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PLANET/430: Marsvulkane - Giganten des Sonnensystems (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 5/11 - Mai 2011
Zeitschrift für Astronomie

Marsvulkane - Giganten des Sonnensystems

Von Thomas Platz


Der rote Planet Mars ist der erdähnlichste unter den Begleitern der Sonne. Ein Aspekt ist der weit verbreitete Vulkanismus auf seiner Oberfläche, der aber auch einen eigenen Charakter gegenüber der Erde aufweist.


In Kürze
Der Mars weist eine Vielzahl an Vulkanen auf, von denen einige ihren irdischen Gegenstücken ähneln, andere dagegen einen eigenen Charakter haben.
Manche Regionen auf dem Mars waren über mehrere Milliarden Jahre hinweg vulkanisch aktiv. So entstanden Schildvulkane, die wesentlich größer sind als alle vergleichbaren irdischen Strukturen.
Die letzten Vulkanausbrüche auf dem Mars ereigneten sich vor wenigen Millionen Jahren. Unklar ist, ob der Rote Planet auch heute noch vulkanisch aktiv ist.

Der Rote Planet fasziniert die Menschen schon seit Jahrhunderten, und er ist heute das bevorzugte Ziel für Planetensonden. Bereits im Jahre 1610 beobachtete der italienische Astronom Galileo Galilei (1564-1642) den Mars, kurz nach der Erfindung des Teleskops. Über die folgenden drei Jahrhunderte zeigten die teleskopischen Beobachtungen, dass unser äußerer Nachbarplanet große Ähnlichkeiten mit der Erde aufweist. So ist sein Tag nur etwa 40 Minuten länger als der irdische, die Neigung seiner Rotationsachse fast gleich, und an den Polen zeigen sich weiße Eiskappen. Die rötliche bis ockerfarbene Oberfläche wurde schon früh mit irdischen Wüsten verglichen.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert kam es sogar zu einer Art Marshysterie, als Beobachter ein feines Liniennetz auf dem Planeten zu sichten glaubten. Die Vorstellung einer belebten Welt mit Zivilisation fand weite Verbreitung. Allerdings zeigte sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass die Linien auf dem Mars in Wahrheit optische Täuschungen waren, die mit der Physiologie des menschlichen Sehens zusammenhingen. Dennoch blieb das Interesse am Mars ungebrochen, aber erst mit den Ergebnissen der ersten unbemannten Raumsonden in den frühen 1970er Jahren wurde schließlich die wahre Gestalt des Mars enthüllt.

Eine der faszinierendsten Entdeckungen waren gigantische Vulkane auf dem Mars, die auf eine aktive geologische Vergangenheit des Roten Planeten hinwiesen. Nach wie vor sind im Hinblick auf die vulkanische Aktivität auf dem Mars viele Fragen offen. Dazu gehören unter anderem: Wie sind die Vulkane auf dem Mars verteilt? Ähnelt der Marsvulkanismus demjenigen der Erde? Wie groß ist das globale Volumen des vulkanischen Materials auf der Marsoberfläche? Wann waren die Hauptphasen vulkanischer Aktivitäten? Ist Vulkanismus gegenwärtig auf dem Mars noch möglich? Dies sind die zentralen Fragen meiner Forschung an der Freien Universität Berlin.


Vulkane auf Erde und Mars

Vulkane sind spannende, schöne, kraftvolle, aber zugleich auch gefährliche Berge, die nicht zufällig über unsere Erde verbreitet sind. Die Geheimnisse ihres Ursprungs, ihrer Zusammensetzung und Explosivität zu enthüllen, beschäftigt die Forscher schon seit mehreren Jahrhunderten. Lange Zeit war jedoch unbekannt, ob es auch auf den anderen Welten des Sonnensystems Vulkane gibt. Erst mit dem Beginn der Raumfahrt vor rund einem halben Jahrhundert zeigte sich, dass Vulkanismus auch auf den anderen terrestrischen Planeten und dem Erdmond ein weit verbreiteter, aktiver geologischer Prozess ist. Zudem wurde vulkanische Aktivität auch auf den Monden der Gasriesen im äußeren Sonnensystem entdeckt.

