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PLANET/513: Driften Eisberge in den Titan-Meeren (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 7/13 - Juli 2013
Zeitschrift für Astronomie

Driften Eisberge in den Titan-Meeren?

Von Tilmann Althaus



Radardaten der Saturnsonde Cassini weisen daraufhin, dass in den Seen ausflüssigen Kohlenwasserstoffen auf Titan Eisberge schwimmen könnten.


Der Saturnmond Titan ist der einzige Planetentrabant im Sonnensystem, der von einer dichten Atmosphäre umgeben ist. Große Seen und Meere wurden auf seiner im Mittel etwa -180 Grad Celsius kalten Oberfläche entdeckt, die aus flüssigen Kohlenwasserstoffen wie Äthan (C2H6) und Methan (CH4) bestehen. Nun haben die beiden Forscher Jason D. Hofgartner und Jonathan I. Lunine von der Cornell University in Ithaca, New York, untersucht, ob in diesen Meeren Eis auf der Oberfläche treiben könnte.

Dass sich auf der Oberfläche unserer Gewässer bei entsprechend tiefen Temperaturen Eis bildet, ist für uns auf der Erde ein gewöhnlicher Anblick. Und dass Wassereis auf flüssigem Wasser schwimmt, ist gleichermaßen eine alltägliche Erfahrung. Dabei vergisst man allerdings schnell, dass Wasser im Vergleich zu anderen Flüssigkeiten einige besondere physikalische Eigenschaften aufweist: Tatsächlich besitzt flüssiges Wasser nahe dem Gefrierpunkt eine etwas höhere Dichte als Wassereis, so dass das Eis auf ihm schwimmt. Das liegt daran, das im Eis die Wassermoleküle im Kristallgitter in festem Winkel zueinander stehen, wodurch sich eine sperrige Struktur ergibt, die etwas weniger Wassermoleküle pro Volumeneinheit enthält als flüssiges Wasser.

Die meisten anderen Flüssigkeiten wie beispielsweise Kohlenwasserstoffe unterscheiden sich hierin aber markant von Wasser. Hier sind die festen Phasen schwerer als die Flüssigkeit. Demzufolge muss solches Eis untergehen und sich am Grund seiner Flüssigkeitsansammlung ablagern.

Wie Hofgartner und Lunine bei ihren Untersuchungen feststellten, gilt dies aber nur dann, wenn es sich um kompaktes Eis ohne jegliche Porositäten handelt. Sie untersuchten dazu in Simulationen Mischungen aus flüssigem Äthan und Methan, und berücksichtigten zudem, dass sich bis zu 20 Prozent an gasförmigem Stickstoff in den Meeren lösen könnten. Stickstoff dominiert mit einem Gehalt von 95 Prozent die Zusammensetzung der dichten Titanatmosphäre.

Sie fanden heraus, dass es auf den Titanmeeren tatsächlich driftendes Eis geben könnte. Dies hängt jedoch davon ab, wie Methan und Äthan miteinander vermischt sind und ob beim Gefrieren gasförmiger Stickstoff in das entstehende Eis eingebettet wird. Außerdem ist von Bedeutung, ob sich dabei Porenräume wie im Meereis in den irdischen Ozeanen bilden. Für äthanreiche Mischungen muss ein Porenvolumen von mindestens fünf Prozent vorhanden sein, damit das Eis schwimmt. Dies wäre auch ein gewöhnlicher Wert bei frisch gebildetem irdischen Meereis. Es erscheint durch die Eisporen schneeweiß, anstatt klar durchsichtig wie Glas. Bei methanreichen Zusammensetzungen sollte das gebildete Eis dagegen unabhängig vom Porenvolumen schwimmen. Derzeit ist noch unbekannt, in welchem Mischungsverhältnis Methan und Äthan in den Titanmeeren vorkommen, sicher wurde bislang nur Äthan nachgewiesen.


Schwimmendes Eis aus Kohlenwasserstoffen
Das Schwimmverhalten der Kohlenwasserstoff-Eisbrocken hängt dabei empfindlich von der Temperatur ab. Fällt die Temperatur nur um wenige Grad Celsius, so wird das Eis sinken. Diese Abhängigkeit des Schwimmverhaltens von der Temperatur führt zu ungewöhnlichen Effekten. Sollte die Oberflächentemperatur der Titan-Meere um den Bereich oszillieren, bei dem Flüssigkeit und Festkörper die gleichen Dichten aufweisen, so könnte sich Eis bilden, das sowohl sinkt als auch schwimmt! Beim Übergang vom Winter zum Sommer - Titan weist ausgeprägte Jahreszeiten auf - könnte ein Titanmeer somit Eis an der Oberfläche und am Grund aufweisen. Steigt die Temperatur um wenige Grade an, so sollte das am Grund befindliche Eis an die Oberfläche steigen.

Die beiden Forscher sagen voraus, dass Cassini in den nächsten Jahren beobachten könnte, wie die Titanmeere im Bereich der Radarwellen zunächst dunkler werden, da das schwimmende Eis schmilzt. Dadurch wird die Oberfläche der Meere glatter und reflektiert weniger Radarwellen zurück zur Sonde. Bei weiterer Erwärmung sollten die Meere dann wieder heller werden, da nun das Eis vom Grund an die Oberfläche steigen müsste. Es würde sie aufrauhen und somit besser die Radarwellen reflektieren und heller erscheinen. Schließlich schmilzt das Eis und die Oberfläche würde wieder dunkler. Cassini soll Saturn noch bis zum Jahr 2017 umkreisen, falls es nicht durch technische Pannen schon vorher zum Ausfall der Sonde kommt. Dann ist auf der Nordhalbkugel von Titan der Sommer angebrochen.



Literaturhinweis

Hofgartner J.D., Lunine J.I.: Does ice float in Titan's lakes and Seas? In: Icarus 223, S. 628-631, 2013.
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0019103512004824

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Mehrere dunkle Flecken zeigen sich auf diesem Radarbild der US-Raumsonde Cassini, das in den hohen nördlichen Breiten des Saturnmonds Titan aufgenommen wurde. Es sind Ansammlungen flüssiger Kohlenwasserstoffe wie Äthan und Methan. Der größte See erstreckt sich über eine Länge von 45 Kilometern. Ein Teil der Helligkeitsunterschiede in den Seen könnte auf schwimmende Eisstücke gefrorener Kohlenwasserstoffe zurückgehen: Sie erhöhen die Reflektivität im Radarbereich und erscheinen dadurch heller.

© 2013 Tilmann Althaus, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 7/13 - Juli 2013, Seite 22 - 23
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2013