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ORNITHOLOGIE/158: Spottdrosseln - Einzelne Menschen werden erkannt (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2009

Ornithologie aktuell

Spottdrosseln: Einzelne Menschen werden erkannt


Nordamerikanische Spottdrosseln (Mimus polyglottos) gelten als besonders neugierig und zuweilen wenig scheu. Nun zeigte sich, dass sie sogar verschiedene Personen unterscheiden und wiedererkennen können, nämlich aus mehreren Tausend Menschen diejenigen, die zuvor ihr Nest bedrohten. In Gainesville (Florida) ging ein Freiwilliger vier Tage zu einem Nest, wartete dort 30 Sekunden, berührte es mit der Hand, die er dann hob, um deutlich auf sich aufmerksam zu machen. Die Vögel reagierten auf diese Störung individuell und konnten potenzielle Angreifer schon sehr früh identifizieren. An vier aufeinanderfolgenden Tagen wiederholte man die Prozedur am Nest, wobei die Personen täglich ihre Kleidung variierten und sich aus verschiedenen Richtungen heranwagten. Trotz der unterschiedlichen Erscheinung erkannten die Spottdrosseln die "Nesträuber" unter zahlreichen Passanten wieder, mit jedem Tag nahm das Drohverhalten der Vögel zu. Schon bei größeren Entfernungen des "Eindringlings" verließen sie ihr Nest, stießen zunehmend Warnschreie aus und griffen öfter an. Griff der Vogel das erste Mal an, als sich der Eindringling auf fünf Meter dem Nest genähert hatte, startete er seinen Angriff drei Tage später bereits, als der Eindringling noch 15 Meter vom Nest entfernt war. Wurde der Eindringling schließlich ausgewechselt, ließ die Drossel ihn wieder auf fünf Meter herankommen, bevor sie angriff. Der Versuch wurde an Orten wiederholt, an denen sich viele Menschen aufhielten und die Vögel einzelne Menschen aus vielen erkennen mussten. Dort waren die Drosseln erstaunlicherweise weniger aggressiv. Wenn es sich um eine andere Person handelte, zeigten die Spottdrosseln nur schwaches Drohverhalten. Sie äußerten wenige Alarmrufe, sträubten kaum ihr Gefieder und verließen erst im letzten Augenblick ihr Nest, um das Gelege vor dem Angreifer zu schützen. Offenbar können die Vögel potenzielle Störenfriede gezielt wahrnehmen und erstaunlich schnell lernen, die Gefahr, die von verschiedenen Angreifern ausgeht, einzuschätzen und ihr Abwehrverhalten entsprechend anzupassen. (wir)

D. Levey u. a. Proc. Nat. Ac. Sc.
Online-Vorabversion: doi 10.1073/pnas.0811422106, 2009


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 8/2009
56. Jahrgang, August 2009, S. 283
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2009