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FORSCHUNG/732: Evolution - Lachen mit viel Gefühl (DFG)


forschung 3/2010 - Das Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Lachen mit viel Gefühl

Von Elke Zimmermann


Die Bedeutung von Emotionen für die Entwicklung der akustischen Kommunikation wurde lange kaum beachtet. Aktuelle Vergleichsstudien an Menschen und Säugetieren erlauben neue faszinierende Einblicke in die Evolution.


Wenn wir andere mit unserem Lachen anstecken, ein quengelndes Baby mit einem Wiegenlied beruhigen oder uns bei klassischer Musik vielleicht ein Schauer über den Rücken läuft, wird uns kaum bewusst, welche komplexen Abläufe diesem Verhalten zugrunde liegen. So sind es nicht Mimik oder Gestik, die uns berühren, sondern Schallschwingungen. Sie sind als "emotionale Prosodie" in Musik und Sprache enthalten und führen dazu, dass wir mit Sprache nicht nur Inhalte, sondern auch Gefühle transportieren können. Akustisch vermittelte Emotionen, kompliziert erzeugt und verarbeitet, sind in allen menschlichen Kulturen von großer und unverzichtbarer Bedeutung.

Die DFG-geförderte Forschergruppe "Akustische Kommunikation von Affekten bei nonhumanen Säugetieren und dem Menschen" hat sich zum Ziel gesetzt, die lange vernachlässigte Rolle von Emotionen in der Evolution der akustischen Kommunikation zu analysieren. Dabei werden Produktion, Wahrnehmung und neurale Verarbeitung vergleichbar an Tiermodellen und Menschen unter spezieller Berücksichtigung von Sprache und Musik untersucht.

Zum Beispiel zeigen Stimmanalysen von Lachen, das Freude, Spott oder Schadenfreude signalisiert, dass die unterschiedlichen Gefühle verlässlich in der Stimm-Melodie abgebildet werden. Über diese gefühlsspezifische Stimm-Melodie erkennen Menschen - wie psychoakustische Tests zeigen - das entsprechende Gefühl. Akustisch vermittelte Emotionen spiegeln sich interessanterweise über Kulturen und Sprachen hinweg in vergleichbaren akustischen Komponenten.

Solche akustischen Universalien sind auch bei kulturübergreifenden Untersuchungen der Musik sichtbar geworden. Wenn Angehörige des afrikanischen Volks der Mafas europäische Musikstücke hören, die auf Europäer entweder glücklich, traurig oder furchteinflößend wirken, so bewerten die Mafas sie entsprechend, obwohl sie bislang keinen Zugang zu europäischer Musik hatten. Dasselbe gilt umgekehrt für Europäer, wenn sie für sie unbekannte Musikstücke der Mafas vorgespielt bekommen.

Die akustischen Komponenten, die mit starkem emotionalem Erleben verbunden sein können, führen während des Musikhörens bei sensiblen Menschen zur Beschleunigung des Herzschlags und unter Umständen zu Gänsehaut. Beim Hören akustisch übertragener Gefühle wird im menschlichen Gehirn - wie aus Analysen der Hirnaktivität mittels moderner bildgebender Verfahren bekannt - ein komplexes Netzwerk aus hör- und emotionsverarbeitenden sowie entscheidungsunterstützenden Hirnregionen aktiv. Das Ineinandergreifen dieser Abläufe und deren Funktionen sind bislang nur in Ansätzen verstanden.


Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Fähigkeit des Menschen, Gefühle akustisch zu vermitteln, äußerst vielschichtig ist und aus ganz unterschiedlichen Facetten besteht: Wir müssen Gefühle akustisch ausdrücken, sie bei uns selbst und bei anderen wahrnehmen, sie allein anhand ihres Ausdrucks interpretieren, sie kontrollieren und letztlich lernen, sie bewusst zu imitieren - und dies abhängig vom sozialen Kontext und der individuellen Erfahrung. Wie hat sich nun diese hochkomplexe akustisch vermittelte emotional-kognitive Fähigkeit beim Menschen im Verlauf der Stammesgeschichte ausgebildet? Ist sie erst in der direkten Vorfahrenslinie des Menschen entstanden oder hat sie bereits eine vormenschliche Vergangenheit? Und: Wie lassen sich Affekte bei nicht sprachbegabten Tieren untersuchen und damit die Evolution der akustischen Vermittlung von Emotionen besser verstehen?

