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BERICHT/024: Die Ringelungsversuche von Heinrich Cotta (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 1 vom 15. Januar 2008

Die Ringelungsversuche von Heinrich Cotta
Wissenschaftler als Namensgeber in der Geschichte der TU Dresden (13)

Von Klaus Lochmann


Heinrich Cotta wurde am 30. Oktober 1763 im herzoglich Sachsen-Weimarischen Zillbach bei Wasungen als einziger Sohn des Forstbedienten Nicolaus Cotta geboren. Die unmittelbare Nähe zum Wald, seine frühe Einbeziehung in die Reviergänge des Vaters, verbunden mit einer nachfolgenden soliden praktischen forst- und jagdlichen Ausbildung, weckten Cottas naturkundliches Interesse und prägten seinen weiteren Lebensweg. 1784 bis 1785 studierte er an der Universität Jena Naturgeschichte, Mathematik und Kameralwissenschaften.

Während der sich anschließenden Tätigkeit als "forstlicher Landvermesser" in seiner engeren Heimat unterrichtete er seine jungen Mitarbeiter, aber auch interessierte Jäger in Vermessungswesen und der Forstwirtschaft. 1794 wurde die sich daraus entwickelnde Schule als Forstlehranstalt unter den Schutz Herzog Carl Augusts gestellt und öffentlich bekannt gemacht.

Cotta war bestrebt, was damals nicht alltäglich war, seinen Hörern auch neueste wissenschaftliche Kenntnisse aus der Forstbotanik und der Physiologie der Holzpflanzen zu vermitteln. In seinem Vorlesungsmanuskript findet man die Namen der bedeutendsten Botaniker des 18. Jahrhunderts (Bonnet, Du Hamel, Malpighi, Grew, Hales, Major u. a.).

Die 1798 von der Kaiserlichen Akademie der Naturforscher zu Erlangen gestellte Preisfrage:

"In welchen der bekannten Hauptteile eines Gewächses, Rinde, Splint, Holz und Mark steigt der Saft in den Gewächsen aufwärts? Geht er in der Rinde wieder abwärts zu den Wurzeln und bis in dieselbe? Und wenn dieses ist, durch welche Weise gelangt er aus den inneren Teilen in die Rinde?" war willkommener Anlass, seine botanischen Studien in dieser Richtung fortzuführen.

Im Jahre 1800 reichte Cotta beim Preisgericht zum Thema eine wissenschaftliche Abhandlung einschließlich 25 Pflanzenpräparaten sowie einen gewünschten Nachtrag mit 15 weiteren Exponaten ein und wurde zum Preisträger erklärt.

Einen umfassenden Einblick in seine Untersuchungen gibt das 1806 dazu erschienene Buch mit dem Titel "Naturbeobachtungen über die Bewegung und Funktion des Saftes in den Gewächsen mit vorzüglicher Hinsicht auf Holzpflanzen" zuzüglich einer Mappe mit 70 Pflanzenpräparaten.

Der erste Teil des Buches ist der eigentlichen Preisfrage gewidmet.

Bei seinen Untersuchungen über die Bewegung der Pflanzensäfte setzte Cotta die Saftbewegung als Lebenstätigkeit der Pflanze voraus und fragte nicht, wodurch diese wirkt, sondern nur wie sie sich äußert. Den Weg des aufsteigenden "rohen" Saftes im Holz und bis in die Blattkanäle machte Cotta durch Färbung der Leitungsbahnen kenntlich. Für die Erkenntnis, dass der Saft, der aus den Blättern wieder zurückströmt, eine völlig andere Beschaffenheit aufweist ("Bildungssaft"), schlussfolgerte er auch ohne Kenntnis der Kohlensäureassimilation auf eine annähernd richtige Vorstellung von der Funktion der Blätter.

