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BERICHT/028: Wo der Pfeffer wächst ... (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 3 vom 3. März 2009

Wo der Pfeffer wächst ...

TUD-Botaniker erforschen gemeinsam mit belgischen Experten die
Zwergpfeffer und entdecken in Bolivien fünfzehn neue Arten

Von Dr. Stefan Wanke


Seit mehreren Jahren beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe am Institut für Botanik der TU Dresden mit der Gattung Peperomia ("Zwergpfeffer"). Diese nächsten Verwandten des Pfeffers stellen eine bis heute noch relativ unerforschte Pflanzengruppe dar, die durch eine bemerkenswerte Arten- und Formenvielfalt gekennzeichnet ist (ca. 1600 Arten; zum Vergleich: es gibt ca. 250 Rosenarten). In tropischen Gebieten verbreitet, wachsen sie als Epiphyten vorrangig auf Bäumen. Seltener findet man Pflanzen auch auf dem Erdboden, dann aber oft an extremen Standorten wie beispielsweise in den Anden über 3000 m Höhe. Viele dieser Arten haben aufgrund ihrer Anpassung an die Trockenheit stark verdickte Blätter oder überleben die Kälteperioden in Form von Wurzelknollen im Boden. Aus diesem Grunde ist die Gattung Peperomia als Modellorganismus für viele andere Gattungen von großer Bedeutung. Trotz ihrer Vielfalt oder gerade deshalb wurde diese Gattung in der Vergangenheit kaum untersucht.

1794 wurde Peperomia erstmals beschrieben. Die einzige umfangreiche und bis heute richtungweisende Systematisierung stammt aus dem Jahre 1900. Deshalb riefen 2002 Wissenschaftler der Universität Dresden und der Universität Gent (Belgien) ein Kooperationsprojekt ins Leben mit dem Ziel, sich dieser Pflanzengruppe verstärkt anzunehmen und deren Systematik, Verwandtschaft und Evolution mit Hilfe neuester Methoden zu erforschen. Als Grundlage sollten Stammbäume aus etwa einem Viertel aller bekannten Peperomia-Arten dienen und durch DNA-Sequenzvergleiche untersucht werden.

Eine zu meisternde Hürde zeigte sich bald bei der Beschaffung geeigneten Pflanzenmaterials zur DNA-Gewinnung, da Herbarbelege, welche manchmal über 100 Jahre alt waren, dafür nicht mehr genutzt werden konnten. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Kernprojekt sollten deshalb Exkursionen nach Mexiko (2007), Bolivien (2008) und Peru (2009), in die Regionen also, die die höchste Artenzahl der Gattung aufweisen, unternommen werden. Zudem sollten lebende Pflanzen nach Europa transportiert werden, um sie in den botanischen Gärten Gent und Dresden für wissenschaftliche Zwecke zu kultivieren.

Um den Erfolg solcher Reisen zu garantieren, mussten umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden. Für die Exkursion nach Bolivien beispielsweise mussten zunächst 100.000 Pflanzenbelege aus 48 Herbarien photographiert, digitalisiert und analysiert werden, um einen Überblick über das Vorkommen und die Verbreitung von Peperomia in diesem Gebiet zu bekommen. Ein positiver Nebeneffekt der langwierigen Vorarbeiten war der Vergleich der oft sehr alten Herbarbelege mit der tatsächlichen Situation vor Ort. Daraus ließen sich Aussagen über die fortschreitende Zerstörung der Lebensräume in den letzten hundert Jahren treffen. Allzu oft wurde auf früheren Sammelexkursionen die Erfahrung gemacht, dass die natürlichen Vorkommen der Pflanzen in den letzten Jahrzehnten durch die Ausbreitung menschlicher Siedlungen und der Landwirtschaft immer mehr zerstört wurden.