Die US-Raumsonde Mariner 9 war 1971 der erste Satellit in einer Marsumlaufbahn und fotografierte etwa 80 Prozent der Oberfläche. Die beobachtete Vielfalt an Oberflächenstrukturen und -morphologien war überwältigend und übertraf jegliche Erwartungen. Die ersten Marssonden hatten in den 1960er Jahren bei ihren kurzen Vorbeiflügen nur Bilder sehr alter, kraterübersäter Landschaften geliefert. So ergab sich zunächst der Eindruck, der Mars sei eine ebenso tote Welt wie der Erdmond. Seit den Aufnahmen von Mariner 9 und später von Viking-Orbiter-1 und -2 wissen wir, dass es nicht nur flüssiges Wasser auf der Marsoberfläche gab, sondern auch riesige Vulkane existieren. Ihre Größe übertrifft diejenige der irdischen Vulkane bei Weitem. Seit dem Jahr 1996 erlebt die Marsforschung eine Renaissance durch eine Flotte von Raumsonden, die mit multispektralen Geräten aus der Umlaufbahn sowie direkt auf der Oberfläche die Geschichte des Roten Planeten enthüllen. Und nicht zuletzt dienen diese Erkundungen deru Suche nach Leben.


Vulkanlandschaften der Superlative

Der Vulkanismus auf dem Mars konzentriert sich auf vier größere Regionen (siehe Karte auf der folgenden Seite). Die größte und topografisch dominanteste Vulkanlandschaft des Mars ist die Region Tharsis. Sie erstreckt sich über mehr als 3500 Kilometer in Nord-Süd- und 4000 Kilometer in Ost-West-Richtung (siehe Bild S. 26 unten). Ihr Erscheiningsbild wird durch zwölf größere Vulkangebäude geprägt, die entsprechend ihres Reliefs und ihrer Höhe in Mons (lateinisch für Berg), Tholus (Kuppel) und Patera (Schale) unterschieden werden (siehe Glossar). Zudem sind ausgedehnte und bis zu mehrere Kilometer mächtige Lavaebenen sowie mehr als 100 kleine Schildvulkane charakteristisch für diese Region.

Im zentralen Bereich der Tharsis-Region erheben sich die drei Tharsis Montes: Arsia, Pavonis und Ascraeus Mons. Sie sind bis zu 18 Kilometer hoch und liegen in einer Reihe. In deren Verlängerung nach Nordosten befinden sich drei kleinere Vulkane: Ceraunius Tholus, Uranius Tholus und Uranius Patera. Der höchste Tharsis-Vulkan ist der im Westen abseits gelegene Olympus Mons (siehe Bild rechts). Mit einer Höhe von etwa 24 Kilometern gegenüber seiner Umgebung ist er mehr als zweimal so hoch wie der größte irdische Vulkan Mauna Kea auf Hawaii, der sich rund 10.000 Meter über den Meeresgrund erhebt. Er trägt somit zu Recht den Titel »Höchster Vulkan des Sonnensystems«. Alba Patera im Norden der Tharsis-Region kann zwar mit nur drei Kilometer Höhe nicht mit den anderen Vulkanen konkurrieren, ist aber mit einem Durchmesser von mehr als 1000 Kilometern ebenfalls ein Schwergewicht unter ihnen.

Eine weitere Vulkanprovinz befindet sich im Westen des Planeten und besteht aus drei großen Vulkanen: Elysium Mons, Hecates und Albor Tholus (siehe Bild auf S. 25). Obgleich Elysium deutlich kleiner als die Tharsis-Region ist, erstrecken sich ihre vulkanischen Ablagerungen dennoch über ein Areal von mehr als 37 Millionen Quadratkilometern. Elysium Mons erhebt sich rund 18 Kilometer über seine Umgebung, wobei seine Nachbarn Hecates und Albor Tholus »nur« etwa 8,5 beziehungsweise 4,5 Kilometer hoch sind.

