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PORTRAIT/021: Ulrich Christensen - Sonnensystemforschung (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - 1/2007
Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft

Sonnensystemforschung
Zur Person - Ulrich Christensen

Von Thorsten Dambeck


Als Schüler rief Ulrich Christensen mit seinen Chemie-Experimenten die Feuerwehr auf den Plan, später hatten es ihm die driftenden Kontinentalplatten unserer Erde angetan. Heute richtet er den Blick zum Himmel: Der Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau beschäftigt sich mit den Planeten und dem, was unter ihren Oberflächen liegt.


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Die Rote Armee in Afghanistan, Militärputsch in der Türkei, die Mullahs halten den Iran fest im Griff: 1980 ist ein Jahr der Krisen in Vorderasien. Es ist auch die Zeit, als sich Ulrich Christensen, frisch promoviert, mit einer Fernreise belohnt und ein Jahr Auszeit gönnt: mit seiner Frau in einem alten Ford Transit bis nach Indien. "Viele hatten uns für verrückt erklärt, durch den Iran zu fahren", sagt Christensen heute. Die Lage war auch alles andere als entspannt, ein paar Monate zuvor war eine US-Militäraktion in der persischen Wüste gescheitert. Der Versuch der Amerikaner, ihre Geiseln aus der gekaperten Teheraner Botschaft zu befreien, endete im Debakel. Eine schnelle Durchfahrt in sieben Tagen, das hatten die Behörden gerade noch erlaubt, an Touristenvisa war nicht mehr zu denken.

"Natürlich werden die Gefahren einer solchen Reise immer aufgebauscht, doch ein wenig Abenteuer spielte auch eine Rolle", so Christensen im Rückblick. Schon kurze Zeit später explodierte das Pulverfass. Auf der Rückreise war bereits der Weg durch Persien versperrt, der irakisch-iranische Krieg inzwischen ausgebrochen. Die Hauptmotivation der Reise war jedoch nicht der Nervenkitzel: "Es ging darum, fremde Länder und die dortigen Kulturen kennenzulernen."

Trotzdem sieht sich Ulrich Christensen heute nicht als Wissenschaftler im Stil eines Geografen. Penibel Details zusammenzutragen, quasi jeden Stein unter die Lupe zu nehmen - ein solches Herangehen überlässt er lieber anderen. "Mich interessieren die grundsätzlichen Phänomene in den Geowissenschaften", sagt der Geophysiker, der im Jahr 2002 zum Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau berufen wurde; seit 2005 bekleidet er auch das Amt des Geschäftsführenden Direktors. "Die Erde ist schließlich auch ein Planet, im Sonnensystem gibt es sieben weitere. Ein Vergleich mit diesen Welten lehrt uns einiges über unsere Heimat", zitiert er eine geläufige Begründung für die Beschäftigung mit anderen planetare Körpern.

Was fasziniert ihn persönlich am Vorstoß zu anderen Welten? "Vor 50 Jahren waren Planeten verwaschene Bildchen im Fernrohrokular - viel sah man da nicht." Dann kamen die Raummissionen, und praktisch jede gelungene Mission brachte wirklich große Entdeckungen: Mars hat Riesenvulkane, die größten im Sonnensystem. Der Trabant Io des Gasplaneten Jupiter ist vulkanisch extrem aktiv und auf dem Jupitermond Europa liegt, verborgen unter einer Wassereiskruste, sehr wahrscheinlich ein salziger Ozean.


Forscherblicke unter die Oberfläche

"Das sind spannende und spektakuläre Entdeckungen, die bei der Erforschung dieser Welten passieren. Es ist wie ein erster Blick auf eine Terra incognita. Wann ist man sonst heute noch als Wissenschaftler schon bei etwas Vergleichbarem dabei, üblicherweise vollzieht sich wissenschaftlicher Fortschritt doch sehr langsam", sagt Ulrich Christensen.

Wenn der Max-Planck-Direktor seinen Blick auf die Erde und andere planetare Körper richtet, sieht er jedoch weniger die exotischen Landschaften solcher Welten. Gewappnet mit den Gesetzen der Physik dringt er unter deren Oberflächen. Wieso driften die Kontinentalplatten? Wie strömen die Gesteinsmassen im Erdmantel? Was formte die Riesenvulkane auf dem Mars? Welcher Motor treibt die Magnetfelder der Planeten an? Als Theoretiker versucht Christensen, mit Modellrechnungen Antworten zu geben. Die nötigen Daten dafür liefern die Instrumente von Planetensonden, die bei ihren Erkundungsflügen das Sonnensystem durchkreuzen. Und oft genug sind die Forscher perplex, wenn nach jahrelanger Anreise die ersehnten Messdaten über die Bildschirme flimmern.

