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QUASAR/018: Die ersten Schwarzen Löcher im Universum (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 17. März 2010

Die ersten Schwarzen Löcher im Universum

Mit dem Weltraumteleskop Spitzer spüren Astronomen urtümliche Quasare auf


Bisher gab es sie nur in den Modellen der Astronomen: Urtümliche Schwarze Löcher, welche die Kerne aktiver Galaxien besiedeln und bereits im jungen Universum existierten. Jetzt haben Forscher gleich zwei solcher Schwerkraftmonster aufgespürt: Sie verraten sich als hell leuchtende Quasare. Ihr Licht stammt aus einer Zeit, in der das All gerade einmal eine Milliarde Jahre alt war: Wir beobachten sie so, wie sie vor 12,7 Milliarden Jahren ausgesehen haben (Nature, 18. März 2010).


Ein Quasar ist die Zentralregion einer Galaxie, in der ein aktives Schwarzes Loch sitzt. Das wiederum wird von einer hell leuchtenden Scheibe aus Gas und Staub umgeben. Die Materie läuft auf Spiralbahnen auf das Schwarze Loch zu, und bevor sie darin verschwindet, sendet sie Strahlung aus. Daher gehören diese Akkretionsscheiben zu den hellsten Objekten im gesamten Universum. Quasare leuchten so kräftig, dass es noch auf größte Entfernung möglich ist, Informationen über ihre physikalischen Eigenschaften zu gewinnen.

Licht der entferntesten bekannten Quasare benötigt rund 13 Milliarden Jahre, um uns zu erreichen. Der Blick auf diese Objekte führt uns daher 13 Milliarden Jahre in die Vergangenheit zurück. Aus diesem Grund würden die Wissenschaftler erwarten, in dieser Epoche so kurz nach dem Urknall vergleichsweise primitive Vorläufer der modernen Quasare zu entdecken, die gerade erst im Entstehen begriffen sind. Tatsächlich aber haben Beobachtungen aus dem Jahr 2003 gezeigt, dass die entferntesten Quasare sich nicht wesentlich von ihren heutigen, der Erde näher stehenden Gegenstücken unterschieden.

Nun haben Astronomen um Linhua Jiang von der Universität Arizona, Tucson, zu der auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg und des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching gehören, erstmals Objekte beobachtet, bei denen es sich tatsächlich um eine frühe, primitive Vorform moderner Quasare zu handeln scheint. Das Team nutzte das Nasa-Weltraumteleskop Spitzer das Infrarotlicht auffängt. Mit Beobachtungen in diesem Spektralbereich lässt sich die charakteristische Strahlung von heißem Staub identifizieren - und solcher Staub ist typischer Bestandteil moderner Quasare.

Die hell leuchtende Akkretionsscheibe (sie ist etwa so groß wie unser Sonnensystem) wird bei solchen Quasaren von einem riesigen Staubtorus umgeben, der rund tausendmal so groß ist wie die Materiescheibe. Bei zweien der 20 beobachteten Quasare fehlten die Anzeichen für heißen Staub. Nach Ansicht der Forscher muss es sich demnach um frühe primitive Exemplare handeln, denn im jungen Weltall gab es überhaupt keinen Staub. Daher sollten auch die ersten Quasare zwar sehr heiß und hell sein, aber keine Staubpartikel enthalten: Feuer ohne Rauch. Die Existenz solcher staubfreien Quasare war seit Längerem vermutet worden. Allerdings hatte man sie noch nie zuvor beobachten können.

Anschließend untersuchten die Astronomen alle verfügbaren Daten zu den fernen Quasaren und verglichen sie mit den Messergebnissen für modernere Quasare. Wie sich herausstellte, ist keiner der anderen Quasare - insbesondere keiner der moderneren Quasare - auch nur annähernd so staubfrei wie die zwei primitiven Exemplare. Zusätzlich fanden die Astronomen bei den entferntesten Quasaren einen Zusammenhang zwischen der Masse des Schwarzen Lochs und dem Staubgehalt: Je mehr Masse das zentrale Schwarze Loch besitzt, umso mehr Staub enthält der Quasar. Das deutet auf einen Entwicklungsprozess hin, bei dem das zentrale Schwarze Loch rasch wächst, indem es sich Materie einverleibt, während gleichzeitig mehr und mehr heißer Staub produziert wird.

"Alles deutet darauf hin, dass wir mit unseren Beobachtungen tatsächlich einen ersten Einblick in die Entwicklungsgeschichte der frühen Quasare gewonnen haben, und dass sich in den zwei staubfreien Quasaren die urtümlichsten Schwarzen Löcher verbergen, die wir kennen", sagt Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für Astronomie und Koautor des Beitrags in Nature. Die Beobachtungen zeigten Quasare in einem frühen Evolutionsstadium, die zu jung seien, als dass sich um sie herum bereits nachweisbare Mengen von Staub gebildet hätten.
[HOR / MP]


Originalveröffentlichung:
Jiang, L. et al.
Dust-Free Quasars in the Early Universe
Nature, 18. März 2010

Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Fabian Walter
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
E-Mail: walter@mpia.de

Dr. Markus Pössel (Presse)
Max-Planck-Institut für Astronomie, Hedielberg
E-Mail: poessel@mpi.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Infrarotauge: Mit dem Weltraumteleskop Spitzer haben Astronomen jetzt die primitivsten Schwarzen Löcher im Universum entdeckt.

Abb. 2: Vergleich der Infrarotspektren zweier entfernter Quasare. Die eingezeichneten Kurven geben die Vorhersagen der Modelle für die Fälle wieder, dass Staub vorhanden oder nicht vorhanden ist. Im linken Bild das Spektrum des Quasars J1250+3130. Der orangefarbene Teil der Kurve zeigt den charakteristischen Buckel für heißen Staub. Im rechten Bild das Spektrum von J0005-0006; der Buckel fehlt, die Kurve verläuft gerade weiter - ein Hinweis darauf, dass dieser Quasar so gut wie staubfrei ist.


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Quelle:
MPG - Presseinformation SP / 2010 (63), 17. März 2010
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2010