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ZOOLOGIE/812: Zweiflügler mit "zwei Gesichtern" (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 12.02.2010

Zweiflügler mit "zwei Gesichtern"

Zoologen der Universität Jena rekonstruieren in DFG-gefördertem Projekt Evolution von Insekten


Jena (12.02.10) Ihnen haftet ein klassisches Negativ-Image an: Unter den mehr als eine Million Insektenarten zählen die "Diptera" (zu Deutsch: Zweiflügler) nicht eben zu den Sympathieträgern. "Zu dieser Insektenunterordnung gehören Mücken und Fliegen und die sind in erster Linie lästig und als Überträger von Krankheiten bekannt", weiß Insektenforscher Prof. Dr. Rolf Beutel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. In Anbetracht der Tatsache, dass allein ein Drittel der Menschheit permanent von Malaria bedroht ist - einer von Mücken übertragenen Krankheit -, sei die Abneigung gegenüber den Dipteren durchaus berechtigt, räumt der Professor für Zoologie und Entomologie ein. Allerdings spielen diese Insekten andererseits auch eine wichtige Rolle in der Natur: Fliegen dienen - neben Bienen und Schmetterlingen - als Blütenbestäuber. Ihre Larven (beinlose Maden) beseitigen Fäkalien und Kadaver und sind daher wichtige Bindeglieder in den Stoffkreisläufen von Ökosystemen.

Prof. Beutel und sein Team interessiert sich für die Zweiflügler mit den "zwei Gesichtern" jedoch aus einem anderen Grund. "Es handelt sich um eine in ihrer Evolution höchst erfolgreiche Insektengruppe", macht der Wissenschaftler von der Uni Jena deutlich. Mehr als 120.000 Arten sind bislang beschrieben. Was die Diptera - neben der Zweiflügligkeit - auszeichnet, ist die außerordentliche Vielseitigkeit und Vielgestaltigkeit der Maden und der hoch-spezialisierte Saug- und Stechapparat. "Wir werden herausfinden, wie sich diese Phänomene in der Stammesgeschichte der Gruppe entwickelt haben und zu ihrer ,Erfolgsstory' beigetragen haben", erläutert Prof. Beutel. Grundlage für diese Untersuchungen wird ein rekonstruierter Stammbaum sein, der die bisher unklaren frühen Verzweigungen innerhalb der Dipteren zeigt.

Diesen Aufgaben wollen sich Beutel und sein Team in den kommenden drei Jahren in einem neuen Forschungsprojekt stellen. Mittels eines hochauflösenden bildgebenden Verfahrens - der Mikro-Computertomographie (Mikro-CT) - werden sie die spezielle Morphologie der Dipteren untersuchen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Vorhaben der Zoologen von der Uni Jena mit rund 150.000 Euro.

"Wir gehören zu den weltweit führenden Gruppen auf dem Gebiet der Insektenmorphologie", unterstreicht Projektleiter Beutel. So wenden die Jenaer Entomologen mit der Mikro-Computer Tomographie ein Verfahren an, mit dem sich schnell und sehr effizient morphologische Daten gewinnen lassen. Selbst Details von nur einem Mikrometer (Tausendstel Millimeter) werden mit dieser Methode sichtbar. Damit wollen die Zoologen im Rahmen des aktuellen Forschungsprojekts neben heutigen Dipteren, wie Schnaken, Stechmücken oder Gnitzen, auch fossile Vertreter, die eingeschlossen in Bernstein konserviert worden sind, sprichwörtlich unter die Lupe nehmen. Zu den anatomisch-morphologischen Aufnahmen aus Jena werden Kooperationspartner aus den USA und Singapur molekularbiologische Daten beisteuern. "Alle Ergebnisse zusammen werden uns erlauben, die frühe Evolution dieser Insektenordnung zu rekonstruieren", ist Prof. Beutel überzeugt.

Quasi als "Nebenprodukt" des aktuellen Forschungsprojekts erwartet der Entomologe einen elektronischen anatomischen Atlas von Drosophila melanogaster. Die Tau- oder auch Fruchtfliege ist nicht nur im heimischen Obstkorb weit verbreitet sondern als Modellorganismus in zahlreichen Forschungslabors zu Hause. "Wir wollen einen dreidimensionalen Atlas von Drosophila im Insekten- und Larvenstadium erstellen", kündigt Beutel an. Der interaktive Atlas wird es jedem Wissenschaftler ermöglichen, seinen Modellorganismus "in- und auswendig" am PC zu studieren. Dank der hochauflösenden Mikro-CT-Aufnahmen kombiniert mit histologischen Schnitten lassen sich Organe, Gewebe und Strukturen in bisher beispielloser Präzision erfassen und darstellen.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Ute Schönfelder, 12.02.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2010