Einen weiteren und zeitraubenden Teil der Vorbereitungen nahmen Verhandlungen mit Behörden ein, um Sammel- und Exportgenehmigungen zu erhalten. Nach endlosen Formularen und Briefen machten sich im vergangenen Jahr je zwei Wissenschaftler der Universitäten Gent und Dresden auf die Reise nach Bolivien. Als erste Anlaufstelle und Basislager diente dabei das Nationalherbarium von Bolivien in der inoffiziellen Hauptstadt La Paz. Diese liegt zirka 4000 m über dem Meeresspiegel und raubt einem durch die dünne Höhenluft buchstäblich den Atem. Die bolivianischen Kollegen des Herbariums, welche bei den Vorbereitungen mit den Behörden sehr hilfreich waren, begleiteten die deutschen Wissenschaftler auf den Exkursionen. Da das Land sehr groß ist und der Sammelplan mehr als 177 verschiedene Arten aufwies, wurde beschlossen, die Gruppe in zwei deutsch-belgische Teams aufzuteilen. Gemäß einer vorher sorgfältig ausgearbeiteten Reiseroute sollte die eine Gruppe den Norden, die andere den Süden des Landes abarbeiten. Schon kurz hinter der Hauptstadt machte jedoch die einsetzende Regenzeit jegliche Planung zunichte. Da es sich bei Bolivien um das ärmste Land Südamerikas handelt, bestehen die meisten Straßen außerhalb größerer Städte aus unbefestigten Schlammpisten, welche in die steilen Hänge der Anden gegraben wurden. Der andauernde Regen sorgte immer wieder für Erdrutsche und Überflutungen, was die Wege zumeist unpassierbar machte. Eingeschlossen zwischen Felsbrocken und einer Schlammlawine, musste das Team sogar eine Nacht im Geländewagen verbringen, bis am nächsten Morgen freundliche Einheimische halfen, den Weg wieder freizuräumen.

Allerdings ließ die Schönheit der Natur solche Strapazen jeden Tag aufs Neue vergessen. Die steilen, dicht bewaldeten Hänge der Anden mit ihren tropischen Tälern boten atemberaubende Ausblicke auf zum Teil unerforschte Gebiete. Innerhalb nur einer Stunde war es dem Team möglich, von fast 5000 m hohen, kalten, alpinen Berggipfeln bis hinunter zu auf 1700 m gelegenen, heißen, tropischen Wäldern zu gelangen, in denen sich Millionen von Moskitos auf die wohlschmeckenden europäischen Besucher stürzten.

Die Menschen des Landes sind zwar sehr arm, aber umso freundlicher. Oftmals wurde gern und unkompliziert geholfen, wenn zum Beispiel wieder einmal der Geländewagen nicht weiter wollte. Besonders außerhalb der Städte sind fließendes sauberes Wasser und Strom eher die Ausnahme. Um diese menschlichen Siedungen herum ist die Zerstörung der Regenwälder allgegenwärtig. Viele Bäume fallen der Brandrodung zum Opfer, um den Nahrungsbedarf der stetig wachsenden Bevölkerung zu decken. Die entstehenden Plantagen sind allerdings nur wenige Jahre nutzbar, da der Regen die fruchtbare Erde an den Hängen der Anden sehr schnell abträgt. Somit müssen neue Waldgebiete gerodet werden, sodass man oft um Siedlungen herum mehr nackte Felsen als natürliche Vegetation sieht.

Wie schon auf der Reise nach Mexiko im Jahr zuvor konnten deshalb einige Arten nicht wiedergefunden werden. Trotz alledem konnten die Wissenschaftler nach sechs Wochen in Bolivien auf eine extrem erfolgreiche Exkursion zurückblicken. 216 Belege von zirka 150 verschiedenen Arten wurden gesammelt. 10 Prozent davon sind bislang unentdeckte, neue Arten und werden nun genauestens untersucht und beschrieben. Zurück in Europa bleibt nun Zeit, um die neuen Belege zu verarbeiten und die nächste Exkursion nach Peru vorzubereiten. Der Autor bedankt sich recht herzlich bei der Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU für die finanzielle Unterstützung der Reise.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 20. Jg., Nr. 4 vom 03.03.2009, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2009