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FORSCHUNG/745: Unglaubliches Spektrum neuer Arten in unzugänglichem Gebiet Papua Neuguineas (CI)


Conservation International - Mittwoch, 6. Oktober 2010

Unglaubliches Spektrum neuer Arten in unzugänglichem Gebiet Papua Neuguineas gefunden

Neue Frösche, Spinnen, Nagetiere und weitere Kreaturen unter 200 neuentdeckten Arten


Arlington, Viginia - Eine orangefarbene Spinne, eine ausschlagende Heuschrecke mit dornenbewehrten Beinen, eine Maus mit weißem Schwanz und ein winziger Frosch mit langer Nase befinden sich unter den überraschenden 200 neuen Pflanzen- und Tierarten, die auf einer zweimonatigen Forschungsexkursion im tiefen Regenwald in einem kleinen Areal der entlegenen waldbedeckten Berge Papua Neuguineas entdeckt wurden.

Neue Anelosimus-Art: orangefarbene, etwas durchscheinende Spinne mit langen Beinen - © Ingi Agnarsson

Spinne - neue Anelosimus-Art
© Ingi Agnarsson

Zwei wissenschaftliche Teams unter der Leitung des Rapid Assessment Programs (RAP) [1] von Conservation International (CI) in Zusammenarbeit mit dem Institute for Biological Research (IBR), Papua New Guinea, und A Rocha International [2] machten diese aufsehenerregenden Funde im Jahr 2009 in den rauhen und wenig erforschten Bergregionen Nakanai und Muller-Range.

Die Expeditionen fanden im Rahmen der weltweiten Bemühungen von CI statt, die Biodiversität wenig bekannter, aber artenreicher Gebiete zu dokumentieren und mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, um lokale Gemeinschaften bei der Erstellung von Schutzprioritäten für die künftige Entwicklung zu unterstützen.

Unter den Funden sind unter anderem 24 neue Froscharten, zwei neue Säugetiere, neun neue Pflanzenarten, fast 100 neue Insekten, u.a. Libellen, Heuschrecken und Ameisen, und ca. 100 neue Spinnen. Bemerkenswert ist, daß sich einige Libellen, mindestens eine Ameise und ein Säugetier so sehr von allen bekannten Arten unterscheiden, daß sie völlig neue Gattungen repräsentieren.

Muller-Range: Winzige, stachelbewehrte Ameise der Art Pheidole sp. nov. Die großen 'Soldatinnen' haben riesige Köpfe und verfügen über sehr kräftige Beißzangen - Foto: © Andrea Lucky

Muller-Range: Winzige, stachelbewehrte Ameise der Art Pheidole sp. nov.
- Die großen 'Soldatinnen' haben riesige Köpfe und verfügen über sehr
kräftige Beißzangen
Foto: © Andrea Lucky

CI-Wissenschaftler haben im Nakanai-Gebirge der riesigen Westpazifikinsel Neubritannien in Zusammenarbeit mit den örtlichen Gemeinden an drei Positionen von der Ebene bis in höchste Höhen neue, einheimische, zuvor nicht beschriebene Arten der rauhen Regenwaldberge untersucht und bewertet.

In den Nakanai-Bergen befinden sich einige der größten unterirdischen Flüsse der Erde und höchst spektakuläre Höhlensysteme, die Grund für ihre Nominierung zum Weltnaturerbe durch Neuguineas Umwelt- und Naturschutzministerium waren.

Besondere Höhepunkte der Nakanai-Erkundungen waren die Entdeckung eines neuen, schönen gelbgefleckten Froschs (Platymantis sp. nov.), der nur hoch oben in den Bergen der feuchten Regenwälder zu finden ist, sowie ein seltsamer kleiner Frosch der Gattung Ceratobatrachus (Batrachylodes sp. nov.), der gerade mal zwei Zentimeter lang ist.

Stark ornamentierter braun-grüner Frosch (Platymantis sp. nov.). Die Jungtiere entwickeln sich an Land direkt aus dem Ei - Foto: © Stephen Richards, CI Rechts: kleiner brauner Frosch mit stumpfer Schnauze (Batrachylodes sp. nov.). Er wird gerademal 2 cm lang und gehört zu einer Gattung, die bisher nur von den Salomonen bekannt war - Foto: © Stephen Richards, CI

Links: Platymantis sp. nov. - die Jungtiere entwickeln sich an Land direkt aus dem Ei
Foto: © Stephen Richards, CI

Rechts: Batrachylodes sp. nov. wird gerademal 2 cm lang und gehört zu einer Gattung, die bisher nur von den Salomonen bekannt war
Foto: © Stephen Richards, CI

Anders als die meisten seiner Verwandten, die nachts nach Weibchen rufen, umwirbt sie der neue Ceratobatrachid spätnachmittags nach durchnässenden Tropenstürmen mit seinem Ruf. CI-Herpetologe und RAP-Teamleiter Stephen Richards beschrieb dieses als die aufregendste und überraschendste herpetologische Entdeckung der Expedition, weil das Tier zu einer Froschart gehört, die bislang nur von den Solomonen-Inseln weiter östlich bekannt war.