Apollinaris Patera ist ein isoliert stehender Vulkan auf der Südhalbkugel des Mars, er befindet sich rund 2500 Kilometer südöstlich von Elysium Mons. Mit einer Höhe von knapp sechs Kilometern überragt er seine Umgebung. Zwei ältere Vulkanprovinzen mit insgesamt acht Vulkanen befinden sich im kraterreichen Hochland des Mars, am südwestlichen Rand des Impaktbeckens Isidis sowie auf der südlichen Hemisphäre entlang des Impaktbeckens Hellas. Alle hier vorkommenden Vulkane weisen ein relativ geringes Relief von weniger als zwei Kilometer Höhe auf; sie werden auch als Hochlandvulkane bezeichnet.


Die Vielfalt der Marsvulkane

Die Hauptart des Vulkanismus auf dem Mars lässt sich bereits anhand der Form der Vulkangebäude sowie der Morphologien der Lavaströme erkennen: Da ihre Profile an einen liegenden Kampfschild erinnern, werden sie als Schildvulkane bezeichnet. Ihre Flanken weisen geringe Hangneigungen auf, so dass sich ein kleines Verhältnis von Höhe zu Durchmesser ergibt. Auf der Erde werden diese Vulkane im Wesentlichen von basaltischen Lavaströmen aufgebaut. Sie sind sehr dünnflüssig, besitzen also geringe Viskositäten und können je nach Temperatur so schnell wie Rohöl fließen. Die Lavaströme treten mit Eruptionstemperaturen von rund 1200 Grad Celsius an der Oberfläche aus und enthalten relativ geringe Gehalte an Silikat (SiO2). Die Laven können mehrere 100 Kilometer weit in Form eines Stroms hangabwärts fließen.

Basaltischer Vulkanismus ist auf der Erde weit verbreitet und lässt sich beispielsweise auf den Inseln von Hawaii, Galapagos und Island sowie auf dem Meeresboden beobachten. Abgesehen von den Dimensionen ähneln sich die Vulkane auf dem Mars und der Erde hinsichtlich ihrer Form und ihrer chemischen Zusammensetzung. Dies ließ sich auf der Erde anhand von Marsmeteoriten feststellen beziehungsweise direkt vor Ort auf der Marsoberfläche mit Hilfe von Rovern messen.

Die großen Vulkangebäude auf dem Mars belegen, dass hier Magma über längere Zeiträume hinweg aus der Tiefe als Lava an die Oberfläche gefördert wurde. Innerhalb des Vulkans und/oder der oberen Kruste nähert sich das Magma in einem zentralen, meist senkrechten Aufstiegskanal der Oberfläche. Die Lava tritt dann im Gipfelbereich oder an den Flanken des Vulkans aus. Die lang anhaltende vulkanische Aktivität begünstigt aber auch die Bildung von großen Magmakammern. Sie entstehen entweder innerhalb des Vulkans oder in wenigen Kilometern Tiefe in der Kruste unterhalb des Vulkangebäudes.

Magma kann jedoch auch aus großer Tiefe in Gängen direkt zur Oberfläche gelangen. Ein solcher Gang bildet an der Oberfläche eine Spalte, aus der schließlich die Lava austritt. Häufig schießt die Lava in spektakulären »Feuerfontänen« aus diesen Spalten, die bis zu mehrere hundert Meter hoch sein können. Diese spezielle Eruptionsart wird als Spaltenvulkanismus bezeichnet. Sie zeigt sich auch an Schildvulkanen, kann aber durchaus isoliert und kurzfristig auftreten. Solche vulkanisch gebildeten Orte lassen sich schwer identifizieren, sind aber dennoch wichtig, um die gesamte geologische Entwicklungsgeschichte einer Region zu verstehen.

Die Vulkane auf dem Mars kann man je nach Gesichtspunkt unterschiedlich klassifizieren. Betrachtet man allein ihre Ausmaße und Morphologien, so ergeben sich vereinfacht zwei Kategorien: große Schildvulkane und flache beziehungsweise kleine Schildvulkane. Genauer betrachtet liegt ihr wesentlicher Unterschied nicht allein in ihrer Größe, sondern vielmehr in ihrer aktiven Lebensdauer und der Ausbildung eines oder mehrerer Einsturzkrater im Gipfelbereich, der so genannten Calderen (siehe unten). Je öfter Eruptionen an einem Ort auftreten und je öfter Lava gefördert wird, umso stärker wachsen die Vulkane und desto eher kann sich auch eine große Magmakammer in geringer Tiefe ausbilden. Die auf der Karte auf S. 26 gezeigten Vulkangebäude zählen zu den großen Schildvulkanen, obgleich ihre Dimensionen stark variieren. Alle besitzen mindestens eine Caldera.

