit unsere Messungen so möglichst oft besonders präzise werden - der Paranal war dabei mit großem Abstand unsere erste Wahl", kommentiert Don Pollacco von der britischen University of Warwick, einer der Leiter des NGTS-Projekts, die Standortwahl.

NGTS ist so konzipiert, dass es vollkommen automatisiert kontinuierlich auf der Suche nach Exoplanetentransits die Helligkeit von mehreren 100.000 vergleichsweise hellen Sternen am Südhimmel vermessen wird. Dabei soll eine relative Genauigkeit von einem Tausendstel erreicht werden, was mit bodengebundenen Instrumenten für großflächige Himmelsdurchmusterungen bisher nie gelungen ist [2].

Die Realisierung einer so hohen Präzision bei Helligkeitsmessungen über ein großes Gesichtsfeld hinweg ist technisch sehr anspruchsvoll. Die für NGTS notwendigen Schlüsseltechnologien konnten allerdings bereits mit einem kleineren Prototypen demonstriert werden, der 2009 und 2010 auf La Palma (Kanarische Inseln) in Betrieb war. NGTS baut außerdem auf dem Erfolg des SuperWASP-Experiments auf, das bis heute führend beim Nachweis von großen Gasplaneten ist.

Die mit NGTS entdeckten Planeten werden mit größeren Teleskopen näher untersucht werden, darunter auch das Very Large Telescope der ESO. Ein wichtiges Ziel des Projektes ist es, kleine Planeten zu finden, die einen so großen Helligkeitsunterschied verursachen, dass es möglich wird, die Planetenmasse genau zu bestimmen. Daraus wiederum ergibt sich die Dichte des Planeten und somit Hinweise auf seine Zusammensetzung. Bei solchen Planeten wäre es dann zum Teil auch möglich, ihre Atmosphären näher zu untersuchen, denn während der Planet vor seinem Mutterstern vorbeiläuft, durchleuchtet das Sternlicht quasi die Atmosphäre am Rand der Planetenscheibe, die dann ihrerseits winzige, aber nachweisbare Spuren im Sternlicht hinterlässt. Bislang sind nur sehr wenige Planeten bekannt, die solche Messungen erlauben. NGTS sollte viele zusätzliche Kandidaten finden.

NGTS ist das erste Teleskopprojekt überhaupt, das am Paranal-Observatorium angesiedelt ist, aber nicht von der ESO betrieben wird, während viele ähnlich gelagerte Projekte am älteren La Silla-Observatorium laufen. Die NGTS-Daten werden im ESO-Archiv gespeichert und von dort für Astronomen auf der ganzen Welt zugänglich sein.

Peter Wheatley, ein weiterer NGTS-Projekteiter von der University of Warwick, erläuutert abschließend: "Wir freuen uns sehr, dass wir nun mit unserer Suche nach kleinen Planeten um sonnennahe Sterne beginnen können. Die NGTS-Entdeckungen und Nachfolgebeobachtungen mit bodengebundenen und weltraumbasierten Teleskopen werden wichtige Schritte auf dem Weg zur Untersuchung der Atmosphären und der Zusammensetzung extrasolarer Planeten von der Größe der Erde sein."

Das NGTS-Konsortium besteht aus der University of Warwick, der Queen's University of Belfast, der University of Leicester, der University of Cambridge (alle Großbritannien), der Universität Genf (Schweiz) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin.


Endnoten

[1] Die NGTS-Teleskope sind modifizierte Versionen kleinerer, hochqualitativer kommerzieller Teleskope von Astro Systeme Austria (ASA):
http://www.astrosysteme.at/eng/hot.html
Die NGTS-Kameras sind speziell angepasste ikon-L-Kameras von Andor Technology Ltd.
http://www.andor.com
mit rotempfindlichen CCDs mit Deep Depletion-Technologie von e2v
http://www.e2v.com

[2] Der Kepler-Satellit der NASA kann die Variationen der Sternhelligkeit zwar präziser messen, beobachtet allerdings im Vergleich zu NGTS einen deutlich kleineren Ausschnitt des Himmels. Die großflächig angelegte Suche mit NGTS wird daher in erster Linie Beispiele für kleine Exoplaneten zu Tage bringen, die aber dennoch einen vergleichsweise großen Helligkeitsunterschied verursachen und sich daher besonders für detailliertere Untersuchungen eignen.


Zusatzinformationen

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 15 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner bei den neuartigen Teleskopverbund ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop mit 39 Metern Durchmesser für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird: das European Extremely Large Telescope (E-ELT).

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.


Weitere Informationen unter:
http://www.eso.org/public/germany/news/eso1502/?nolang
- Webversion der Pressemitteilung mit weiteren Bildern
http://www.ngtransits.org/
- Weitere Informationen zu NGTS

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1413

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO Science Outreach Network
(Dr. Carolin Liefke), 14.01.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2015


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