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STERN/271: Junge Supernova explodierte asymmetrisch (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 1/14 - 2014
Zeitschrift für Astronomie

Kurzbericht
Junge Supernova explodierte asymmetrisch

Von Tilmann Althaus



Der Überrest einer Supernova-Explosion vor 100 Jahren enthüllt nach Untersuchungen mit dem Röntgenteleskop Chandra eine »verzögerte Detonation« des Weißen Zwergs, aus der die Explosion erwuchs.


Im Sternbild Schütze ereignete sich vor rund 100 Jahren eine Supernova-Explosion, die eine chemisch sehr inhomogene Explosionswolke zurückließ. Ein Forscherteam um Kazimierz J. Borkowski von der North Carolina State University in Rayleigh untersuchte den rund 28.000 Lichtjahre von uns entfernten Supernova-Überrest mit dem Röntgensatelliten Chandra, um mehr über die Vorgänge bei dieser Sternexplosion zu erfahren. Es stellte fest, dass chemische Elemente wie Silizium, Schwefel und Eisen sehr unregelmäßig in der Explosionswolke verteilt sind. Ein derartiger Aufbau wirft ein Schlaglicht auf die in Supernovae ablaufenden Prozesse.

Die Astronomen gehen davon aus, dass im Fall von G1.9+0.3, so die Katalogbezeichnung, ein Weißer Zwerg explodierte - der kompakte ausgebrannte Überrest eines Sterns mäßiger Masse. Weiße Zwerge sind etwa so groß wie die Erde, sie können aber bis zum rund 1,4-Fachen der Masse unserer Sonne enthalten. Überschreitet die Masse eines Weißen Zwergs einen kritischen Grenzwert, die so genannte Chandrasekhar-Grenze - etwa, indem er Materie von einem Begleitstern in sich aufnimmt -, dann verpufft er in einer thermonuklearen Explosion. Die meisten dieser »Typ-Ia-Supernovae« erfolgen mehr oder weniger symmetrisch, wobei der Weiße Zwerg restlos zerstört und seine Masse als heißes Gas im Umfeld verstreut wird.

Die Explosionswolke von G1.9+0.3 dehnt sich mit rund 18.000 Kilometern pro Sekunde aus und ist mittlerweile auf einen Durchmesser von rund 17 Lichtjahren gewachsen. Der größte Teil der vom Satelliten Chandra aufgefangenen Strahlung entsteht durch den Synchrotronmechanismus: Schnelle Elektronen werden im Magnetfeld des Supernova-Überrests abgebremst und senden dabei Röntgenlicht aus.

Chandra konnte aber auch charakteristische Röntgenstrahlung nachweisen, die von spezifischen chemischen Elementen freigesetzt wird. Dabei zeigte sich, dass diese in sehr unterschiedlichen Konzentrationen in der Explosionswolke verteilt sind. In den nördlichen Gebieten der Explosionswolke tritt unter anderem mehr Eisen auf, während Silizium und Schwefel in den anderen Regionen vorherrschen.

Außerdem befindet sich Eisen interessanterweise überhäufig am äußeren Rand des Überrests. Die Astronomen erwarten jedoch, dass sich dieses schwere Element bei der Explosion tief im Inneren des Sterns bildet. Daher sollte es sich nach der Explosion eigentlich mit geringerer Geschwindigkeit ausbreiten und den leichteren Elementen in der äußeren Explosionshülle eher hinterherlaufen.

Die Forscher vermuten nun, dass im Inneren des Weißen Zwergs eine »verzögerte Detonation« stattfand: Zunächst breitete sich im explodierenden Sternrest eine Reaktionsfront mit mäßig hoher Geschwindigkeit aus, durch die Eisen und ähnlich schwere Elemente durch Kernfusion entstanden. Die dabei freiwerdende Energie heizte den Weißen Zwerg stark auf, so dass er sich ausdehnte. Somit änderte sich seine Dichte, und andere, noch schnellere Kernfusionsreaktionen setzen ein. Sie breiten sich rasend schnell aus und sprengen durch die dabei freigesetzte Energie den Weißen Zwerg völlig auseinander.

Offenbar liefen diese Vorgänge aber nicht geordnet in konzentrischen Schichten ab, sondern asymmetrisch, was sich heute in der variablen Zusammensetzung der Explosionswolke niederschlägt. Außerdem erwarten die Forscher um Borkowski, dass sich die verschiedenen Bereiche von G1.9+0.3 mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausdehnen müssten. Nachfolgende Beobachtungen des Supernova-Überrests im Röntgen- und Radiowellenbereich im Abstand von mehreren Jahren sollten hierüber Auskunft geben.

G1.9+0.3 lässt sich nur im Radiowellenbereich und im Röntgenlicht beobachten, im sichtbaren Licht und im nahen Infraroten blockieren dichte Wolken aus Gas und Staub jeglichen Blick auf die Explosionswolke. Die Wolken verhinderten auch, dass um das Jahr 1900 die Supernova als heller Stern am Himmel aufleuchtete. Somit fielen ihre Überreste erst im Jahr 1985 bei Beobachtungen im Radiowellenbereich als helle Quelle auf. G1.9+03 ist der jüngste derzeit bekannte Supernova-Überrest in unserem Milchstraßensystem. Die letzten mit bloßem Auge sichtbaren Supernova-Explosionen in unserer Galaxis wurden vor rund 400 Jahren registriert.



Literaturhinweis

Borkowski, K.J. et al.: Supernova Ejecta in the Youngest Galactic Supernova Remnant G1.9+0.3. In: Astrophysical Journal Letters 771, L9, 2013

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Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Nur im Röntgenlicht lässt sich der rund 28.000 Lichjahre entfernte Supernova-Überrest G1.9+0.3 im Sternbild Schütze aufnehmen. Das Bild entstand mit dem Weltraumobservatorium Chandra bei drei unterschiedlichen Röntgenwellenlängen, die hier in roten, grünen und blauen Farbtönen wiedergegeben sind. Die Daten des Hintergrundbilds stammen vom Digitized Sky Survey (DSS).


© 2014 Tilmann Althaus, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 1/14 - Januar 2014, Seite 26 - 27
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie)
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2014