Die Schildform lässt sich besonders gut an den beiden Vulkanen Ceraunius und Uranius Tholus erkennen (siehe Bild oben links). Beide Vulkane erlitten jedoch im Lauf der Zeit ein schweres Bombardement aus dem Weltall, was sich an den zahlreichen großen Impaktkratern auf ihren Oberflächen erkennen lässt. Ein Beispiel eines namenlosen flachen Schildvulkans ist im Bild rechts oben gezeigt. Der Vulkan besitzt nur einen Durchmesser von ungefähr 17 Kilometern, ist wenige 100 Meter hoch und weist einen rund 700 x 1300 Meter großen Krater auf dem Gipfel auf (siehe Pfeil).

Bei diesem Beispiel handelt es sich um einen vergleichsweise jungen Vulkanschild, dessen Oberfläche 80 Millionen Jahre alt ist. Die flachen Schildvulkane sind in der Region Tharsis weit verbreitet und treten häufig in Gruppen auf. Bisher ließ sich jedoch kein Zusammenhang zwischen geografischer Lage und Alter nachweisen. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung deutet das darauf hin, dass Eruptionen in dieser Vulkanregion vermutlich zufällig auftreten und somit nicht an Schwächezonen innerhalb der Kruste gebunden sein müssen, die den Aufstieg von Magma erleichtern würden. Eine viel drastischere Schlussfolgerung ist jedoch, dass vielleicht auch heute noch kleinere Magmamengen bis nahe zur Oberfläche aufsteigen oder gar eruptieren könnten.


Krater und Calderen

Betrachtet man die Marsvulkane genauer, so fällt auf, dass die großen Schildvulkane im Gipfelbereich keinen Krater, sondern eine Caldera besitzen. Caldera (spanisch: Kessel) ist ein Fachbegriff für eine vulkanisch entstandene kesselförmige Struktur und wurde 1815 von dem deutschen Geologen Leopold von Buch (1774-1853) eingeführt. Sie ist eine kreisförmige bis elliptische Einsturzstruktur, die von steilen Wänden und einem meist flachen bis leicht geneigten Boden begrenzt ist. Die irdischen Calderen werden in fünf Typen untergliedert; für uns reicht es jedoch aus, wenn wir zwischen einfachen und komplexen Calderen unterscheiden. Beispiele für einfache Calderen zeigen die Vulkane Arsia Mons, Apollinaris Patera und Tharsis Tholus (siehe Bilder unten). Komplexe, ineinander übergreifende Calderen besitzen die Vulkane Pavonis und Olympus Mons (siehe Bild auf S. 27).

Calderen bilden sich häufig im Zusammenhang mit großen, in geringer Tiefe im Vulkan befindlichen Magmakammern. Entleeren sich diese bei Eruptionen, entweder explosiv oder effusiv durch den Austritt von Lavaströmen, so kann das darüberliegende Dachgestein nachgeben und letztlich einstürzen. Der Durchmesser der Caldera entspricht dabei annähernd demjenigen der darunterliegenden Magmakammer.

Ein anderer Mechanismus zur Entstehung von Calderen hängt mit dem Aufblähen (Inflation) und Schrumpfen (Deflation) eines Vulkangebäudes zusammen. Dringt Magma in ein flach lagerndes, im Vulkaninneren liegendes Reservoir ein, so bläht sich der Vulkan an der Oberfläche um einige Zentimeter bis mehrere zehn Meter auf. Schrumpft anschließend das Vulkangebäude durch die Rückführung von Magma in die Tiefe - es findet also keine Eruption statt -, kommt es an der Oberfläche zu Absenkungen. Wiederholen sich solche Zyklen, so wird das gesamte Vulkangebäude, insbesondere der Gipfelbereich, strukturell geschwächt. Auf diese Weise kann selbst die Entleerung von kleinen Magmakammern zum Einsturz des zentralen Bereichs des Vulkans und zur unmittelbaren Bildung einer Caldera führen.

