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SONNE/105: Der Ursprung der Sonne (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 6/12 - Juni 2012
Zeitschrift für Astronomie

Der Ursprung der Sonne
In welcher Umgebung wurde unser Planetensystem geboren?

Von Susanne Pfalzner



Die Entstehung der Sonne mitsamt ihren Planeten hat nur wenige Millionen Jahre gedauert und liegt 4,6 Milliarden Jahre zurück. Dennoch trägt das Planetensystem heute noch Spuren, aus denen wir auf die turbulenten Umstände schließen können, die in der Umgebung der Sonne zu ihrer Geburtsstunde herrschten.


In Kürze
  • Die meisten Meteoriten tragen Spuren einer nahen Supernova-Explosion zur Geburtsstunde des Sonnensystems.
  • Die Massenverteilung im Planetensystem und die merkwürdige Bahn des Transneptunobjekts Sedna sprechen für den nahen Vorbeiflug eines anderen Sterns an der noch entstehenden Sonne.
  • Supernova und naher Vorbeiflug sind nur dann wahrscheinlich, wenn die Sonne im dichten Zentralbereich eines großen jungen Sternhaufens entstanden ist.


Das Alter unseres Sonnensystems ist sehr genau bekannt. Altersbestimmungen mit Hilfe radioaktiver Isotope haben ergeben, dass die ältesten Meteoriten vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden sind. Heute wissen wir, dass sich das gesamte Sonnensystem mit allen seinen Bestandteilen in einem gemeinsamen Prozess gebildet hat - deshalb gilt das für die ältesten Meteoriten bestimmte Alter auch für die Sonne selbst. Denn sie ist, wie jeder Stern, aus dem Kollaps einer dichten Molekülwolke entstanden, deren Gesamtmasse bis zu mehrere Millionen Sonnenmassen betragen haben mag. Bei diesem Prozess verdichten sich verschiedene Teilbereiche der Wolke unter der Wirkung ihrer eigenen Schwerkraft immer mehr, und in jedem von ihnen bildet sich ein Einzel- oder Mehrfachstern.

So entwickelte sich zunächst die Protosonne, deren Wärmestrahlung durch die beim Kollaps der Wolke freigesetzte Gravitationsenergie gespeist wurde. Die Rotationsbewegung des ursprünglichen Wolkenbereichs, aus dem die noch kollabierende Protosonne Materie aufsammelte, ließ ihre zirkumstellare Scheibe aus Gas und Staub entstehen. Die Protosonne fiel immer weiter in sich zusammen und wurde dabei immer heißer, bis in ihrem Innern Dichte und Temperatur die Schwelle erreichten, bei der die Kernfusionsprozesse der »erwachsenen« Sterne und auch der heutigen Sonne ablaufen. Gleichzeitig bildeten sich aus der Scheibe die Planeten und alle anderen Körper des heutigen Sonnenystems (siehe Grafik auf S. 34-35 unten. Diese und die folgenden Seitenangaben und Abbildungshinweise beziehen sich auf die Druckausgabe der Zeitschrift).

Heute befindet sich die Sonne in einem Gebiet geringer Sterndichte zwischen zwei Spiralarmen, dem Sagittarius- und dem Perseusarm, nahezu in der Äquatorn ebedes Milchstraßensystems (vergleiche das Bild auf S. 35 oben). Hier beträgt die Sterndichte nur etwa 0,112 Sterne pro Kubikparsec, und auch die Dichte der interstellaren Materie ist gering. Die Frage ist nun: Entstand die Sonne bereits in einer solchen Umgebung, oder sah ihr Geburtsort vielleicht ganz anders aus? Um dies herauszufinden, suchen wir nach Indizien, die uns Hinweise auf das Umfeld der Sonne zum Zeitpunkt ihrer Geburt geben können.


Indizien von Meteoriten

Zunächst wenden wir uns den Meteoriten zu - Festkörpern kosmischen Ursprungs, welche den Absturz auf die Erde überlebt haben, ohne vollständig in der Atmosphäre zu verglühen. Unter den Meteoriten interessieren uns speziell die Chondriten: Sie sind Bruchstücke primitiver Asteroiden und nicht, wie andere Meteoriten, von Planeten oder Monden. Die Chondriten liefern mit 82,6 Prozent der Gesamtmasse den größten Anteil aller Meteoriten und enthalten millimeter- bis zentimetergroße Ursprünglich Silikattröpfchen, diese so genannte Chondrulen (siehe Bild unten). schwebten Chondrulen in vollständig oder teilweise geschmolzenem Zustand innerhalb der zirkumsolaren Scheibe um die Sonne. In die Ursprungskörper der Meteoriten wurden sie später bei deren Entstehung innerhalb der Scheibe eingeschlossen.

Die Chondriten unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung aus Elementen, die schwerer sind als Lithium, kaum von der Sonne. Sie sind also mit ihr zusammen aus der gleichen interstellaren Materie entstanden: Die heutige Zusammensetzung der Chondriten ist repräsentativ für das gesamte frühe Sonnensystem. Die Chondriten enthalten Bestandteile, die nur durch den Zerfall der radioaktiven Isotope Aluminium-26 und Eisen-60 entstehen konnten. Diese Isotope konnten nur im heißen Innern massereicher Sterne durch Kernreaktionen erzeugt und später durch eine Supernova-Explosion in das interstellare Medium eingebracht werden, aus dem sich bald danach das Sonnensystem mitsamt seinen chondritischen Kleinkörpern bildete. Das heißt, die Sonne muss in der näheren Umgebung einer Supernova entstanden sein - nur so konnte ihre zirkumstellare Scheibe hinreichend große Mengen des bei der Supernova-Explosion herausgeschleuderten Materials auffangen, die dann in die Chondriten eingebunden wurden. Der Krebsnebel zeigt uns, wie diese Rückgabe der Sternmaterie an das interstellare Medium geschieht (siehe Bild rechts oben).