So auch im Jahr 1975. Damals inspizierte die US-Sonde Mariner 10 im Vorbeiflug den Merkur. Die Überraschung: Das Bordmagnetometer registrierte ein globales magnetisches Feld. Ausgerechnet beim kleinsten der terrestrischen Planeten hatten die Fachleute kaum ein derartiges Feld erwartet, denn selbst die größeren Geschwister Mars und Venus konnten kein globales Magnetfeld vorweisen; das hatten bereits andere Missionen enthüllt. Lediglich das Magnetfeld der geologisch aktiven Erde war den Forschern in der Gruppe der vier terrestrischen Planeten bekannt. "Verglichen damit, ist das Merkurfeld allerdings ziemlich schwach, rund ein Prozent des irdischen Werts - ein Befund, der im Rahmen der Dynamotheorie zunächst nur schwer verständlich ist", sagt Christensen.

Der Dynamotheorie zufolge funktionieren planetare Magnetfelder nach den gleichen Grundprinzipien wie ein technischer Dynamo, also etwa die Lichtmaschine im Auto. Die Rolle der Spulen übernehmen dabei Strömungen im elektrisch leitenden flüssigen Planetenkern. Wendet man die Dynamotheorie auf den Merkur an, so erhält man zwar einen Wert für dessen Magnetfeldstärke, doch das Theorieresultat liegt um einen Faktor 30 über dem von Mariner 10 gemessenen Wert. Ist der sonnennächste Planet also ein magnetischer Ausnahmefall?

Vom Merkur zurück auf die Erde, ins niedersächsische Stahl-Städtchen Peine. Dort kommt Ulrich Christensen im Jahr 1954 als eines von fünf Kindern zur Welt. Der Vater arbeitet sich im Walzwerk zum Meister hoch, in der Familie wird Wert auf höhere Bildung gelegt. Ulrichs naturwissenschaftliche Neigung fällt bereits in der Schulzeit auf. Mathe, Physik, Chemie: sehr gut; Kunst: befriedigend; Englisch: ausreichend. So steht es in einem Zeugnis des experimentierfreudigen Gymnasiasten. Seine chemischen Versuche im Keller des Hauses ließen schon mal die Feuerwehr anrücken. "Viel Rauch, doch letztlich gab es gar nichts mehr zu löschen", erzählt Christensen. Seine beiden Söhne, heute Teenager, tendieren übrigens ebenfalls in Richtung Naturwissenschaften.

Eine Zeit lang liebäugelte der Nachwuchsforscher mit der Chemie als Studienfach. Als schließlich die Physik das Rennen machte, war zunächst nicht klar, in welche Richtung die Reise gehen sollte. Klar jedoch war eine frühe Affinität zur theoretischen Seite der Wissenschaft und zur Mathematik. Dann half die rasante Entwicklung der Computertechnik: In den 1970er-Jahren wurden Rechenanlagen auch für Studenten zugänglich, so auch an der TU Braunschweig, wo Christensen seit 1972 eingeschrieben war. Dank neuer numerischer Methoden erhielten viele Wissenschaften einen zusätzlichen Schub. "Das hat mich damals stark fasziniert", erinnert sich Ulrich Christensen.


Alles fließt - auch festes Gestein

Für die Geowissenschaften bedeuteten die 1960er-Jahre eine Zeit des radikalen Umbruchs, die Plattentektonische Revolution hatte das Fachgebiet umgekrempelt. Zwar hatten die Geophysiker der Jahrzehnte alten These von Wegeners Plattentektonik lange Widerstand geleistet, denn sein Erklärungsansatz, wonach die Bewegung der Kontinentalplatten durch eine sogenannte Polfluchtkraft angetrieben werden sollte, war nicht haltbar. Ferner hatten Seismologen bereits in den 1920er-Jahren gezeigt, dass die ersten 3000 Kilometer im Innern der Erde keineswegs flüssig, sondern fest sind. Folglich wurde auch der Kontinentaldrift mehrheitlich zurückgewiesen. Die Dinge änderten sich erst, als die Idee Unterstützung gewann, dass auch festes Gestein fließen kann. Es ähnelt in dieser Hinsicht Gletschereis - die feste Phase des Wassers fließt bekanntlich langsam Berghänge hinab.