Ein weiterer, häufig an irdischen Vulkanen beobachteter Prozess ist die Flankendeformation. Hierbei kollabiert ein Sektor der Vulkanflanke und fließt hangabwärts. Dieser Vorgang kann langsam kriechend sein, so wie es sich auf vulkanischen Ozeaninseln beobachten lässt, oder aber extrem schnell, wobei ein Teil des Vulkans schlagartig zusammenbricht und kilometerweit abrutscht. Dieser Flankenkollaps kann durch vulkanische Aktivität ausgelöst werden, zum Beispiel wenn sich der Vulkan aufbläht, die Flanke dadurch zu steil wird und schließlich abrutscht. Aber auch externe Faktoren wie zum Beispiel heftige Regenfälle oder Erdbeben können auf der Erde einen Flankenkollaps auslösen.

Auf dem Mars zeigen sich solche Flankendeformationen deutlich an Olympus Mons und Tharsis Tholus (siehe Bild). Olympus Mons weist an seiner Basis einen bis zu sieben Kilometer hohen Steilhang auf (siehe Bild auf S. 27). Ursprünglich bildete der Vulkan einen natürlichen Schild mit flachen Rändern. Mit zunehmender Höhe und dem damit verbundenen steigenden Gewicht verformte sich der Vulkan, so dass seine äußeren Flankenbereiche instabil wurden und in mehreren Schritten kollabierten. Das Material der zerrütteten Flanken, das bis zu mehrere 100 Kilometer weit transportiert wurde, lagerte sich dabei in Lappen oder Loben um den Vulkan ab. Reste dieser Ablagerungen finden sich noch im Westen bis Norden von Olympus Mons (siehe Bild auf S. 26).

Der Vulkan Tharsis Tholus hingegen weist Spuren weitaus gravierenderer Flankendeformationen auf (siehe Bild). Große Teile seines Schildes sind nach Westen und Osten abgeglitten. Die markanten, teilweise geschwungenen Steilkanten umgrenzen klar den Bereich der Flanke, der auseinanderbrach und nach außen hangabwärts rutschte. Nachfolgende Eruptionen füllten die klaffende Lücke im Schild mit Lava auf. Teilweise wuchs der Schild in diesen Bereichen höher, als er vor dem Kollaps war.


Was fördern die Marsvulkane?

Während vulkanischer Eruptionen wird Magma an die Oberfläche gefördert. Dies erfolgt jedoch auf unterschiedliche Weise und hängt von den vorherrschenden Bedingungen ab. Verschiedene Eruptionsstile zeichnen sich durch unterschiedliche Transport- und Ablagerungsmechanismen aus.

Bei gasreichen, explosiven Ausbrüchen wird primär Asche produziert, das heißt, das Magma fragmentiert in kleine Bruchstücke, die in einer Aschen- oder Eruptionssäule in die Atmosphäre aufsteigen. Aus dieser fallen die Aschepartikel fraktioniert aus. Große und schwere Partikel stürzen in der Nähe des Schlotes herunter, kleinere rieseln weiter entfernt zu Boden. Kleinstpartikel können für längere Zeit in der Atmosphäre schweben und mitunter den Planeten mehrfach umrunden. Beweise für solche explosiven Ausbrüche fanden Forscher im Krater Gusev südlich des Vulkans Apollinaris Patera. Der seit mehr als sechs Jahren auf dem Mars aktive Rover Spirit spürte in einem Aufschluss mehrere unterschiedliche Aschenlagen auf und fotografierte sie (siehe Bild). Sehr schön zeigt sich hier eine Wechsellagerung aus feinen und groben Aschenlagen. Hier schlug ein aus einem Vulkan herausgeschleuderter Gesteinsbrocken aus mehreren Kilometern Höhe ein und bildete dabei einen kleinen Krater in einer Aschelage. Solche Gesteinsbrocken werden »vulkanische Bomben« genannt. Findet man mehrere solcher Einschlagstrukturen, so lässt sich die Richtung des Vulkankraters eindeutig bestimmen, aus dem die Bomben herausgeschleudert wurden.