Durch Ringelungsversuche wies er nach, dass die Abwärtsbewegung des "Bildungssaftes" außerhalb des Holzkörpers in der Rinde erfolgen muss. Da die Differenzierung der Gefäßbündel noch nicht bekannt war, konnte Cotta die eigentlichen Bahnen des "Bildungssaftes" nicht erkennen. Weitere Versuche mit Einschnitten, Spiralringelungen usw. belegten, dass sowohl der "rohe" als auch der "Bildungssaft" sowohl seitwärts als auch in jeweils entgegengesetzter Richtung in den Markstrahlen strömen können, und er schlussfolgerte daraus, dass auch die Saftzirkulation ein Kreislauf ist.

Im zweiten Teil des Buches sind die Grundzüge einer pflanzenphysiologischen Betrachtung enthalten, nämlich die wichtigsten Funktionen des Saftes bezüglich Entwicklung und Wachstum der Pflanzen (Samenentwicklung, Knospenbau und -entwicklung, Längen- und Dickenwachstum, Blüten- und Fruchtbildung sowie Fortpflanzung). Von zeitgebundenen Irrtümern abgesehen, sind eine Vielzahl richtiger Beobachtungen und Anregungen aufgeführt. Cotta verwirft die Präformationstheorie, nach welcher die zukünftige Pflanze mit all ihren Teilen in unendlicher Kleinheit bereits im Samenkorn enthalten sei. Er stellt die Unterschiede zwischen Wurzel und Spross besonders heraus und widmet dem Dickenwachstum große Aufmerksamkeit. Ohne das Vorhandensein des Kambiums erkannt zu haben, vermutet Cotta die "Werkstatt" für Holz und Rinde zwischen denselben und fand somit eine plausible Erklärung für die Jahrringbildung. Cotta wies auch nach, dass in dem der Blüte vorausgehenden Sommer deren Anlage erfolgt.

Die Erfahrung und Beobachtung war für Cotta Ausgangspunkt aller seiner Überlegungen. Seiner Grundeinstellung, bei misslungenen Versuchen deren natürliche Ursachen herauszufinden, mehr der Natur zu folgen, die sich keine Gesetze vorschreiben lässt, ist er immer treu geblieben.

Mit seiner exakten empirischen Forschung sind nicht nur der Forstbotanik, sondern der damals noch jungen Forstwissenschaft neue Wege zum wissenschaftlichen Fortschritt gewiesen worden.

1811 folgte Cotta einer Berufung auf die vakante Stelle des Direktors der Forstvermessungs- und Taxationsanstalt Sachsens. Als Wohn- und Arbeitssitz, auch für seine mit überführte Lehranstalt, wählte er Tharandt.

In nur 20 Jahren wurden die ca. 150.000 ha großen sächsischen Staatswaldungen vermessen, eingeteilt und taxiert. Damit wurden die Grundlagen einer nachhaltigen und geregelten forstlichen Produktion geschaffen. Die durch Anlage eines Flügel- und Schneisennetzes vorgenommene Waldeinteilung in betriebswirtschaftlich überschaubare Wirtschaftseinheiten (Abteilungen) von etwa 30 ha Größe hat sich bis heute bewährt.

Mit den Absolventen seiner Lehranstalt, die 1816 vom sächsischen Staat als Kgl. Sächs. Forstakademie übernommen wurde, verfügten Cotta und die sächsische Forstverwaltung über das notwendige wissenschaftlich gebildete Personal, um die Herausforderung seiner Zeit - Erhaltung, Mehrung und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder - zu meistern.

Heinrich Cotta war einer der wenigen Forstleute mit internationaler Geltung. Mit seinen Beiträgen zur Botanik, Forsteinrichtung und zum Waldbau schuf er die Grundlagen für eine geregelte Forstwirtschaft in Deutschland und Europa auf wissenschaftlicher Basis.

Neben dem fachlichen Können, einer Einheit von praktischer Erfahrung, wissenschaftlicher Denkweise und lebendiger Lehre, waren es auch die menschlichen Eigenschaften, die den Wert und die zeitlose Bedeutung der Persönlichkeit Cottas für die forstliche Welt prägten.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 1 vom 15.01.2008, S. 6
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2008