Sterne wie unsere Sonne werden am Ende ihres Lebens - rund zehn Milliarden Jahre nach ihrer Geburt - zu Weißen Zwergen. Dagegen entwickeln sich Sterne, deren Anfangsmasse mindestens rund acht Sonnenmassen beträgt, etwa 1000-mal schneller und enden schon nach wenigen Millionen Jahren in einer Supernova-Eplosion. Das liegt daran, dass im Zentrum massereicher Sterne eine viel höhere Dichte und Temperatur herrscht, so dass dort die Kernreaktionen viel schneller ablaufen und diese Sterne ihren Brennstoff rasend schnell verbrauchen.

Aus der Zusammensetzung der Meteoriten lässt sich herleiten, dass die Masse des Sterns, der nahe unserer entstehenden Sonne als Supernova explodierte, vor seiner Explosion etwa 25 Sonnenmassen betragen haben muss, denn erst bei dieser Masse können im Innern der Sterne die Kernreaktionen ablaufen, die zur Bildung der schweren Elemente in ausreichender Konzentration führen. Bei der Explosion wurde ein großer Teil der Materie des Sterns in den interstellaren Raum geschleudert, und ein Teil davon gelangte wiederum in die protoplanetare Scheibe, die unsere Sonne zu diesem Zeitpunkt umgab und aus der wenig später unser Planetensystem entstand.

Die Chondriten enthalten die Zerfallsprodukte der kurzlebigen Isotope Aluminium-26 und Eisen-60 in relativ hoher Konzentration. Nur wenn die junge Sonne der Supernova-Explosion recht nahe stand, konnte die protoplanetare Scheibe genügend viel Material auffangen, um diesen Befund zu erklären. Rechnungen von Fred Adams an der University of Michigan zeigen, dass die entstehende Sonne zum Zeitpunkt der Explosion nur 0,2 bis 0,3 Parsec von der Supernova entfernt war.

Wie konnte sich so nahe bei der Protosonne eine Supernova ereignen? Dies war deshalb möglich, weil Sterne nicht allein, sondern in Gruppen oder Haufen entstehen. Siegfried Röser und Elena Schilbach haben die Eigenschaften solcher Sternhaufen in dieser Zeitschrift ausführlich beschrieben. In ihrem Beitrag zeigen sie, dass die Haufen aus einigen Dutzend, aber auch aus vielen tausend Sternen bestehen können (siehe SuW 8/2011, S. 30).

Wie die Beobachtung zeigt, werden Sterne und Braune Zwerge unterschiedlicher Masse nicht gleich häufig gebildet (siehe Grafik links oben). Sterne ähnlicher oder geringerer Masse als die der Sonne entstehen besonders häufig, während massereiche Sterne relativ selten sind. Oder anders ausgedrückt: Sterne mit größerer Masse werden seltener gebildet als Sterne mit kleinerer Masse. Wenn also ein Sternhaufen nur wenige Mitglieder besitzt, so ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass er einen massereichen Stern enthält.

Man kann sich nun fragen, wie viele Mitglieder ein Sternhaufen haben muss, damit überhaupt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass in ihm ein Stern von 25 Sonnenmassen entstanden ist. Die Beobachtung zeigt, dass erst Haufen mit mindestens 2000 Sternen mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen einzigen 25-Sonnenmassen-Stern enthalten (siehe Grafik rechts auf S. 37). Soll es in einem Haufen mehrere solcher Sterne geben, so muss er aus wesentlich mehr Sternen bestehen. Wir können daraus schließen, dass der Geburtshaufen der Sonne mindestens einige tausend Mitglieder hatte. Anderenfalls wäre es sehr unwahrscheinlich, dass es in ihrer Nähe einen Stern mit 25 Sonnenmassen gab.

Allein aus der Zusammensetzung der Chondriten lassen sich also schon die folgenden Schlüsse über den Geburtsort der Sonne ziehen:

  • In der Nachbarschaft der entstehenden Sonne hat sich eine Supernova-Explosion ereignet;
  • die Supernova ereignete sich nicht weiter als 0,2 bis 0,3 Parsec von der entstehenden Sonne entfernt;
  • ihr Geburtshaufen enthielt mindestens einige tausend Mitglieder.

Indizien aus unserem Planetensystem

Es gibt aber auch Hinweise auf den Ursprung unseres Planetensystems, die sich direkt aus seiner heutigen Form ergeben. Unser Planetensystem besteht nicht nur aus der Sonne, den Planeten und dem zwischen der Mars- und der Jupiterbahn gelegenen Asteroidengürtel: Es enthält auch den im Jahr 1951 von dem holländischen Astronomen Gerrit Kuiper beschriebenen »Kuipergürtel« - ein Überbleibsel der Staub- und Gasscheibe, aus der das gesamte Planetensystem entstanden ist. Der Gürtel besteht aus einigen hunderttausend Objekten, darunter mehr als 70 größer als 100 Kilometer im Durchmesser, welche die Sonne jenseits der Neptunbahn in einem ringförmigen, relativ flachen, sich im Abstand von etwa 30 bis 50 Astronomischen Einheiten von der Sonne erstreckenden Bereich umlaufen. In dieser Zone ist die Massendichte pro Flächeneinheit sehr gering und einigermaßen konstant (siehe die Grafik oben).

Diese Grafik zeigt aber auch: Wenn wir die Massenverteilung pro Flächeneinheit im Bereich der Planeten von Jupiter über Saturn, Uranus und Neptun bis zum Kuipergürtel betrachten, stellen wir einen zunächst stetigen, aber schließlich abrupten Abfall fest, so dass die Körper jenseits der Neptunbahn insgesamt nur noch wenige Erdmassen beitragen.

