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PLANET/605: LkCa 15 - hier entsteht ein Planet (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 6/16 - Juni 2016
Zeitschrift für Astronomie

Kurzbericht
LkCa 15 - hier entsteht ein Planet

Von Jan Hattenbach


Ein vor vier Jahren gefundenes Objekt entpuppt sich als erster direkt beobachteter Planetenembryo. Neue, mit dem Teleskop Magellan in Chile gewonnene Daten liefern zudem eine Antwort auf eine alte Frage.


Die Zahl der entdeckten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems - Exoplaneten - steigt und steigt. Mehr als 2100 sind mittlerweile bestätigt. Die meisten davon fanden Astronomen mit indirekten Methoden. Das Weltraumteleskop Kepler etwa spürte Planeten auf, die beim Umlauf zwischen ihren Stern und die Erde treten und dabei das Licht ihres Zentralgestirns periodisch geringfügig abdunkeln. Andere Planeten verrieten sich durch das schwache Taumeln ihres Sterns, ausgelöst von der Anziehungskraft eben jener umlaufenden Planeten.

Bei der Suche nach besonders jungen, noch in ihrer Entstehung begriffenen Planeten helfen diese Methoden aber nicht weiter. Denn auch die zugehörigen Sterne sind entsprechend jung und damit unberechenbar wie Teenager - sie produzieren heftige Ausbrüche (Flares) und leuchten zu instabil, um Rückschlüsse auf Planeten zu erlauben. Um Planetenembryos zu entdecken, also Himmelskörper, die sich gerade in der zirkumstellaren Staubscheibe um junge Sterne bilden, konzentrieren sich Astronomen daher auf solche Systeme, die sie mit großen Teleskopen direkt abbilden können. In den vergangenen Jahren fanden sie eine ganze Reihe protoplanetarer Scheiben. Einige enthalten Lücken, die an die »Rillen« im Saturnring erinnern: Hier sollten sich neue Planeten bilden.

Einen heißen Kandidaten fanden Adam Kraus von der University of Hawaii, USA, und Michael Ireland von der Macquarie University, Australien, im Jahr 2011 bei dem Stern LkCa 15. Dieser sonnenähnliche, mit rund zwei Millionen Jahren sehr junge Stern, ist Objekt 15 in einer Durchmusterung des Lick Observatory. Dabei suchen die Astronomen innerhalb von Dunkelwolken der Taurus-Auriga-Region nach Vor-Hauptreihensternen mit Emission im Licht von CaII, H und K. LkCa 15 liegt in einer rund 450 Lichtjahre entfernten Sternentstehungsregion in Richtung des Sternbilds Stier. Eine protoplanetare Scheibe mit einer rund 50 Astronomischen Einheiten (AE) großen Lücke umgibt den Stern - in dieser Lücke fanden die Forscher den LkCa 15 b getauften Planetenkandidaten.

Vier Jahre später gelang es Stephanie Sallum und Kate Follette von der University of Arizona zusammen mit einem Team von Astronomen, die Planetennatur dieses Objekts zu bestätigen. Dazu verwendeten sie Beobachtungsdaten aus dem optischen und nahinfraroten Spektralbereich, die sie mit dem Large Binocular Telescope (LBT) im US-Bundesstaat Arizona sowie mit dem Adaptive Optics System des Magellan-Zwillingsteleskops (MagAO) des Las-Campanas-Observatoriums in Chile gewonnen hatten. Besonders die optischen Beobachtungen mit MagAO liefern möglicherweise eine Antwort auf die immer noch offene Frage, wie Gasplaneten wie LkCa 15 b eigentlich entstehen.

Bei diesem Prozess müssen sich aus mikroskopischen Staubteilchen um 14 Größenordnungen größere Gebilde formen, und das in der relativ kurzen Lebensdauer der protoplanetaren Staubscheibe. Theoretiker favorisieren zwei mögliche Szenarien: Nach dem so genannten Kernakkretionsmodell verklumpen zunächst Staubteilchen zu Protoplanetenkernen, um die sich später Gasscheiben bilden - ähnlich der protoplanetaren Scheibe um den Stern, aber um Größenordnungen kleiner. Über diese Scheibe strömt anschließend Gas auf den festen Planetenkern und bildet so einen Gasplaneten ähnlich Jupiter oder Saturn. Die alternative Erklärung des Scheibeninstabilitätsmodells geht hingegen davon aus, dass bestimmte Regionen der protoplanetaren Scheibe auf Grund von Instabilitäten kollabieren und somit Gasplaneten ohne festen Kern bilden. Je nachdem, auf welche Weise ein Planet entsteht, müsste er bestimmte Werte bezüglich seiner effektiven Temperatur, seines Radius und seines Spektrums aufweisen. Auch sollten Planeten, die nach dem Kernakkretionsmodell entstanden sind, mit drei bis fünf Astronomischen Einheiten erheblich näher an ihrem Zentralgestirn liegen als solche, die sich durch Instabilitäten in der protoplanetaren Scheibe gebildet haben. Letztere wären 25 bis 30 AE von ihrem Stern entfernt.