Der Großteil des aus der Tiefe aufsteigenden Magmas tritt jedoch ohne große Eruptionswolken effusiv als Lava aus. Diese bildet Ströme, deren Richtung und Fließgeschwindigkeit primär von der Topografie abhängen. Ausgedehnte Lavaebenen bestehen aus vielen einzelnen Lavaströmen und entstanden über längere Zeit hinweg. Großflächige Lavaebenen finden sich beispielsweise um die drei Tharsis Montes und um den nordwestlich des Hellas-Beckens gelegenen Hochlandvulkan Tyrrhena Patera (siehe Karte auf S.26).

Lavaströme fließen hauptsächlich in selbstgeschaffenen Kanälen, die von Wällen oder Levées begrenzt sind. An den Rändern des Stroms fließt die Lava langsamer und erkaltet schließlich, so dass sich die Wälle bilden, in denen der innere Bereich des Lavaflusses weiterströmt. Im Bild links unten ist eine ausgedehnte Lavaebene Lavastrom in der Bildmitte sind deutlich der Fließkanal sowie die seitlichen Levées zu erkennen. Am Ende von Lavaströmen bilden sich oft ausgedehnte Loben oder Lappen aus.

Neben den primären vulkanischen Ablagerungen, wie Aschenlagen und Lavaströme, die direkt aus den Vulkanen hervorgehen, gibt es auch sekundäre Ablagerungen. Hierunter verstehen wir umgelagertes vulkanisches Material. Ein sehr gutes und zugleich ästhetisch reizvolles Beispiel sind Dünen aus vulkanischen Aschen. Das Bild rechts zeigt einen Ausschnitt der Caldera des Feuerbergs Nili Patera, eines Hochlandvulkans südwestlich vom Isidis-Becken. Das dunkle Aussehen der Dünen lässt auf eine basaltische Zusammensetzung schließen. Diese Interpretation ist insofern plausibel, da die Dünenregion von vulkanischen Gesteinen umgeben ist. Unklar ist jedoch, ob die Dünen aus umgelagerten Aschenlagen bestehen oder ob der Hauptanteil des feinen Materials der Dünen durch Winderosion von festen Lavagesteinen entstand.

Auf Lavafeldern, sowohl auf der Erde als auch auf dem Mars, lassen sich oft Kegelchen beobachten. Ursprünglich wurden sie als kleine Vulkane interpretiert. Später fand man jedoch heraus, dass sie entstehen, wenn Lava über einen wassergesättigten Boden fließt. Dann verdampft das Wasser und sammelt sich unter dem Lavastrom an. Ist der Druck zu groß, so sprengt der Wasserdampf die überlagernde Lava durch eine Explosion weg, und auf der Lavaoberfläche entstehen dann kleine Kegel oder Krater. Insbesondere in der Region Elysium und anderen marsianischen Vulkangebieten findet sich eine Vielzahl an solchen Kegeln (siehe Bild). Wahrscheinlich gingen sie alle aus dem Kontakt von heißer Lava mit Wassereis im Untergrund hervor, denn derartige Ansammlungen von Permafrost sind auf dem Mars weit verbreitet.


Wann waren die Feuerberge auf dem Mars aktiv?

Einigen zentralen Fragen - ab wann es auf dem Mars Vulkanismus gab, wie lang er dauerte und ob vulkanische Eruptionen heute noch auf dem Mars möglich sind - haben wir uns bisher noch nicht gewidmet. Um sie zu beantworten, müssen wir zunächst verstehen, wie wir das Alter planetarer Oberflächen überhaupt bestimmen können.

Vom Mars, der etwa 4,5 Milliarden Jahre alt ist, wissen wir, dass er eine lange und intensive vulkanische Geschichte durchlief. Insbesondere die Region Tharsis wies die höchste Aktivität auf. Hier befinden sich die größten Vulkane und die mächtigsten Lavaebenen. Kraterzählungen an alten, noch an der Oberfläche aufgeschlossenen vulkanischen Ablagerungen in dieser Region ergeben ein Alter von bis zu vier Milliarden Jahren.

