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STERN/188: Erstmals massearmer Stern in Kugelsternhaufen nachgewiesen (idw)


Universität Zürich - 15.12.2011

Erstmals massearmer Stern in Kugelsternhaufen nachgewiesen


Selbst stärkste Hightech-Teleskope können weit entfernte massearme und somit lichtschwache Sterne kaum erfassen. Jetzt weist ein Astrophysiker der Universität Zürich zusammen mit Forschern aus Polen und Chile erstmals mittels Mikrolinseneffekt einen massearmen Stern im Kugelsternhaufen M22 nach. Das Resultat deutet darauf hin, dass die Gesamtmasse von Kugelsternhaufen möglicherweise ohne die rätselhafte Dunkle Materie zu erklären ist.

Bisher vermutete man bloss, dass es sie geben muss: Massearme und damit extrem lichtschwache Sterne. Doch angesichts der riesigen Distanzen und der schwachen Leuchtkraft von massearmen Sternen versagen selbst modernste Teleskope. Nun weist eine polnisch-chilenische Forschungsgruppe zusammen mit dem Schweizer Astrophysiker Philippe Jetzer von der Universität Zürich den ersten massearmen Stern im Kugelsternhaufen M22 auf indirektem Weg nach. Wie ihr von den «Astrophysical Journal Letters» angenommener Artikel zeigt, handelt es sich dabei um einen Zwergstern. Der Stern hat etwas weniger als einen Fünftel der Masse unserer Sonne und ist von dieser 3,2 Kiloparsec entfernt, wobei ein Kiloparsec 3210 Lichtjahren entspricht.

Der Nachweis, mit dem die Masse sehr genau bestimmt werden konnte, beruht auf dem sogenannten Gravitationsmikrolinseneffekt und erforderte den höchsten verfügbaren technischen Standard. Die Messungen erfolgten am VLT-8-Meter-Teleskop der ESO mit adaptiver Optik im Paranal-Observatorium in Chile.

© UZH

Der Kugelsternhaufen M22 mit der Position des massearmen Sterns,
der rund 10.300 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt ist.
© UZH



Heisse Spur im Jahr 2000

Im August 2000 entdeckten polnische Astronomen, dass die Helligkeit eines rund zwei Bogenminuten vom Zentrum des Kugelsternhaufens M22 entfernten Sterns während zwanzig Tagen zunahm. Sie vermuteten, dass das Phänomen auf einen sogenannten Gravitationsmikrolinseneffekt zurückzuführen sei. Dieser beruht darauf, dass sich Licht in der Nähe von grossen Massen entlang von gekrümmten Bahnen und nicht geradlinig ausbreitet. Die Helligkeit des Sterns wird durch die Gravitation eines vor ihm durchziehenden Objekts, das als Linse wirkt, kurzzeitig vergrössert. Der Stern, also die Quelle, erscheint für kurze Zeit heller, um dann nach dem Durchgang der Linse wieder schwächer zu leuchten. Um diese Vermutung zu bestätigen, holten die Astronomen den Gravitationsmikrolinsen-Spezialisten Philippe Jetzer von der Universität Zürich in ihr Team. Die am 17. Juli 2011 durchgeführte Kontrollmessung im Paranal-Observatorium bestätigte die Vermutung. Die Detailanalyse zeigte, dass die Quelle ausserhalb von M22 liegt. «Als Linse wirkte ein massearmer Stern innerhalb des Kugelsternhaufens selbst», erklärt Jetzer.

© UZH

Die Milchstrasse und der Kugelsternhaufen M22, in
welchem mittels Gravitationsmikrolinseneffekt der
erste massearme Stern nachgewiesen wurde.
© UZH

Massearme Sterne anstelle von Dunkler Materie?

Für die Astrophysik ist der erste Nachweis eines massearmen Sterns in einem Kugelsternhaufen von grosser Bedeutung, erlaubt er doch neue Aussagen über den Aufbau von Kugelsternhaufen. Bislang konnte die Gesamtmasse von Kugelsternhaufen nicht erklärt werden, ausser mit Dunkler Materie, deren Existenz aber unbewiesen ist. «Die Gesamtmasse oder zumindest ein wesentlicher Teil von Kugelsternhaufen lässt sich jetzt aber auch durch das Vorhandensein von bislang nicht detektierbaren massearmen, lichtschwachen Sternen erklären», sagt Jetzer.

Literatur:
P. Pietrukowicz, D. Minnitit, Ph. Jetzer, J. Alonso-Garcia, A. Udalski
The first confirmed microlens in a globular cluster.
Astrophysical Journal letters. 2. Dec. 2011. arXiv: 1112.0562v1

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution94


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Zürich, Beat Müller, 15.12.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2011