Im Nakanai-Gebirge wurde darüber hinaus eine Maus mit weißer Schwanzspitze entdeckt, die am höchstgelegenen Erkundungsort (1590 m über dem Meeresspiegel) gefangen wurde. Auch wenn sie den Baummäusen aus Neuguinea ähnelt, die ihren Schwanz zum Greifen benutzen, so die Wissenschaftler, hat diese bemerkenswerte neue Art keine bekannten engen Verwandten und repräsentiert eine völlig neue Gattung.

Bergmaus: die lange weiße Schwanzspitze unterscheidet sie von allen anderen Mausarten in dem Gebiet - Foto: © Stephen Richards, CI

Bergmaus: die lange weiße Schwanzspitze unterscheidet
sie von allen anderen Mausarten in dem Gebiet
Foto: © Stephen Richards, CI

Richards erklärte: "Da die Nakanai-Berge sowie der Muller-Range auf der Antragsliste für das UNESCO-Weltnaturerbe stehen, hoffen wir, daß die Nachricht über diese neuen, bemerkenswerten Arten die Nominierung dieser spektakulären Naturgebiete für das Weltnaturerbe unterstützt."

Auf der Muller-Expedition im September 2009 verbrachten CI-Entomologin und RAP-Direktorin Leeanne Alonso und weitere Forscher jeweils eine Woche in jedem der drei Lager in 500, 1.600 und 2.875 Meter Höhe, um die Bandbreite der Lebensräume und biologischen Vielfalt dieser unterschiedlichen Höhenlagen zu dokumentieren, und stießen nach Alonsos Worten auf eine "spektakuläre Bandbreite" neuer Ameisen, Spinnen, Frösche und Heuschecken.

Auf den Muller-Expeditionen wurde eine wundervoll gemusterte, smaragdgrüne Heuschrecke dokumentiert (Mossula sp. nov. 1), eine Heuschrecke mit leuchtend rosa Augen, die in den Baumwipfel lebt (Caedicia), und eine Heuschrecke mit dornigen Beinen (Mossula sp. nov.), die über einen besonders interessanten Verteidigungsmechanismus verfügt: Wenn sie bedroht wird, schlägt sie mit ihren ungewöhnlich großen und dornenbewehrten Beinen vertikal über ihren Kopf nach oben gegen den Räuber aus - eine Reaktion, die RAP-Wissenschaftler Piotr Naskrecki aus erster Hand als "sehr schmerzhaft" beschrieb.

Mossula sp. nov. - die dunkle Smaragdfärbung wurde an einer Heuschrecke noch nicht beobachtet - Foto: © Piotr Naskrecki/iLCP Grüne Blattheuschrecke mit pinkfarbenen Augen. Die Gruppe, der sie angehört, ist kaum erforscht, da sie in den Baumwipfeln lebt und schwer zu fangen ist - Foto: © Piotr Naskrecki/iLCP Heuschrecke mit Dornenbeinen - fünf neue Arten dieser Gattung wurden auf der Muller-Range-Expedition entdeckt - Foto: © Piotr Naskrecki/iLCP

Links: Mossula sp. nov. - Die dunkle Smaragdfärbung wurde an einer Heuschrecke noch nicht beobachtet.
Foto: © Piotr Naskrecki/iLCP

Mitte: Blattheuschrecke - die Gruppe, der sie angehört, ist kaum erforscht, da sie in den Baumwipfeln lebt und schwer zu fangen ist.
Foto: © Piotr Naskrecki/iLCP

Rechts: Heuschrecke mit Dornenbeinen - fünf neue Arten dieser Gattung wurden auf der Muller-Range-Expedition entdeckt
Foto: © Piotr Naskrecki/iLCP


Im Rahmen dieser Studien wurde auch eine extrem üppig blühende, neue Rhododendronart mit spektakulär großen, weißen Blüten entdeckt. Rhododendron ist aufgrund seiner dekorativen Eigenschaften eine der gefragtesten Pflanzenarten in Südostasien und Melanesien; und Neuguinea ist ein wohlbekanntes Biodiversitätszentrum dieser Pflanzen.