Dieser Befund steht zunächst im Einklang mit der Vorstellung, dass die Dichte der Staub-Gas-Scheibe, aus der die Planeten entstanden sind, nach außen stetig abnahm. Unerwartet ist jedoch der abrupte Abfall der Massenverteilung jenseits der Neptunbahn. Denn in der Regel sind die Scheiben um junge Sterne 100 bis 200 Astronomische Einheiten groß und weisen keinen so scharf definierten Rand auf. Weil uns aber kein Grund bekannt ist, weshalb sich die Scheibe um die junge Sonne grundsätzlich von den heute beobachteten protostellaren Scheiben unterschieden haben sollte, müssen wir annehmen, dass irgendein spezieller Prozess zum Abschneiden dieser vormals größeren Scheibe geführt hat. Was mag das gewesen sein?

Wir können uns mehrere Möglichkeiten vorstellen - etwa diese: Ein junger Sternhaufen, der aus mehr als 1000 Mitgliedern besteht, enthält auch einige massereiche Sterne, nämlich O-Sterne. Sie sind vieltausendmal leuchtkräftiger als die Sonne und heizen die nähere Um­ gebung mit ihrer starken ultravioletten Strahlung auf - und damit auch das Material in den zirkumstellaren Scheiben, die benachbarte junge Sterne umgeben. Folglich wird das Material in den Randbereichen der Scheiben zu warm, um gravitativ an deren Zentralsterne gebunden zu bleiben. Es verdampft in den Weltraum und bildet dabei leuchtende, ionisierte Hüllen um die Protosterne. Dieser Prozess wird Fotoverdampfung genannt, er führt je nach Stärke des Strahlungsfelds entweder zu einer totalen Zerstörung der Scheiben oder zu einer Verringerung ihrer Größe. Solche Prozesse lassen sich heute etwa im Orionnebel in zahlreichen Fällen direkt beobachten (siehe Bild rechts oben).

Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Sonne zum Zeitpunkt ihrer Entstehung einen gravitativ gebundenen Begleiter besaß. Die ständig wechselnde Gravitationswirkung des umlaufenden Begleiters störte die protoplanetare Scheibe und führte zu deren Verkleinerung und möglicherweise zur Erzeugung des heute noch feststellbaren scharf en äußeren Rands. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte die Sonne diesen Begleiter bei der nahen Begegnung mit einem weiteren Haufenmitglied verloren haben.

Schließlich könnte ein anderer Stern des Haufens mit seinem nahen Vorbeiflug an der jungen Sonne das Abschneiden ihrer protoplanetaren Scheibe bei einem Radius von etwa 30 Astronomischen Einheiten bewirkt haben. Wenn der Vorbeiflug hinreichend eng war, wurde die Scheibe dabei stark gestört (ein solcher Vorgang ist in der unten gezeigten Simulation dargestellt). Dabei kam es in der Scheibe zur Ausbildung von Spiralarmen, und ein Teil des Scheibenmaterials wurde aus seiner gravitativen Bindung an die Sonne gelöst. Bereits nach einigen zehntausend Jahren verschwanden die Spiralarme weit gehend, und das Endprodukt war wiederum eine Scheibe, die aber kleiner war als vor dem Vorbeiflug und einen scharf definierten äußeren Rand besaß.

Im Prinzip könnte jeder der drei beschriebenen Prozesse für das Abschneiden der protoplanetaren Scheibe verantwortlich gewesen sein. Aber eine weitere Beobachtung spricht dafür, dass tatsächlich der nahe Vorbeiflug eines anderen Sterns die Ursache war. Im Jahr 2003 entdeckten amerikanische Astronomen auf einer Aufnahme des Schmidt-Teleskops auf dem Mount Palomar ein Transneptun-Objekt, das später den Namen Sedna erhielt. Dieser etwa 1700 Kilometer große Körper befindet sich gegenwärtig auf seiner hochexzentrischen Umlaufbahn um die Sonne in der Nähe des sonnennächsten Punkts - des Perihels -, etwa 76 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt - also jenseits des Kuipergürtels! Im sonnenfernsten Punkt seines 12.059 Jahre dauernden Umlaufs - dem Aphel - wird er 937 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt sein (siehe Grafik auf S. 40). Auf eine derart exzentrische Bahn kann Sedna nicht durch die Wechselwirkung mit den Planeten gebracht worden sein, denn selbst in seinem Perihel liegt das Objekt noch weit außerhalb ihres Einflussbereichs. Demnach ist der nahe Vorbeiflug eines anderen Sterns auch für die starke Exzentrizität von Sedna und anderen Transneptunobjekten die wahrscheinlichste Ursache.

Also sprechen zwei Eigenschaften des Sonnensystems für dessen Störung durch den nahen Vorbeiflug eines anderen Sterns. Allerdings kam es sehr früh im Lauf der Entwicklung des Sonnensystems zu diesem Vorbeiflug, da die Planetenbahnen nahezu kreisförmig sind. Hätte er später stattgefunden, zu einem Zeitpunkt, als unser Planetensystem schon vollständig ausgebildet war, so wären auch die Bahnen der Planeten gestört worden. Der nahe Vorbeiflug des anderen Sterns muss sich ereignet haben, als das Planetensystem noch keine 30 Millionen Jahre alt war. Die heute 4,6 Milliarden Jahre alte Sonne war damals also wirklich sehr jung!

Nun können wir uns fragen, wie nahe ein Stern an der Sonne vorbeigeflogen sein muss, um dieses Abschneiden der Scheibe bei einem Radius von 30 Astronomischen Einheiten zu bewirken. Wenn wir annehmen, dass der Stern sich auf einer parabolischen Bahn um die Sonne bewegte und eine ähnliche Masse besaß wie sie, dann muss sein kleinster Abstand zu ihr 100 bis 1000 Astronomische Einheiten betragen haben.