"Etwa um 1970 war der Umschwung vollzogen, in Deutschland dauerte es ein paar Jahre länger", sagt Christensen. Nun war die statische Erde passé, an ihre Stelle trat ein neues Bild: Durch den Erdmantel fließt Wärme vom heißen Erdkern nach außen. Dieser Wärmetransport treibt im festen Mantelgestein langsame Konvektionsströme an, die wiederum der Motor der Plattentektonik sind. Diese Vorstellungen waren Mitte der 1970er-Jahre auch hierzulande weitgehend akzeptiert. "Das war die Zeit, als ich ein Diplomthema suchte", so der Max-Planck-Forscher. Eine erste qualitative Theorie und allererste numerische Auswertungen waren dazu bereits auf dem Markt. "Das hat mich von Anfang an interessiert, solche Modellrechnungen wollte ich auch anstellen."

Im Braunschweiger Institut für Geophysik war man bezüglich der neuen Theorie jedoch außen vor: "Bei uns gab es damals dafür keinen echten Experten." In einer Team-Besprechung preschte Christensen vor, als es um eine mögliche Diplomarbeit zu dem aktuellen Forschungsthema ging: "Ich trau mir das zu!" Sofort wurden Bedenken laut: zu anspruchsvoll, bestenfalls als Thema einer Doktorarbeit geeignet. "Aber wenn er das gut kann", zitiert Christensen einen Satz von Walter Kerz, der damit die Debatte beendete. Ein Vertrauen, das Christensen seinem späteren Doktorvater heute noch hoch anrechnet. Von nun an ging es thematisch also in den dynamischen Erdmantel - und auch die Dissertation war dieser Thematik gewidmet.

Drei anstrengende Jahre vergehen bis zur Doktorwürde, dann kommt ein Jahr zwischen nepalesischem Dschungel und vorderasiatischen Krisenländern. Nun folgt eine intensive Zeit in den Studierstuben etlicher Forschungseinrichtungen: Universität Mainz, Arizona State University und die Abteilung für Geochemie des Max-Planck-Instituts für Chemie sind die Stationen; dazu kommen Lehraufenthalte an den Universitäten Karlsruhe und Utrecht. Im Jahr 1992 schließlich erreicht Ulrich Christensen der Ruf ans Institut für Geophysik der Universität Göttingen. Und kaum zwei Jahre später bekommt er den Leibniz-Preis für sein bis dahin erreichtes wissenschaftliches Gesamtwerk, die höchstdotierte Förderauszeichnung Deutschlands. Thematisch gesellt sich zum Erdmantel bald auch der Erdkern, insbesondere die Modellierung des dort generierten Magnetfelds.


3-D-Schnittbilder durchleuchten die Erde

Fast 20 Jahre lang stand also die Erde im Fokus seiner Arbeit. Auf welches Resultat ist Ulrich Christensen besonders stolz? Er muss ein wenig überlegen: "Meine Modellvorhersagen über die Rolle der Phasengrenze 660 Kilometer tief im Erdmantel." Dort gibt es einen Übergang zwischen zwei Kristallstrukturen, analog dem bekannten Übergang zwischen den beiden Kohlenstoff-Modifikationen Diamant und Graphit. Die Bestätigung kam von einer neuen Methode, der seismischen Tomografie. Damit kann man das Erdinnere mit 3-D-Schnittbildern durchleuchten - ähnlich wie die aus der medizinischen Diagnostik bekannte Tomografie mit 3-D-Bildern den Blick ins Innere des menschlichen Körpers eröffnet.

"Ab Mitte der 1990er-Jahre war die neue Technik weit genug verfeinert. Man sah nun beispielsweise, wohin Oberflächenplatten im Erdmantel abtauchen. Es zeigte sich: Die Phasengrenze behindert zwar die Konvektionsströme, an manchen Stellen können sie aber durchaus die Grenze passieren, diese ist demnach halbdurchlässig", sagt Christensen. Mit seinen Modellrechnungen hatte er das schon Mitte der 1980er-Jahre postuliert. "Es gibt also keine strikt getrennten Stockwerke im Erdmantel." Davon waren damals noch viele Geowissenschaftler ausgegangen.