Rhododendron sp. nov.: Rhododendron mit weißen, langen Blüten aus dem Muller-Range - Foto: © Wayne Takeuchi

Rhododendron sp. nov., Muller-Range
Foto: © Wayne Takeuchi

Die einzige Möglichkeit, diese entlegenen Gebiete zu erreichen, war eine Kombination von kleinem Flugzeug, Dinghy, Fußweg oder Hubschrauber, der großzügigerweise von der nahgelegenen Porgera-Mine zur Verfügung gestellt wurde. Aber die Unwirtlichkeit und schwere Erreichbarkeit Papua Neuguineas könnte in vielen Teilen des Landes, in denen noch soviel zu entdecken bleibt, der stärkste Verbündete des Naturschutzes sein. Gleichzeitig sind viele Wälder Neuguineas nicht nur durch die Subsistenzlandwirtschaft, sondern neuerdings durch Holzschlag und Palmölproduktion in wachsendem Maße bedroht.

In den Nakanai-Bergen hat sich CI-Papua Neuguinea bereits gemeinsam mit der Provinzregierung von Ost-Neubritannien und örtlichen Gemeinden für den Schutz eines Regenwaldgebietes eingesetzt, in dem nach Willen der Gemeinden auf ihrem angestammten Land keine Abholzung stattfinden soll. Nach den RAP-Erkundungen erklärten Mitglieder der örtlichen Gemeinschaften sowohl aus Nakanai als auch aus Muller, sie seien bereit, bei jedem potentiellen Projekt mitzuarbeiten, das nicht auf die Zerstörung ihres Waldes hinauslaufe, und daß richtiges Management und Schutz ihrer traditionalen Waldressourcen höchste Priorität besitzen.

"In Papua Neuguinea ist praktisch jeder Ort einzigartig und hat eine unglaubliche Biodiversität. Wir sind weit davon entfernt, das ökologische Mosaik unseres Landes zu verstehen, das sich vor unseren Augen verändert.", erklärte der Direktor von CI-Papua Neuguinea, David Mitchell. "Wir hoffen also, die Naturverbundenheit der Gemeinschaften, mit denen wir zusammenarbeiten, die sich sozialem Wandel und Entwicklungsdruck ausgesetzt sehen, zu würdigen und dies in einer Ausgewogenheit von Naturschutzhandeln und Auskommen so zur Grundlage zu machen, daß es auch in Zukunft von Bestand ist.

Muller-Range: Der winzige braune Frosch mit spitzer Schnauze (Choerophryne sp. nov.) hat bequem auf einem Fingernagel Platz - Foto: © Piotr Naskrecki/iLCP

Muller Range: Winziger Frosch mit langer Nase (Choerophryne sp. nov.)
Foto: © Piotr Naskrecki/iLCP

Noch in diesem Monat werden Führungsmitglieder von CI und A Rocha auf der 10. Konferenz der Vertragsstaaten zur Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) in Nagoya, Japan, mit internationalen Führungspersönlichkeiten aus Regierungen, aus dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft zusammentreffen, um über das akute Artensterben zu beraten und neue Ziele zum Erhalt der Biodiversität der Erde festzulegen. CI wird das hochgesteckte, aber erreichbare neue Ziel unterstützen, mindestens 25 Prozent des Landes und der Binnengewässer der Erde und 15 Prozent der Meeeresökosysteme bis 2020 unter Schutz zu stellen.

"Fraglos sind die Entdeckungen, die wir während der beiden Feldstudien gemacht haben, zum einen aufgrund der großen Zahl der registrierten neuen Spezies und zum anderen aufgrund der neu identifizierten Gattungen von unglaublicher Wichtigkeit", erklärte Leeanne Alonso, deren Programm zur Schnelleinschätzung (Rapid Assessment Program, RAP) seit 1990 bei CI neue Arten dokumentiert. "Auch wenn sie sehr ermutigend sind, bedeuten diese Entdeckungen nicht, daß unsere globale Biodiversität außer Gefahr ist. Im Gegenteil, sie sollten als ein warnender Hinweis dienen, wie wenig wir noch immer über die nach wie vor versteckten Geheimnisse und wichtigen Naturressourcen der Erde wissen, die wir nur mit koordinierten, langfristigen Maßnahmen erhalten können."