Die darunterliegenden Ablagerungen müssen demnach viel älter sein. Ihr Volumen im Vergleich zu den an der Oberfläche aufgeschlossenen vulkanischen Einheiten ist erheblich größer. Daraus schließen wir, dass der Großteil des gesamten geförderten Magmas in einem relativ kurzen Zeitraum, der nur wenige 100 Millionen Jahre dauerte, vor vier Milliarden Jahren an die Oberfläche gelangte. Nach dieser Hauptphase klang der Vulkanismus zwar ab, vulkanische Eruptionen gab es aber dennoch bis »vor Kurzem«. Die jüngsten vulkanischen Aktivitäten in der Tharsis-Region finden sich vor allem an den flachen Schilden. Ihr Alter beträgt oft zwischen 50 und 100 Millionen Jahre, was auf der Erde dem Jungtertiär beziehungsweise der Kreidezeit entspricht. Einzelne Lavaströme am Olympus Mons weisen Alter von weniger als zwei Millionen Jahren auf. Gemessen an der Gesamtdauer des Vulkanismus von mehr als 4000 Millionen Jahren ist dies also nicht so lange her.

Die Hochlandvulkane rings um das Hellas-Becken waren hingegen wesentlich kürzer aktiv. Sie brachen vermutlich unmittelbar nach der Entstehung des etwa 2100 Kilometer großen Hellas-Beckens aus, das sich vor rund 3,9 Milliarden Jahren durch einen heftigen Asteroiden-Einschlag bildete. Die Aktivitätsphase der Vulkane beschränkt sich nur auf wenige 100 Millionen Jahre. Bisher sind keine vulkanischen Ablagerungen der Hochlandvulkane bekannt, die jünger als 3,2 Milliarden Jahre alt sind.

Die Elysium-Region durchlief offenbar eine sehr ähnliche Entwicklung wie Tharsis. Auch hier wurde der Hauptteil vulkanischen Materials vor vier Milliarden Jahren gefördert. Kontinuierliche, wenngleich kleinere Phasen von Eruptionen fanden bis vor etwa 2,5 Millionen Jahren statt.

Die Frage, ob der Mars noch immer vulkanisch aktiv ist, lässt sich noch nicht endgültig beantworten. Mit den ständig besser werdenden Bilddaten können wir immer mehr Details und immer jüngere Oberflächen erkennen. Der bisherige Kenntnisstand zeigt uns, dass der Mars über mehr als vier Milliarden Jahre hinweg vulkanisch aktiv war und der jüngste Ausbruch erst zwei Millionen Jahre zurückliegt. Ist es also wahrscheinlich, dass die Marsvulkane erst vor Kurzem erloschen sind? Oder befinden sie sich in einer Ruhephase? Vielleicht bedarf es aber nur des richtigen Zeitpunkts und einer Portion Glück, bis eine der Orbiterkameras eine Eruption auf dem Mars beobachtet ...


Thomas Platz ist Vulkanforscher und promovierte an der Massey University in Neuseeland. Seit zwei Jahren arbeitet er an der Freien Universität Berlin im Rahmen der Helmholtz-Forschungsallianz »Planetenentwicklung und Leben«.


GLOSSAR

Mons (Plural: Montes): Ein großer, isoliert stehender Berg. Auf dem Mars ist dieser meistens vulkanischen Ursprungs.

Tholus (Plural: Tholi): Ein isoliert stehender, domförmiger kleiner Berg, meistens durch vulkanische Aktivität entstanden.

Patera (Plural: Paterae): Ein komplexer oder unregelmäßig geformter Krater mit geringem topografischem Relief. Viele Paterae sind vulkanischen Ursprungs.


Literaturhinweise

Althaus, T.: Mars Express - Europa auf dem Weg zum Roten Planeten. In: Sterne und Weltraum 4/2003, S. 36-42

Althaus, T.: Rush-hour beim Roten Planeten - Mars Express nimmt seine Arbeit auf. In: Sterne und Weltraum 5/2004, S. 36-43

Marsforschung an der FU Berlin: www.geoinf.fu-berlin.de/projekte/mars/index.php
Weitere Weblinks: www.astronomie-heute.de/artikel/1066851


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w i s - wissenschaft in die schulen

Zu diesem Beitrag stehen Ihnen ausführliche didaktische Materialien auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de zur Verfügung. Darin wird gezeigt, wie man von den Oberflächenstrukturen auf dem Mars durch Rechnungen und 3-D-Modelle anfertigen kann. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen in Bad Wildbad und dem Haus der Astronomie in Heidelberg durch.