Eigenschaften des Geburtshaufens der Sonne

Aus der Zusammensetzung der Meteoriten ergibt sich, dass der Geburtshaufen der Sonne mindestens 1000 Sterne enthalten haben muss. Aber für die Anzahl der Sterne in diesem Haufen können wir auch eine obere Grenze ableiten. Sie ergibt sich aus der Stärke des Strahlungsfelds. Fred Adams von der University of Michigan hat errechnet, dass in einem Sternhaufen mit mehr als 100.000 Mitgliedern das Strahlungsfeld so stark wäre, dass sämtliche Mitglieder des Haufens ihre protoplanetaren Scheiben durch den oben beschriebenen Prozess der Fotoverdampfung verlieren würden. Der Geburtshaufen der Sonne muss also zwischen 1000 und 100.000 Sterne enthalten haben.

Zwar enthält ein Sternhaufen Sterne aller möglichen Massen, dennoch lässt sich ein mittlerer Wert angeben. Er beträgt für alle bisher beobachteten Sternhaufen etwa 0,5 Sonnenmassen. Das heißt, die Masse eines Sternhaufens mit beispielsweise 1000 Mitgliedern beträgt 500 Sonnenmassen. Für den Geburtshaufen der Sonne bedeutet dies, dass die Begrenzung der Anzahl seiner Sterne auf 1000 bis 100.000 einer Begrenzung seiner Masse auf 500 bis 50.000 Sonnenmassen entspricht.

Es lassen sich auch Aussagen über die räumliche Dichte der Sterne im Geburtshaufen der Sonne ableiten. Je höher die Sterndichte ist, umso häufiger kommt es zu nahen Begegnungen, die zu einem Abschneiden der Scheibe und zu exzentrischen Bahnen wie der von Sedna führen. Aus der Tatsache, dass unser Sonnensystem sowohl eine scharf begrenzte Scheibe als auch Objekte wie Sedna besitzt, können wir darauf schließen, wie hoch die räumliche Sterndichte im Geburtshaufen der Sonne gewesen sein muss. Auf diesem Weg konnten Ramon Brasser in Nizza und Meg E. Schwamb in Yale zeigen, dass es in der Umgebung der jungen Sonne 1000 bis 10.000 Sterne pro Kubikparsec gegeben hat. In ihrer heutigen Umgebung gibt es 0,112 Sterne pro Kubikparsec, das sind also 10.000- bis 100.000-mal weniger als zur Stunde ihrer Geburt.

Nun sind die Mitglieder eines Haufens nicht gleichmäßig verteilt. Vielmehr sind die Sterne im Zentrum wesentlich dichter gepackt als in den Außenbezirken. Außerdem konzentrieren sich in vielen Haufen die massereichsten Sterne im zentralen Bereich - dafür liefert uns der Sternhaufen im Orionnebel ein schönes Beispiel (siehe Bild auf S. 43 unten). Weil die oben postulierte Supernova aus einem massereichen Stern hervorgegangen ist, befand sie sich wahrscheinlich in der Nähe des Haufenzentrums. Und weil die Sonne dieser Supernova zum Zeitpunkt ihres Ausbruchs nahe stand, muss auch sie in der Nähe des Haufenzentrums entstanden sein.

Die Forderung nach einer Sterndichte von 1000 bis 10.000 Sonnenmassen pro Kiloparsec bezieht sich also auf das Haufenzentrum. Meistens wird aber in Sternhaufen die mittlere Sterndichte angegeben, also die gesamte Anzahl der Sterne geteilt durch das Volumen des Haufens. Da die Haufen auch großräumige Außenbereiche haben, in denen die Abstände zwischen den Sternen groß sind, ist diese mittlere Dichte wesentlich geringer als die zentrale Dichte. Daher muss die geforderte zentrale Mindestdichte des Geburtshaufens in eine mittlere Dichte für den gesamten Haufen umgerechnet werden, um sie mit den beobachteten Dichten vergleichen zu können. So ergibt sich für den Geburtshaufen der Sonne eine mittlere Dichte von 10 bis 1000 Sternen pro Kubikparsec.

Die bisher abgeleiteten charakteristischen Größen des Geburtshaufens der Sonne sind in der Tabelle unten zusammengestellt.


Charakteristische Größen(*) des Geburtshaufens der Sonne

Abgeschätzte Größen: NS>1000-4000 MH>500-2000 MS
Abgeleitet aus den Daten: radioaktive Isotope und chemische Zusammensetzung in Meteroriten

Abgeschätzte Größen: NS<105 MH>50000 MS
Abgeleitet aus den Daten: maximale Stärke des Strahlungsfelds

Abgeschätzte Größen: ρz>103 M⨀ pc-3 ρm>10-100 MS pc-3
Abgeleitet aus den Daten: minimale Sterndichte, um eine Sedna-Bahn zu erzeugen

Abgeschätzte Größen: ρz<104M⨀ pc-3
Abgeleitet aus den Daten: minimale Sterndichte, um eine Sedna-Bahn zu erzeugen

(*) NS = Anzahl der Sterne im Geburtshaufen der Sonne; MH = Gesamtmasse; ρz = zentrale Sterndichte; ρm = mittlere Sterndichte


Junge Sternhaufen - heute und damals

Beobachtet man auch heute noch junge Sternhaufen mit ähnlichen mittleren Sterndichten wie damals, als die Sonne entstand? Ja, aber diese Sternhaufen, die 1000-mal jünger sind als unsere Sonne heute, unterscheiden sich stark voneinander. Es gibt solche, die nur ein paar Dutzend Sterne enthalten, wie zum Beispiel den Sigma-Orionis-Haufen, dann solche wie den Haufen im Orionnebel mit einigen tausend Sternen, und schließlich die Starburst-Haufen mit mehreren 10.000 Sternen, wie zum Beispiel den Haufen Westerlund 3.

Die für den Geburtshaufen der Sonne abgeleitete Gesamtmasse von 1000 bis 100.000 Sonnenmassen und Dichte von 10 bis 1000 Sternen pro Kubikparsec ist auch für die jungen Sternhaufen, die wir heute beobachten, typisch. Darunter sind auch solche, die jünger sind als 20 Millionen Jahre - so jung also, dass sich in ihnen gegenwärtig möglicherweise noch Planetensysteme bilden (siehe Grafik oben).