Mit LkCa 15 b kennen die Astronomen nun ein konkretes Exemplar, anhand dessen sie zwischen den konkurrierenden Theorien unterscheiden können. Und der Fall scheint eindeutig: Die Untersuchungen von Sallum und ihren Kollegen deuten darauf hin, dass sich LkCa 15 nach dem Kernakkretionsmodell bildet. Denn mit MagAO fanden die Astronomen H-Alpha-Photonen, wie sie von ionisiertem Wasserstoffgas abgestrahlt werden. Die zur Ionisation nötigen Energien werden im Scheibeninstabilitätsmodell nicht erreicht, im Kernakkretionsmodell aber sehr wohl: Besitzt der Planet ein Magnetfeld, so müssen die Gasatome den Linien dieses Feldes folgen und dabei auf Temperaturen von 10.000 Grad erhitzt werden. Dies wiederum ionisiert die Atome, und die Emission von H-Alpha-Strahlung ist die Folge.

Akkretion und H-Alpha-Emission

Der Nachweis von H-Alpha-Strahlung ist ein deutlicher Hinweis auf Akkretion, zumindest im Fall von LkCa 15 b. Allerdings kennen Astronomen H-Alpha-Emissionen in Akkretionsscheiben bislang ausschließlich von zirkumstellaren Scheiben, die hundertfach größer sind als Scheiben um entstehende Planeten. Sallum und ihr Team extrapolierten die Beziehung zwischen Akkretionsrate und H-Alpha-Emission also auf eine völlig neue Größenskala: Das sollte zur Vorsicht bei der Interpretation der Resultate mahnen.

Wünschenswert ist die unabhängige Messung anderer Indikatoren der Akkretion, etwa Kontinuumsemission von ultravioletter oder optischer Strahlung. Auch fanden die Forscher zwei weitere Objekte in der Nähe von LkCa 15 b - allerdings ohne zugehörige H-Alpha-Strahlung. Kraus und sein Team hatten diese Objekte noch als Teil der zirkumplanetaren Staubscheibe um LkCa 15 b interpretiert. Es sei jedoch wahrscheinlicher, dass es sich um unabhängige Objekte auf eigenen Bahnen um den Stern handele, meinen Sallum und ihre Kollegen. Warum sie jedoch keine nachweisbare H-Alpha-Strahlung aussenden, ist derzeit rätselhaft. Mit 14 bis 18 Astronomischen Einheiten liegt der Sternabstand der drei Objekte außerdem zwischen den vorhergesagten Bereichen der beiden konkurrierenden Modellen - eine Diskrepanz, für die ebenfalls eine Erklärung benötigt wird.

Mit der H-Alpha-Methode dürfe man auf die Entdeckung vieler weiterer Planeten in ihrer Entstehungsphase hoffen, meint Zhaohuan Zhu von der Universität Princeton im US-Bundesstaat New Jersey in einem gemeinsam mit Sallums Aufsatz in der Zeitschrift Nature erschienenen Begleitartikel. Sie werde statistische Untersuchungen über Protoplaneten mit vergleichbarer Genauigkeit möglich machen, wie sie derzeit mit den Daten des Kepler-Teleskops für entwickelte Planeten durchgeführt werden. Die Jahrzehnte alte Frage nach dem Entstehungsmechanismus der Gasplaneten könnte damit gelöst werden. Doch die Entdeckungen bei LkCa 15 zeigen auch, dass noch etliche Details geklärt werden müssen.


Jan Hattenbach ist Physiker und Amateurastronom. In seinem Blog »Himmelslichter«, zu finden unter www.scilogs.de/kosmologs, schreibt er über alles, was am Himmel passiert.


Literaturhinweise

Sallum, S. et al: Accreting Protoplanets in the LkCa 15 Transition Disk. In: Nature 527, S. 342-344, 2015

Schmalzl, M.: Der Planetenentstehung auf der Spur. In: Sterne und Weltraum 7/2012, S. 20-22

Zhu, H.: Growing Planet brought to Light. In: Nature 527, S. 310-311, 2015

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 20:
Die Staubscheibe um den hier ausgeblendeten Stern LkCa 15 zeigt sich am besten auf dem mit dem Very Large Array in New Mexico aufgenommenen Radiobild (links, grau). In der rund 50 Astronomischen Einheiten großen Lücke zwischen Stern und Staubscheibe fanden Astronomen drei Objekte, die sie als Protoplaneten im Prozess ihrer Entstehung interpretieren: LkCa 15 b, c und d (rechts). Sie sind im nahinfraroten L'- und K-Band zu erkennen (die zentralen Wellenlängen der verwendeten Filter sind im Bild notiert). LkCa 15 b strahlt zudem im Licht des ionisierten Wasserstoffs (H-Alpha, blau dargestellt) - ein Hinweis auf aktive Akkretion von Gas aus einer zirkumplanetaren Scheibe.

Abb. S. 21:
Der junge Stern LkCa 15 ist umgeben von einer Scheibe aus Staub und Gas. In der breiten Lücke der Scheibe wächst ein Planet heran, LkCa 15 b, womöglich sind es sogar drei (LkCa 15 c und LkCa 15 d). Auch um die Protoplaneten bilden sich Scheiben aus Staub und Gas (rechts). Aus ihnen gelangt Materie auf die jungen Planeten, die so kontinuierlich an Masse zunehmen. Wenn nun Materie bei diesem Vorgang, den Magnetfeldlinien (blau) des Protoplaneten folgend, auf diesen herabregnet, so wird Licht in Form von H-Alpha-Strahlung freigesetzt. Genau dies haben die Astronomen bei LkCa 15 b festgestellt.


Der Artikel ist als PDF-Datei mit Abbildungen abrufbar unter:
http://www.spektrum.de/pdf/suw-2016-06-s020-pdf/1409561

© 2016 Jan Hattenbach, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 6/16 - Juni 2016, Seite 20 - 21
URL: http://www.spektrum.de/pdf/suw-2016-06-s020-pdf/1409561
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2016

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