Der britische Naturforscher Charles Darwin hat in seinem Werk "The Expression of Emotions in Man and Animals" (1872) den Gemütsausdruck von Mensch und Tier erstmals vergleichend gegenüberstellt. Aus vorgefundenen Ähnlichkeiten schloss er, dass sich unser emotionales Verhalten aus Vorstufen im Tierreich ableiten lässt. Will man diese stammesgeschichtliche Kontinuitätshypothese empirisch überprüfen und die Evolutionsgeschichte akustisch vermittelter Emotionen hinterfragen, müssen Emotionen bei Menschen und Tieren vergleichbar definiert und gemessen werden. Zugleich braucht es einheitliche Kriterien, um ihre akustische Gestalt zu beschreiben.

Im Gegensatz zum Menschen lassen sich Tiere nicht danach befragen, was sie empfinden, wenn sie Laute erzeugen oder Laute hören. Das ist bei menschlichen Babys nicht anders. Es gilt daher, sozial bedeutsame Situationen indirekt zu bewerten - über Messungen des Verhaltens unter Berücksichtigung von Kontext und individueller Vorgeschichte. Ein solcher Versuchsansatz enthüllt die biologischen Wurzeln emotionalen Verhaltens und entschlüsselt gleichzeitig für den Menschen typische Besonderheiten.

Wenn Menschen aufgeregt oder unsicher sind, dann sprechen sie unbewusst schneller, gepresster und mit höherer Stimmlage. Die sich mit dem Erregungszustand verändernden Stimm-Merkmale haben Psychologen mittels klangphysikalischer Verfahren gemessen. Interessanterweise entsprechen einige der akustischen Komponenten jenen in den Vokalisationen von sechs anderen Säugetierordnungen.

Wie Messungen von Tierpsychologen zeigen, verändern sich auch Tierlaute in definierten Situationen abhängig vom Erregungszustand. Wird beispielsweise ein Tupaia-Weibchen (aus der Familie der Spitzhörnchen) von einem allzu stürmischen "Liebhaber" bedrängt, so verändern sich ihre Abwehrschreie vorhersehbar, und zwar in Abhängigkeit vom Abstand oder Verhalten des Männchens. Playback-Experimente belegten, dass Tupaias die unterschiedliche Erregungsintensität allein an der spezifischen akustischen Gestalt unterscheiden können. Diese erregungsabhängigen Abstufungen spiegeln sich auch in Soziallauten wider, die Störungen anzeigen oder bei sozialer Isolation geäußert werden. Und das gilt nicht nur für Tupaias, sondern auch für so unterschiedliche Arten wie Wal, Elefant, Schwein, Erdhörnchen und Fledermaus sowie bei den Primaten für Mausmaki, Totenkopfaffe, Makak und Schimpanse.


Stammesgeschichtliche Zwänge sind es, die wahrscheinlich zur Aufrechterhaltung dieser akustischen Universalien in der Vermittlung von Gefahrensituationen bei Säugetieren beigetragen haben. Der grundlegende Bauplan des peripheren Lauterzeugungssystems ist bei allen Säugetiergruppen einschließlich des Menschen gleich. Durch Feinde oder Artgenossen verursachter Kurzzeitstress aktiviert artübergreifend das sympathische Nervensystem und beeinflusst damit sowohl die Atmung als auch die mit ihr verbundene Lautproduktion - mit Folgen für Tempo und Stimmlage.