Die beiden Untersuchungen wurden gemeinsam von Conservation International und A Rocha International durchgeführt, mit Mitteln, die aus einer großzügigen Spende der Hans Wilsdorf Foundation stammen. Professor Sir Ghillean Prance, Vorstandsvorsitzender von A Rocha International erklärte das Interesse, das seine Organisation daran hat, nach neuen Arten zu suchen:

"Als Christen glauben wir, daß wir dazu aufgerufen sind, für die Schöpfung zu sorgen und ums darum zu kümmern, daß das Leben auf der Erde - ganz gleich, wie unbedeutend eine bestimmte Art zu sein scheint - geschützt und respektiert wird," erklärte Prance. "Wir sind zudem überzeugt, daß wir verpflichtet sind, den ärmsten Mitgliedern unserer Gesellschaft zu helfen, deren Versorgung oftmals mit der Nutzung von Naturressourcen verbunden ist, da die Ärmsten meist am engsten mit der Natur leben und ihr tägliches Auskommen von ihr abhängt. Deshalb ist diese Arbeit für uns von immenser Wichtigkeit, und wir freuen uns über die Partnerschaft mit CI und die gemeinsame Bekanntgabe neu entdeckter Arten."

A Rocha International ist jetzt weiterführend in Papua Neuguinea tätig, um einen langfristigen Schutz der Wälder zu erreichen, deren Erhalt - wie bewiesen wurde - von großer Wichtigkeit ist.


Organisationen:

Conservation International (CI): Auf der Grundlage von Wissenschaft, Partnerschaft sowie Beispielen aus der Feldforschung bietet CI der Gesellschaft ein starkes Fundament, auf verantwortungsvolle und nachhaltige Weise zum Wohle der Menschheit für die Natur und die weltweite Biologische Vielfalt sorgen. Mit Hauptsitz in Washington DC, arbeitet CI in über 40 Ländern auf vier Kontinenten.
Weitere Informationen unter www.conservation.org

A Rocha International (ARI)
ist im Vereinigten Königreich als Wohlfahrtsorganisation registriert und koordiniert und unterstützt die Arbeit der 19 nationalen A Rocha-Organisationen. Geleitet wird sie von eine einem exzellenten Sachwalterteam unter Vorsitz von Professor Sir Ghillean Prance FRS, vormals Direktor der Königlichen Botanischen Gärten in Kew, und einem Beirat, dessen Mitglied unter anderem Dr. Simon Stuart ist, der Vorsitzende der Species Survival Commission der IUCN. A Rocha ist eine christliche Organisation, getragen von einer biblischen Sorge für die Natur, die aber auch mit Menschen anderen Glaubens oder ohne Glauben zusammenarbeitet. Die Naturschutzprojekte sind so beschaffen, daß sie allen Mitgliedern der beteiligten Gemeinschaften nützen. A Rocha International ist auch Mitglied der Weltnaturschutzunion (IUCN), des European Habitats Forums, von Eurosite und der Gruppe für Armut und Naturschutzbildung des Internationalen Instituts für Umwelt und Entwicklung (IIED).
www.arocha.org

Das PNG Institut für Biologische Forschung (PNG-IBR)
ist eine gemeinnützige Organisation zum Aufbau von Wissenschafts- und Forschungskompetenz in Papua Neuguinea und hat sich einer integrativen Herangehensweise an den Erhalt der biologischen Vielfalt durch Forschung, Kompetenzförderung und Reichweite verschrieben.
http://www.pngibr.org


[1] http://www.conservation.org/explore/discoveries/about/Pages/about.aspx

[2] http://www.arocha.org/int-en/index.html

MEHR ERFAHREN: Warum wir suchen
http://www.conservation.org/explore/discoveries/about/Pages/why.aspx

VERTIEFUNG: Liste aller entdeckten Arten
http://www.conservation.org/explore/asia-pacific/png/muller_range/Pages/all_species.aspx


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

FRS - Fellow of the Royal Society: Mitglied der Royal Society zur Förderung der Wissenschaften
PNG: Papua Neuguinea

Englischer Originaltext unter:
http://www.conservation.org/newsroom/pressreleases/Pages/New_Species_Papua_New_Guinea_Muller_Nakanai.aspx


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Quelle:
CI-Pressemitteilung, 06.10.2010
Conservation International
2011 Crystal Dr. Suite 500
Arlington, VA 22202 United States
Phone: 1 (703) 341-2400
www.conservation.org
mit freundlicher Genehmigung von Conservation International
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2010