Das Alter so junger Sternhaufen lässt sich meist nur bis auf eine bis zwei Millionen Jahre genau bestimmen. Wir haben deshalb junge Haufen mit mehr als 2000 Sternen in unterschiedlichen Altersgruppen zusammengefasst und farblich gekennzeichnet. Tragen wir in der Grafik links unten die Masse der Haufen aus der Grafik oben als Funktion ihres Radius auf, so ergibt sich zweimal eine Abfolge Rot-Grün-Blau. Demnach gibt es zwei verschiedene Gruppen ähnlich massereicher Haufen. Innerhalb jeder einzelnen dieser Abfolgen nimmt die Größe der Haufen mit dem Alter - von Rot nach Blau - zu. Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass die einzelnen beobachteten Haufen gewissermaßen Schnappschüsse der Entwicklung expandierender Haufen von zweierlei Art sind.

Wir wissen noch nicht, warum sich massereiche Haufen in zwei unterschiedlichen Gruppen entwickeln. In der ersten, kompakteren Gruppe haben die kleineren Haufen die gleiche Masse wie die größeren: In den kleineren sind die Sterne sehr viel dichter gepackt - viele Sterne müssen hier innerhalb kurzer Zeit auf engstem Raum entstanden sein; und die Haufen expandieren, ohne dabei Mitglieder - und damit Masse - zu verlieren. Die Haufen dieser Gruppe, die gleichsam in einer Explosion geboren wurden, bezeichnet man als »Starburst-Haufen«. Stellt man Bilder solcher Haufen in ihren wahren Größenverhältnissen dar, so ergibt sich eine »Starburst-Haufen-Sequenz«, also gewissermaßen ein Film der allgemeinen Entwicklungsgeschichte dieser Haufen (siehe die Bildserie oben, die von links nach rechts zu lesen ist).

Im Gegensatz zu den Starburst-Haufen verlieren die Haufen der anderen Gruppe im Laufe ihrer Expansion, das heißt mit zunehmendem Alter, an Masse. Deshalb werden sie als »Leaky Cluster« (etwa: »undichte Haufen«) bezeichnet. Sie sind besser bekannt unter dem Namen »OB-Assoziationen«.

Die Entdeckung, dass es massereiche Haufen wie den Geburtshaufen der Sonne offensichtlich in zwei Varianten gibt - als Starburst-Haufen und als Leaky Cluster -, und dass beide Varianten einen vorgegebenen, unterschiedlichen Entwicklungspfad durchlaufen, hat entscheidende Konsequenzen für den Geburtsort der Sonne: Auch sie muss sich mitsamt ihrem Planetensystem in einem dieser beiden Haufentypen entwickelt haben. Die Frage ist nur: in welchem?

Bei der Beantwortung dieser Frage helfen uns die gesammelten Eigenschaften des solaren Geburtshaufens (siehe die Tabelle auf S. 40). Wir haben nicht nur einen Hinweis auf seine Masse, sondern auch auf seine mittlere Sterndichte - sie betrug 10 bis 1000 Sterne pro Kubikparsec. Hatten die heute beobachteten jungen Haufen zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Entwicklung eine vergleichbare Dichte?

Die mittlere Dichte der Sternhaufen variiert über viele Größenordnungen von unter einem Stern bis zu mehreren Millionen Sternen pro Kubikparsec (siehe die beiden Grafiken auf S. 41 unten). Kann die Entwicklung der Sterndichte in den Haufen die Frage beantworten, ob sich unsere Sonne in einem Starburst-Haufen oder in einem Leaky Cluster entwickelt hat? Zunächst gehen wir der Frage nach, ob die Sonne in einem Starburst-Haufen entstanden sein kann. Betrachten wir die Dichte der Haufen in Abhängigkeit von ihrem Alter (Grafik unten): Wir erkennen, dass die Sterndichte in Starburst-Haufen, die älter sind als etwa fünf Millionen Jahre, im Bereich der Sterndichte liegt, die im Geburtshaufen der Sonne zur Zeit des oben diskutierten nahen Vorbeiflugs eines anderen Sterns geherrscht haben muss. Es gibt also einen Zeitraum, in dem im Prinzip ein solcher naher Vorbeiflug in einem Starburst-Haufen stattgefunden haben könnte.

Aber vor diesem Zeitpunkt - also während der ersten fünf Millionen Jahre der Entwicklung der Starburst-Haufen - ist deren Sterndichte noch viel höher. Folglich kommen sehr viele Stöße vor, die zu einer Störung der zirkumsolaren Scheibe führen. Da die Sterndichte so hoch ist, gibt es nicht nur mehr Vorbeiflüge anderer Sterne an der jungen Sonne, sondern es sind auch relativ nahe Vorbeiflüge wahrscheinlich. Selbst der Fall, dass ein Stern mitten durch die protoplanetare Scheibe der Sonne geflogen wäre, ist nicht unwahrscheinlich. Natürlich hätte ein solcher Durchflug die Scheibe stark gestört und ihr große Teile ihres Materials entrissen. Da im Zentrum sehr junger Starburst-Haufen ein solches Szenario eher die Regel als die Ausnahme ist, folgt daraus, dass hier nach fünf Millionen Jahren die protoplanetaren Scheiben fast aller sonnenähnlichen Sterne kleiner als 30 Astronomische Einheiten sind.

Auch führt die hohe Raumdichte massereicher Sterne zu einem intensiven Strahlungsfeld, das die Scheiben durch Fotoverdampfung verkleinert: Die sonnenähnlichen Sterne eines Starburst-Haufens können zwar noch Scheiben haben, diese fallen aber wahrscheinlich wesentlich kleiner aus als 30 Astronomische Einheiten. Daraus könnten sich zwar prinzipiell noch Planetensysteme entwickeln, aber sie würden sich stark von unserem Sonnensystem unterscheiden. Obwohl wir es nicht vollständig ausschließen können, ist es demnach sehr unwahrscheinlich, dass sich die Sonne mit ihrem Planetensystem in einem solchen Starburst-Haufen entwickelt hat.

