Universität Basel - 24.02.2015
Weltweit neue Zikadenart in der Südschweiz und Italien entdeckt
Sie zählen zu den bekanntesten, grössten und lautesten Insekten - und
doch sorgen sie immer wieder für Überraschungen: Forscher der Universität
Basel haben in Italien und der Südschweiz eine neue Singzikade entdeckt. Das
Tier mit vier Zentimetern Flügelspannweite und seinem hohen Gesang wurde
«Italienische Bergzikade» (Cicadetta sibillae) getauft. Sie ist eine von
nur zehn Singzikadenarten in der Schweiz.
Der dunkle Körper und die glasigen Flügel verrieten die neue Art noch
nicht, denn Bergzikaden - eine Untergruppe der Singzikaden - lassen sich
kaum an ihrem Aussehen unterscheiden. Entscheidend war ihr Gesang, bei dem
sich in einem komplizierten Muster Ziehlaute und schnelle, rhythmische
Phasen abwechseln. Für ihren Befund hatten die Forscher eingehende
Analysen der Genetik, der Morphologie und vor allem des Gesangs
vorgenommen. Das Team um Doktorand Thomas Hertach und Prof. Peter Nagel
von der Forschungsgruppe Biogeographie der Universität Basel mit Kollegen
in Slowenien und den USA hat seine Studie im Fachblatt «Zoological Journal
of the Linnean Society» veröffentlicht.
Die bevorzugten Lebensräume der neu entdeckten Bergzikadenart sind lichte, warme Laubwälder und Magerwiesen mit viel Gebüsch. Die Tiere singen auf Sträuchern oder sogar im Gras und ernähren sich von Pflanzensäften. «Im Nordapennin ist Cicadetta sibillae die häufigste Singzikade überhaupt», zeigt sich der Entdecker Thomas Hertach erstaunt.
Das Verbreitungsgebiet der «Italienischen Bergzikade» erstreckt sich von Neapel bis in die Südschweiz. Hier kommt sie in einem knappen Dutzend Populationen im Tessin und zwei winzigen Beständen im Bündner Misox vor. Die Tessiner Population vom Monte San Giorgio gehört dabei alpenweit zu den individuenreichsten. Dagegen steht die Art in Graubünden - bereits so kurz nach ihrer Entdeckung - vor dem Aussterben. Erste Schutzmassnahmen in Zusammenarbeit mit dem Kanton und Pro Natura sind geplant.
Die Forscher gehen davon aus, dass sich die neue Zikadenart vor mindestens 1 Mio. Jahren während der Eiszeiten gebildet hat und ihr Ursprung in milden Rückzugsgebieten Italiens liegt. Sie unterscheidet sich in allen Untersuchungen konstant von einer nah verwandten Art aus den Pyrenäen, von der sie über 450 Kilometer weit getrennt lebt. «Weil die Unterschiede klein sind, mussten wir sehr umfangreiches Datenmaterial im Feld zusammentragen und analysieren», sagt Thomas Hertach, der sich seit über einem Jahrzehnt der Zikadenforschung widmet.
Singzikaden besitzen am Hinterleib ein Organ mit Platten, die durch einen Muskel in Schwingung versetzt werden; ein Luftsack sorgt für die nötige Resonanz. Die Gesänge dienen den Männchen, um Weibchen anzulocken, und sind für jede Art typisch. Der Schweizer Forscher Johann Jacob Bremi beschrieb schon 1849, dass Bergzikaden sehr verschieden singen können. Doch sein Wissen geriet lange in Vergessenheit: Erst ab 2000 haben akustische Studien gezeigt, dass Bergzikaden europaweit aus einer Gruppe von unterschiedlichen Arten bestehen.
Originalbeitrag
Hertach T, Trilar T, Wade EJ, Simon C, Nagel P, 2015.
Songs, genetics, and morphology: revealing the taxonomic units in the
European Cicadetta cerdaniensis cicada group, with a description of new
taxa (Hemiptera: Cicadidae).
Zoological Journal of the Linnean Society 173(2): 320-351, Append. S1-3;
DOI: 10.1111/zoj.12212
Weitere Informationen unter:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/zoj.12212/abstract
- Abstract
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution74
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Basel, lic. phil. Christoph Dieffenbacher, 24.02.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2015
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