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 25:
Diese perspektivische Ansicht der Marsregion Elysium entstand aus Bilddaten der europäischen Sonde Mars Express. Der vertikale Maßstab ist fünffach überhöht. Im Vordergrund ist Hecates Tholus zu sehen. Der 18 Kilometer hohe Elysium Mons thront über der Region und bildet einen gleichmäßigen Schild. Der kleinere Vulkan Albor Tholus ist im Hintergrund sichtbar, zeigt eine ähnliche Morphologie wie Hecates Tholus, hat jedoch eine größere Caldera.

Abb. S. 26 oben:
Auf dieser höhencodierten globalen Karte des Mars sind die wichtigsten Vulkane mit roten Dreiecken markiert. Hellas und Isidis sind große Einschlagbecken.

Abb. S. 26 unten:
In der Marsregion Tharsis befinden sich die vier größten Vulkane des Sonnensystems: Olympus, Arsia, Pavonis und Ascraeus Mons.

Abb. S. 27:
Der Vulkanriese Olympus Mons ist hier als koloriertes Höhenmodell dargestellt. Er überragt seine Umgebung um bis zu 24 Kilometer, hat also rund die dreifache Höhe des Mount Everest. Sein Basisdurchmesser beträgt 600 Kilometer.

Abb. S. 28 oben:
Zwei wichtige Vulkantypen lassen sich auf dem Mars unterscheiden: große Schildvulkane (links) und flache Schildvulkane (unten). Der namenlose Berg befindet sich rund 600 Kilometer nordnordwestlich von Ascreaus Mons, erstreckt sich über eine Breite von 17 Kilometern und ist nur wenige 100 Meter hoch. Der Pfeil weist auf den kleinen Zentralkrater hin.

Abb. S. 28 und 29 unten:
An manchen Marsvulkanen lassen sich Deformationsstrukturen erkennen, hier am Beispiel eines Falschfarbenbilds der Caldera des Vulkans Apollinaris Patera mit einer Breite von 100 Kilometern (linkes Bild). Der Vulkan Tharsis Tholus ganz rechts zeigt einen Flankenkollaps, er ist hier in einer Schrägansicht mit Blick nach Südwesten zu sehen.

Abb. S. 30-31 oben:
Im Einschlagkrater Gusev am Marsäquator stieß der US-Marsrover Spirit auf vulkanische Aschenlagen. In der Ausschnittsvergrößerung (links) lässt sich eine rund vier Zentimeter große vulkanische Bombe erkennen (Pfeil). Hier ist ein während eines Vulkanausbruchs emporgeschleuderter Gesteinsbrocken mit großer Wucht in die Aschenlagen eingeschlagen.

Abb. S. 30 unten:
Östlich des Vulkans Tharsis Tholus befindet sich eine ausgedehnte Lavaebene. Der Lavastrom in der Bildmitte floß von links nach rechts. Der Fließkanal und die seitlichen Wälle (Levées) sind hier sehr ausgeprägt.

Abb. S. 31 unten:
In der Caldera des Vulkans Nili Patera befinden sich dunkle Dünen aus vulkanischem Material.

Abb. S. 32:
In den Tartarus Montes im Osten der Marsregion Elysium zeigen sich Ansammlungen von kleinen Kegeln. Sie entstanden, als heiße Lava über wassergesättigten Boden (beispielsweise Permafrost) floss. Dabei verdampfte das Wasser und durchbrach die Lava mit Explosionen, welche die Kegelchen schufen. Die Bildbreite beträgt rund 1,6 Kilometer.


© 2011 Thomas Platz, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 5/11 - Mai 2011, Seite 24 - 32
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/52 80, Fax: 06221/52 82 46
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
Tel.: 06221/9126 600, Fax: 06221/9126 751
Internet: www.astronomie-heute.de

Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2011