Als Geburtsumgebung der Sonne bleibt also eigentlich nur noch ein Leaky Cluster übrig. Erfüllt er die an den Geburtshaufen der Sonne gestellten Bedingungen? Wenden wir uns wieder der Grafik auf S. 42 zu. Sie zeigt, dass die Anforderungen an die Sterndichte nur während der frühesten Entwicklung eines Leaky Cluster erfüllt sind. Später nimmt die Dichte so weit ab, dass hier Wechselwirkungen des jungen Sonnensystems mit anderen Haufenmitgliedern sehr selten werden. Was zunächst als Einschränkung erscheint, stellt sich nun als Segen heraus. Denn eine zusätzliche Forderung war doch, dass das Sonnensystem in späteren Entwicklungsphasen ungestört bleiben muss, damit die Bahnen der Planeten nahezu kreisförmig bleiben können. In Leaky Clustern ergibt sich diese Situation auf natürliche Weise: Anfangs sind Wechselwirkungen mit anderen Haufenmitgliedern stark genug, um Sednas Bahn und den scharfen Dichteabfall bei 30 Astonomischen Einheiten zu erklären, und später sind sie so selten, dass sich das Planetensystem nunmehr ungestört entwickeln kann. Unser Sonnensystem hat sich also höchstwahrscheinlich in einem Leaky Cluster entwickelt - zunächst war die Sterndichte in seiner Umgebung sehr hoch, später nahm sie rechtzeitig rapide ab.


Stellardynamik im solaren Geburtshaufen

Am Max-Planck-Institut für Radioastronomie untersuchen wir mit Hilfe numerischer Modellrechnungen die Frage, wie sich ein Leaky Cluster entwickelt und was in seinem Zentrum typischerweise mit sonnenähnlichen Sternen passiert. Dazu modellieren wir die Dynamik solcher Sternhaufen. Für die untersuchten Modellhaufen nehmen wir das Dichteprofil des Sternhaufens im Orionnebel an - er ist der am besten beobachtete massereiche Sternhaufen in unserer näheren Umgebung (siehe nebenstehendes Bild). In unseren Rechnungen gingen wir davon aus, dass die Sonne nahe des Zentrums (innerhalb eines Abstands von 0,5 Parsec) entstand, und verfolgten jeden nahen Vorbeiflug eines sonnenähnlichen Sterns.

Als Erstes haben wir in Haufen unterschiedlich hoher Sterndichte die Wahrscheinlichkeit der Vorbeiflüge an sonnenähnlichen Sternen in Entfernungen zwischen 100 und 1000 Astronomischen Einheiten untersucht, die in dem beim Sonnensystem beobachteten Abstand vom Zentralstern zur Ausbildung eines scharfen Rands der Scheibe führen. Wie zu erwarten, zeigt die Grafik links oben, dass diese Wahrscheinlichkeit zunächst mit anwachdender Sterndichte zunimmt. Wird die Sterndichte aber sehr hoch, so wird auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass es zu einem noch näheren Vorbeiflug kommt. Dies würde aber zu einer zu kleinen Scheibe führen und die Entstehung eines Planetensystems mit den Eigenschaften unseres Sonnensystems unmöglich machen. Daher fällt die Kurve bei sehr hoher Sterndichte wieder ab.

Die Grafik rechts unten auf Seite 41 zeigt, wie die Dichte in einem Leaky Cluster mit der Zeit abnimmt. Kombinieren wir diese Information mit der Wahrscheinlichkeit für einen nahen Vorbeiflug bei einer bestimmten Sterndichte, so ergibt sich die Entwicklung dieser Wahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter des Haufens. Die Grafik rechts oben zeigt die Wahrscheinlichkeit für einen nahen Vorbeiflug als Funktion des Alters des Sonnensystems (und damit auch des ganzen Sternhaufens). Während der ersten Million Jahre hat ein sonnenähnlicher Stern eine 30-prozentige Chance, in einem Abstand von 100 bis 1000 Astronomischen Einheiten an einem anderen Stern vorbeizufliegen. Später wird ein solches Ereignis deutlich weniger wahrscheinlich, und nach fünf Millionen Jahren tritt es nur noch äußerst selten auf.

Die Computersimulationen ergeben, dass ein solcher naher Vorbeiflug an der frühen Sonne mit der Zeit schnell unwahrscheinlicher wurde, und auch, dass sich die Eigenschaften des Vorbeiflugs änderten. Falls er zu einem sehr frühen Zeitpunkt erfolgte, ist es sehr wahrscheinlich, dass der vorbeifliegende Stern eine geringere Masse als die Sonne besaß. Erfolgte der Vorbeiflug aber nach 2,5 Millionen Jahren oder später, so besteht auch die Möglichkeit, dass der vorbeifliegende Stern einer der massereichsten Sterne des Haufens war und mehr als zehn Sonnenmassen besaß. Es könnte sogar der Stern gewesen sein, der später als Supernova explodierte und die Meteoriten in der protoplanetaren Scheibe mit radioaktivem Eisen und Aluminium anreicherte.

Auch die typische Bahn dieser Vorbeiflüge ändert sich mit dem Alter des Haufens. In sehr dichten Haufen finden sie bevorzugt auf hyperbolischen Bahnen statt, wohingegen in weniger dichten Haufen parabolische Bahnen wahrscheinlicher sind. Für unser Sonnensystem bedeutet dies, dass entweder früh (im Lauf der ersten Million Jahre) ein enger Vorbeiflug eines Sterns geringer Masse auf einer hyperbolischen Bahn oder zu einem späteren Zeitpunkt (nach 2,5 Millionen Jahren oder später) ein Vorbeiflug eines massereichen Sterns auf einer parabolischen Bahn in größerem Abstand stattfand.


Wie ging es weiter?