Eine ähnliche Phasengrenze, allerdings in größerer Tiefe, vermutet Christensen auch für das Innere des Mars. Ein solcher Übergang beeinflusst die Konvektionsströme dort: Die gewaltige Aufwölbung der Tharsisregion, Ort der riesigen Marsvulkane, ist Ausdruck eines einzelnen großen Mantelplumes auf dem Roten Planeten. Damit unterscheidet sich Mars von der Erde, die immerhin wenige Dutzend solcher schlauchartiger Aufströmungen hat.

Der Beweis für diese These steht aber noch aus. Gäbe es eine gute Fee, die Planetenforschern Wünsche erfüllt, so wäre der Einsatzort für automatische Seismometer im Sonnensystem klar: "Sicherlich der Mars", sagt der Max-Planck-Direktor ohne Zögern. Da man in Katlenburg jedoch nicht auf Wunder wartet, ist das Institut an der europäischen ExoMars-Mission mit einem Vorschlag beteiligt, erstmals auf der Marsoberfläche Beben aufzuzeichnen. Auch der Rote Planet müsste dann seine inneren Geheimnisse preisgeben.

Zurück zum sonderbar schwachen Merkur-Magnetfeld. Für den Antriebsmechanismus eines solchen Felds ist es wichtig, sich den Aufbau des Planeten zu vergegenwärtigen. Merkur hat, wie die Erde, im Zentrum wahrscheinlich einen inneren festen Metallkern, der von einem flüssigen äußeren metallischen Kern umschlossen ist. Ulrich Christensen: "Der feste Kern kühlt sich ab und es friert Eisen von innen nach außen an." Im Kern aus Eisen und Nickel sind einige Prozent eines leichteren chemischen Elements, wahrscheinlich Schwefel, gelöst. Auch das weiß man durch die Analyse der Ausbreitung von Bebenwellen im Erdinnern. Im Merkurkern soll es eine ähnliche Beimischung geben.

Durch das Erstarren des festen Kerns reichert sich dieses Material auf der flüssigen Seite der Grenzschicht an. Dort vermindert es die Dichte, Auftriebskräfte setzen die Flüssigkeit in Bewegung und eine sogenannte chemische Konvektion kommt in Gang: Sie beruht auf den Konzentrationsunterschieden des gelösten leichten Elements. Als Ergebnis bildet sich im flüssigen Merkurkern eine tiefe Schicht mit konvektiven Strömungen aus, nach oben hin wird sie von einem stabil geschichteten Bereich abgeschlossen.

Die stabile Schicht schirmt große Teile des Magnetfelds ab, denn "der eigentliche Dynamo arbeitet nur in der tiefen Schicht, die Abschirmung darüber erklärt die relative Schwäche des Merkurmagnetfelds", berichtete Christensen im vergangenen Dezember in Nature über seine neueste Modellrechnung. Merkurs Ruf als magnetischer Sonderling ist seitdem durch diese Resultate des Wissenschaftlers erschüttert (MaxPlanckForschung 1/2007, Seite 13).


Aufbruch in den Asteroidengürtel

Wenn Ulrich Christensen morgens zu seinem abgelegenen Arbeitsplatz fährt, sieht er am Horizont die Berge des Harzes. Doch im kaum gewellten Katlenburg-Lindau kommt keine Brockenromantik auf. In der landwirtschaftlich geprägten Region würde man eher eine Gartenbaufakultät erwarten, ein Institut für wissenschaftliche Vorstöße ins Sonnensystem wirkt hier etwas verloren. Dabei weiß auch die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA die Kompetenz der Katlenburger zu schätzen. Im September wird man am Institut wieder einmal gespannt nach Cape Canaveral blicken, wenn die Dawn-Sonde in den Himmel über Florida donnert. Zweimal war die Asteroidenmission bereits politisch totgesagt, jetzt soll sie endlich gestartet werden - mit Beteiligung aus Katlenburg: Denn die "Augen" der Sonde stammen aus dem Max-Planck-Institut. Das erste Ziel von Dawn ist der Kleinplanet Vesta, die beiden Bordkameras sollen ihn monatelang genauestens inspizieren. Der Miniplanet misst gerade einmal 500 Kilometer und kreist mit Zehntausenden anderen Brocken zwischen Mars und Jupiter um die Sonne. Doch Vesta ist möglicherweise etwas Besonderes. Christensen: "Manche bezeichnen ihn als kleinsten terrestrischen Planeten."