Wird der wahrgenommene Stresszustand akustisch ausgedrückt, begünstigt das Zusammenleben in Gemeinschaften die Evolution der akustischen Vermittlung. Denn wo langfristig soziale Bindungen aufgebaut werden und ständig sozial interagiert wird, ermöglicht sie es, relativ schnell und energiesparend Feinden zu entkommen oder Konflikte zu vermeiden. In Sozialgemeinschaften, in denen die Mitglieder lernen, ihre Sozialpartner an der Stimme zu erkennen, können Abwehrschreie sich auch zu Hilfeschreien entwickeln. Bei Makaken oder Schimpansen führen sie dazu, dass visuell isolierte Bindungspartner dem Schreienden zu Hilfe eilen. Das Besondere: Nur dem Menschen gelingt es, die Erregung transportierenden Komponenten in der Stimme bewusst zu kontrollieren.

Das Lachen gehört zu den über alle Kulturkreise verbreiteten stimmlich-emotionalen Ausdruckselementen des Menschen. Bereits Babies können lachen, auch die blind und gehörlos geborenen. Deshalb wird angenommen, dass Lachen beim Menschen eine angeborene stimmliche Gefühlsäußerung darstellt. Es stellt sich die Frage, ob auch die großen Menschenaffen lachen können - und wenn ja: Lässt sich menschliches Lachen dann stimmlich aus stammesgeschichtlichen Vorstufen ableiten?

Bei der Beobachtung spielender Orang Utans, Gorillas, Bonobos oder Schimpansen fällt auf, dass insbesondere ihre Kinder gerne spielen und sich dabei auch kitzeln, ganz wie menschliche Kinder auch. Dabei werden gelegentlich stakkatoartige Laute geäußert. Diese Spielsituation lässt sich auch künstlich nachstellen, indem menschliche Eltern ihre Babies und menschliche Bezugspartner in Menschenobhut aufgezogene Menschenaffenkinder kitzeln. Verhalten und stakkatoartige Laute wurden dabei registriert und die Lautserien aller Arten dann im Labor mittels klangphysikalischer Verfahren ausgewertet, auf abgestufte Ähnlichkeiten in Stimm-Merkmalen untersucht und ein Ähnlichkeitsdiagramm erstellt. Resultat: Menschliches Lachen lässt sich über graduelle Veränderungen aus der Stimmstruktur der Kitzellaute bei Menschenaffen ableiten. Die ermittelten Lautähnlichkeiten spiegeln exakt die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Menschen und den vier Menschenaffenarten wider, die aus molekulargenetischen Stammbaumanalysen bereits gut belegt sind.

Menschliches Lachen hat also stammesgeschichtliche Wurzeln, die zehn bis 16 Millionen Jahre zurückreichen - bis zum letzten gemeinsamen Vorfahren von Menschenaffen und Menschen. Der Mensch dürfte dabei allerdings der einzige Primat sein, der über sein Lachen verschiedene soziale Emotionen akustisch vermitteln kann und der über die Fähigkeit verfügt, Lachen als soziales Werkzeug einzusetzen. Der vergleichende Ansatz der Forschergruppe macht es möglich, stammesgeschichtlich alte Anpassungen von neu erworbenen menschlichen Besonderheiten zu trennen und damit Einblicke in die Rolle von Emotionen in der akustischen Kommunikation und ihre Evolutionsgeschichte zu geben.


Prof. Dr. Elke Zimmermann ist Verhaltens- und Evolutionsforscherin und Sprecherin der DFG-Forschergruppe 499. Sie forscht und lehrt an der Tierärztlichen Hochschule und am Zentrum für Systemische Neurowissenschaften in Hannover.

Adresse: Institut für Zoologie, Tierärztliche Hochschule Hannover,
Bünteweg 17, 30559 Hannover

DFG-Förderung im Rahmen der Forschergruppe 499 "Akustische Kommunikation von Affekten bei nonhumanen Säugetieren und dem Menschen".

www.for499.de


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Quelle:
forschung 3/2010 - Das Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, S. 25-28
mit freundlicher Genehmigung der Autorin
Herausgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2010