Wir wissen nun also, dass sich unser Sonnensystem sehr wahrscheinlich in einem Leaky Cluster entwickelt hat. Unsere heutige kosmische Umgebung unterscheidet sich stark von einem solchen Leaky Cluster. Es stellt sich also die Frage, warum wir uns nicht mehr im Geburtshaufen der Sonne befinden. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen dehnt sich ein Leaky Cluster sehr stark aus - innerhalb von nur 20 Millionen Jahren versechsfacht sich sein Durchmesser. Während dieser Zeit haben etwa 90 Prozent der Sterne den Haufen verlassen und fliegen ungebunden durch den interstellaren Raum. Der zweite Grund hängt damit zusammen, dass die Sonne seit ihrer Entstehung das Zentrum der Milchstraße schon etwa 22-mal umkreist hat. Dies kann man aus ihrer Geschwindigkeit von 220 Kilometern pro Sekunde auf ihrer Bahn um das galaktische Zentrum in einer Entfernung von 8000 Parsec und ihrem Alter von 4,6 Milliarden Jahren ableiten. Dabei führte die Wechselwirkung mit dem Gezeitenfeld des Milchstraßensystems dazu, dass die noch verbliebenen Sterne des Haufens gewissermaßen entlang seiner Bahn auseinanderliefen (siehe Grafik links unten).

Der Geburtshaufen der Sonne hat sich also im Laufe der langen Zeit seit seiner Entstehung weitgehend aufgelöst. Deshalb steht die Sonne heute in einer Region der Milchstraße, die sich von ihrer Geburtsumgebung wesentlich unterscheidet. Hätten wir schon damals den Sternhimmel beobachten können, so hätten wir sehr viel mehr Objekte mit bloßem Auge gesehen.

Am Sternhimmel über dem soeben entstandenen Sonnensystem war die Sterndichte 1000-mal höher als heute, und es kommt hinzu, dass die sichtbaren Objekte auf Grund ihrer Jugend eine wesentlich höhere Leuchtkraft besaßen. Wie viel besser würden wir Sternentstehung verstehen, wenn uns ein solcher Nachthimmel auch heute noch überspannte! (Siehe Bild oben.)


Glossar

Das Aphel ist der sonnenfernste Punkt einer Umlaufbahn um die Sonne. Die Erde durchläuft ihr Aphel um den 4. Juli in 152,5 Millionen Kilometer Abstand zur Sonne.

Die Astronomische Einheit ist ein Längenmaß, das dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne (rund 149,6 Millionen Kilometer oder acht Lichtminuten) entspricht.

Braune Zwerge sind massereicher als Planeten, aber »misslungene Sterne«: Bei ihrer Entstehung liegen ihre Massen im Bereich zwischen 0,013 und 0,07 Sonnenmassen - das reicht zwar für Deuteriumbrennen in ihrem Inneren, nicht aber für das charakteristische Wasserstoffbrennen der Sterne auf der Hauptreihe des Hertzsprung-Russell-Diagramms aus.

Ein Gezeitenfeld entsteht durch die Gravitationskräfte räumlich ausgedehnter Massenverteilungen. Dazu gehören beispielsweise Erde und Mond, die für Ebbe und Flut verantwortlich sind, Galaxien, die sich bei einer engen Begegnung gegenseitig verformen, oder das Milchstraßensystem mit seinem Einfluss auf die Mitglieder eines jungen Sternhaufens.

Das Parsec ist die Entfernung, aus der eine Astronomische Einheit unter einem Winkel von einer Bogensekunde erscheint. Es entspricht etwa 3,26 Lichtjahren, rund 200 Astronomischen Einheiten oder knapp 31 Billionen Kilometern.

Das Perihel ist der sonnennächste Punkt einer Umlaufbahn um die Sonne. Die Erde durchläuft ihr Perihel um den 3. Januar in 147,1 Millionen Kilometer Abstand zur Sonne.

Eine Supernova ist die Explosion, bei der massereiche Sterne mit einer Anfangsmasse von mehr als etwa acht Sonnenmassen nach Verbrauch ihres nuklearen Brennstoffs ihren stellaren Lebensweg abschließen. Hierbei kann ein möglicherweise als Pulsar beobachtbarer Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch entstehen. Bei der Explosion nimmt die Leuchtkraft des Sterns millionen- bis milliardenfach zu und fällt innerhalb mehrerer Monate wieder ab.


Susanne Pfalzner leitet am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn die Forschungsgruppe »Stern- und Planetenentstehung in massereichen jungen Haufen« und lehrt an der Universität Köln.


Literaturhinweise

Klahr, H., Henning, Th.: Aufregende neue Planetenwelten. In: Sterne und Weltraum 6/2009, S. 32-43
Röser, S., Schilbach, E.: Offene Sternhaufen - Bausteine der Milchstraße. In: Sterne und Weltraum 8/2011, S. 30-41

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 34-35 unten:
Entstehung des Sonnensystems
Nach diesem Schema entsteht aus einem kollabierenden Teilbereich einer auch insgesamt kollabierenden Wolke aus Gas und Staub zunächst ein Protostern. Dieser sammelt über seine zirkumstellare Scheibe weiter Materie auf, während er in Polrichtung einen kleinen Teil davon zusammen mit viel Drehimpuls wieder abgibt. Bevor sich die Scheibe gänzlich auflöst, bildet sich aus ihr innerhalb weniger Millionen Jahre ein Planetensystem.

Abb. S. 35 oben:
Die Spiralgalaxie NGC 1232, auf die wir »von oben« blicken, ist unserer eigenen Galaxis in vieler Hinsicht ähnlich. Deshalb lässt sich an ihr zeigen, wo etwa die Sonne in unserem Sternsystem heute steht (Pfeil). In ihrem aktuellen Umfeld herrscht eine geringe Sterndichte, und es findet keinerlei aktive Sternbildung statt. Aber in welcher Umgebung wurde die Sonne vor 4,6 Milliarden Jahren geboren?