Eine bestimmte Meteoritengruppe, die sogenannten HED-Meteoriten, deutet man als Bruchstücke von Vesta. Durch ihre Analyse wissen Planetenforscher, dass es dort einst Vulkanismus gab. Was Ulrich Christensen besonders elektrisiert: Die chemische Analyse der Steine belegt eine frühe Aufschmelzung von Vesta; einst hatte dieser kleine Körper wohl einen flüssigen Metallkern und möglicherweise ein Magnetfeld. Im Jahr 2011 ist es soweit, dann ist das Rendezvous mit Vesta geplant. "Wirklich schade, dass ein amerikanisches Magnetometer aus der wissenschaftlichen Nutzlast gestrichen wurde. Damit hätte man Spuren eines einstigen Vesta-Dynamos aufspüren können", sagt Christensen.

Schon früher, im Januar 2008, schlägt die Stunde der Wahrheit für Christensens Merkur-Modell. Nach vier Jahren Flug wird die Messenger-Sonde der NASA in kaum 250 Kilometern über die Kraterlandschaften des sonnennächsten Planeten hinwegziehen - ein günstiger Anflug für das Bordmagnetometer. Und für Christensen durchaus eine spannende Situation: Erstmals seit mehr als 30 Jahren werden neue Messdaten des von der Raumfahrt bislang stiefmütterlich behandelten Himmelskörpers erwartet. Auf die Daten der geplanten Mission Bepi Colombo der europäischen Weltraumbehörde ESA muss der Wissenschaftler dagegen noch eine Weile warten, ihr Start wird momentan auf das Jahr 2013 taxiert.


Entspannung auf hoher See

Ähnlich wie in der Forschung schätzt Christensen in seiner spärlichen Freizeit den Wechsel zwischen spannenden und ruhigeren Phasen. Den findet er etwa beim Segeln. Auch wenn es auf See einmal etwas ruppiger wird, so entspannt er dort besser als auf den staubigen Pisten Asiens. Wohin wird die weitere Reise in der Theorie der planetaren Magnetfelder gehen? Im Sonnensystem sind die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Planeten immer noch nicht richtig verstanden. Das Erdmagnetfeld ist gut modelliert. Und auch das Magnetfeld des Jupiter verhält sich erwartungsgemäß, so Christensen. Aber schon der Saturn überraschte die Forscher. Das fast perfekt axialsymmetrische Feld des Ringplaneten widerspricht grundlegenden Dynamo-Axiomen. Daher sucht Christensen so etwas wie eine vereinheitlichte Dynamotheorie, die allen Planeten im Sonnensystem gleichermaßen gerecht wird.

Für seine zukünftige Arbeit hat Ulrich Christensen einen Traum: Als Ende der 1970er-Jahre die Voyager-Sonden erstmals detailliert die Jupitermonde unter die Lupe nahmen, fanden sie den von Gezeitenkräften durchwalkten inneren Mond Io in Aufruhr: Gleich mehrere aktive Vulkane erspähten die beiden Vehikel bei ihren kurzen Vorbeiflügen. "Fast nichts war zuvor über Io bekannt, doch auf Basis einer Modellrechnung hatte ein US-Kollege den Io-Vulkanismus kurz zuvor vorhergesagt", konstatiert Christensen anerkennend. Einen Prognoseerfolg dieses Kalibers - das wäre die Krönung seiner Arbeit als Theoretiker.


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

> Vorstoß zu fremden Welten: Ulrich Christensen ist Geowissenschaftler, seit fünf Jahren Max-Planck-Direktor - und fasziniert von der Vielfalt der Planeten in unserem Sonnensystem.

> Diese Dynamosimulation zeigt die komplexe Struktur magnetischer Feldlinien im flüssigen Eisenkern eines Planeten.

> Blick auf eine Terra incognita: Was formte die Riesenvulkane auf dem Mars? Welcher Motor treibt die Magnetfelder an? Auf solche Fragen sucht Christensen Antworten.

> Sonden erkunden die Planeten aus der Nähe - mit Instrumenten aus den Labors des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung.


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin
der Max-Planck-Gesellschaft 1/2007, S. 78-82
Hrsg.: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
Redaktionsanschrift: Hofgartenstraße 8, 80539 München,
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Das Heft als PDF: www.magazin-dt.mpg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2007