Abb. S. 36 unten:
Diese Scheibe des berühmten Meteoriten Allende, der am 8. Februar 1969 in Mexiko niederging, zeigt die für Chondriten typischen Einschlüsse, deren Materie bereits den Lebensweg früherer Sterne durchlaufen hat.

Abb. S. 37 oben:
Wie der Krebsnebel im Jahr 1054 hat eine Supernova, die vor 4,6 Milliarden Jahren in der Nähe der entstehenden Sonne explodierte, das in ihrem Inneren erbrütete Material freigesetzt - es wurde mit den anderen Baustoffen des Sonnensystems vermengt und lässt sich heute in den auf die Erde gefallenen Chondriten nachweisen.

Abb. S. 37 Mitte links:
Die Massen der meisten neu entstandenen stellaren und substellaren Körper liegen bei einer Sonnenmasse und darunter.

Abb. S. 37 Mitte rechts:
Die Wahrscheinlichkeit, in einem Haufen einen Stern von 10, 25 oder 75 Sonnenmassen zu finden, hängt empfindlich von der Anzahl seiner Mitglieder ab.

Abb. S. 38 oben:
Jenseits der Jupiterbahn fällt im Sonnensystem die Massendichte pro Flächeneinheit (also die Flächendichte) mit zunehmendem Abstand von der Sonne zunächst stetig, dann aber, im Bereich des Kuipergürtels, drastisch ab.

Abb. S. 38-39 unten:
Wenn ein Stern in etwa 100 Astronomischen Einheiten Entfernung an einer protoplanetaren Scheibe vorbeifliegt, wird diese für einige Jahrhunderte gestört. Ihre Außenbezirke lösen sich auf, und es bleibt eine kleinere, scharf begrenzte Scheibe zurück.

Abb. S. 39 oben:
Wenn zirkumstellare Scheiben um junge Sterne der intensiven Ultraviolettstrahlung massereicher Nachbarsterne ausgesetzt sind, erleiden sie starken Massenverlust durch Verdampfung. Das hier gezeigte Beispiel steht im Orionnebel, nahe der berühmten Trapez-Sterne (vergleiche Bild auf S. 43 unten).

Abb. S. 40:
Das im Jahr 2003 entdeckte Transneptunobjekt Sedna (roter Punkt im Bild links) steht heute in der Nähe seines Perihels, 76 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt. Sein Aphel liegt sogar bei 937 Astronomischen Einheiten (rechts). Die Planeten sind nicht maßstabsgetreu dargestellt.

Abb. S. 41 oben:
Die mittlere Dichte des Geburtshaufens der Sonne betrug 10 bis 1000 Sterne pro Kubikparsec - dieser Dichtebereich ist auch für die heute beobachteten und hier gezeigten, nur wenige Millionen Jahre alten Sternhaufen typisch.

Abb. S. 41 unten:
Zwei Arten junger Sternhaufen unterscheiden sich in ihrer Entwicklung. Kompakte »Starburst-Haufen« expandieren, ohne Mitglieder - und damit Masse (volle Symbole) - zu verlieren, locker aufgebaute »Leaky Clusters« expandieren nicht nur, sondern verlieren auch Mitglieder, sodass ihre Masse, aber auch ihre Dichte (rechtes Diagramm, offene Symbole) schneller abfällt.

Abb. S. 42-43 oben:
Stellen wir mehrere Starburst-Haufen (Arches, NGC 3606, Trumpler 14, Westlund 1, RSGC 1) alle im gleichen Maßstab dar, so ergibt sich eine Starburst-Haufen-Sequenz: Die Haufen besitzen alle eine ähnlich große Gesamtmasse und unterscheiden sich im wesentlichen nur bezüglich ihres (von links nach rechts zunehmenden) Alters und ihres Volumens beziehungsweise ihrer Dichte. Die Mitglieder der einzelnen Haufen sind jeweils alle gleichzeitig, quasi in einer Explosion entstanden und fliegen nun schnell auseinander: Die Haufen expandieren rapide.

Abb. S. 42 unten:
Die Sterndichte in Starburst-Haufen (blau dargestellt) hängt vom Haufen alter ganz anders ab als die Sterndichte der Leaky Cluster (rot). Die gestrichelte Linie zeigt den mittleren Entwicklungsverlauf. Der grüne Streifen markiert den Bereich, in dem die Dichte mit dem oben erschlossenen engen Vorbeiflug eines anderen Sterns am jungen Sonnensystem verträglich ist.

Abb. S. 43 unten:
Im Zentrum des berühmten jungen Sternhaufens im Orionnebel stehen die massereichen Trapezsterne, umschwärmt von mehreren tausend masseärmeren Sternen. Das Feld hat einen Durchmesser von etwa 0,3 Parsec oder einem Lichtjahr.

Abb. S. 44 oben links:
So hängt in einem Leaky Cluster die Wahrscheinlichkeit eines nahen Vorbeiflugs im Abstand von 100 bis 1000 Astronomischen Einheiten von der mittleren Sterndichte des Haufens ab.

Abb. S. 44 oben rechts:
Aufgrund der raschen Expansion des Haufens nimmt seine zentrale Sterndichte und damit auch die Wahrscheinlichkeit für einen nahen Vorbeiflug innerhalb weniger Millionen Jahre rapide ab.

Abb. S. 44 unten:
Die von der Milchstraße ausgeübten Gezeitenkräfte haben den Geburtshaufen der Sonne entlang seiner Bahn um das galaktische Zentrum auseinander gezogen. Die Simulation zeigt die Verteilung seiner Mitglieder (gelbe Punkte) nach den bis heute vollendeten 22 Umläufen.

Abb. S. 45:
Am Nachthimmel, wie er uns erschienen wäre, als die Sonne noch in ihrem Geburtshaufen stand, hätten wir Sternentstehung mit bloßem Auge beobachten können!

© 2012 Susanne Pfalzner, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 6/12 - Juni 2012, Seite 34 - 45
Zeitschrift für Astronomie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2012