Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → BOTANIK

BERICHT/029: 400 Jahre Botanischer Garten in Gießen (idw)


Justus-Liebig-Universität Gießen - 17.03.2009

400 Jahre Botanischer Garten in Gießen

Ältester Garten mit neuestem System - Jubiläumsjahr mit zahlreichen Veranstaltungen - "Darwin-Pfad" als neue Attraktion


Die Gießener lieben ihn als Oase der Ruhe, die Wissenschaftler schätzen ihn als Fundus für Forschung und Lehre, die Politiker haben ihn zum Kulturdenkmal des Landes Hessen erklärt: Der rund drei Hektar große Botanische Garten zwischen Brandplatz, Senckenbergstraße und Ostanlage feiert in diesem Jahr sein 400-jähriges Bestehen - und ist damit der älteste Botanische Garten Deutschlands, der seit seinen Anfängen nicht verlegt wurde.

"Der älteste Garten mit dem neuesten System", sagt Botaniker Prof. Dr. Volker Wissemann (JLU): Als "Garten der Evolution" hat der Gießener Botanische Garten ein bundesweit einzigartiges Leitbild. Die über zahlreiche Etappen reichende Entwicklung des Gartens vom anfänglichen "Hortus medicus" über einen "Hortus systematicus" und "Hortus geographicus" zum "Garten der Evolution" soll schon in Kürze erste Veränderungen zeigen: Für die Gärtner heißt es, umzupflanzen, neu zu gruppieren und manches anders anzulegen. Profitieren sollen neben Studierenden und Forschenden auch interessierte Besucher. Sie können sich während ihres Rundgangs nicht nur von der Blüten- und Artenvielfalt bezaubern lassen, sondern gleichzeitig über die Mechanismen der Entstehung biologischer Vielfalt informieren.

Die Anfänge des Botanischen Gartens gehen auf das Jahr 1609 zurück, als Landgraf Ludwig von Hessen der zwei Jahre vorher gegründeten Universität ein Stück zum Alten Schloss gehörendes Parkgelände zur Einrichtung eines "Hortus medicus" (Heilpflanzengarten) überließ. Wer sich in diesen Anfangszeiten mit Pflanzen beschäftigte, der wollte in erster Linie Heilkräuter erkunden. Erster Leiter war der Professor der Medizin und Botanik Ludwig Jungermann (1609-1625).

Eine andere Entwicklung beeinflusste die Geschichte des Botanischen Gartens maßgeblich: In Deutschland gingen die Waldflächen als Folge von jahrhundertelangem Raubbau stark zurück. So wurde in Gießen 1802 unmittelbar nebenan ein Universitätsforstgarten errichtet, der später mit dem Botanischen Garten vereinigt wurde. Einige der alten Bäume des Gartens stammen aus dieser Zeit.

Unter dem Leiter Adolf Hansen (1891-1920) kam es zu einem besonderen Aufschwung des Gartens. Während die meisten Botanischen Gärten ihre Hauptaufgabe lange Zeit darin gesehen hatten, möglichst umfangreiche Pflanzensammlungen für Unterricht und Studien anzulegen, erarbeitete man nun Auswahlkriterien und bemühte sich, die Fülle der biologischen Diversität unter pflanzensystematischen Gesichtspunkten zu zeigen.

Rasch zur Hauptattraktion wurde in Gießen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein großes Überwinterungshaus, das 1904 eröffnet wurde. Am 6. Dezember 1944 fiel es den Bomben zum Opfer. Nach dem 2. Weltkrieg wurde, noch unter Küsters Ägide, mit dem Wiederaufbau des stark zerstörten Gartens begonnen, der unter der Leitung von Dietrich von Denffer (1951-1976) und Rüdiger Knapp (1976-1982) fortgesetzt wurde.

Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben die Botaniker in Gießen bewusst nicht. Ziel ist es vielmehr, den Garten mit einem klaren und innovativen Konzept als "Garten der Evolution" zu führen und damit eines der zentralen Forschungsthemen der Lebenswissenschaften an der JLU in Forschung und Lehre zu vermitteln. Die Sammlungen des Gartens sind Bestandteil internationaler Forschungsverbünde. Auf regionaler Ebene ist es eine der zentralen Aufgaben des Botanischen Gartens,, hochgradig vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten Hessens zu erhalten und nachzuziehen. Mit dieser Expertise und dem Herbarium der Universität Gießen ist der Garten in das neue Verbundprojekt zur Flora Hessens eingebunden.

Darüber hinaus versucht heute ein großes Team, im "Garten der Evolution" verschiedene Epochen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und "Biodiversität im Kleinen" zu zeigen. Von der "Gnade der kleinen Größe" spricht Prof. Wissemann: Nur unter solchen Vorzeichen ließen sich innovative Konzepte überhaupt umsetzen. Eines der Gewächshäuser wird zu einem Evolutionshaus umgestaltet, um in der Ausbildung der Studierenden, auf Führungen für Schüler und Lehrerfortbildungen die Entstehung des Pflanzenreichs begreifbar zu machen.

In das neue Gesamtkonzept fügt sich - passend zum Darwin-Jahr 2009 - der neue Evolutionsdenkpfad (kurz: "Darwin-Pfad") ein. Auf einem historisch geleiteten Sandweg durchläuft der Besucher Stationen, an denen er mit zentralen Fragen des Lebens konfrontiert wird. In Anlehnung an Darwins Sandpath in Down House, auf dem dieser während langer Wanderungen seine Ideen entwickelte, soll die intensive Beschäftigung mit existenziellen Fragen helfen, zu jeweils eigenen Lösungen zu kommen. Ungeachtet dieser jüngsten Neuerungen im Jubiläumsjahr versteht sich der Botanische Garten grundsätzlich als profilbildender Bestandteil des Universitäts-Zukunftskonzepts "Human life and its Resources".

Neben zahlreichen zusätzlichen Führungen wird es zum Jubiläum unter anderem eine Ringvorlesung und eine Ausstellung im Hauptgebäude geben. Offiziell wird das Jubiläum am 15. Mai mit einem Festakt in der Aula der Universität gefeiert. Einer breiten Öffentlichkeit will sich das "Geburtstagskind" am 17. Mai bei einem "Tag der offenen Tür" präsentierten.

14. April 2009:
Nächster Termin der Ringvorlesung "Universitäre Sammlungen":
"Das Ernst-Haeckel-Archiv und seine Bedeutung für die Evolutionsforschung"
(PD Dr. Uwe Hoßfeld, Universität Jena)
Botanisches Institut, Senckenbergstraße 17, 19 Uhr

15. Mai 2009:
Festakt mit Vortrag "400 Jahre Botanischer Garten Gießen"
(Prof. Dr. Wilhelm Barthlott, Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen, Bonn)
Aula, Uni-Hauptgebäude, Ludwgstraße 23, Gießen, 19 Uhr

Ab 15. Mai 2009:
Ausstellung "Ein Dutzend Blütenlesen"
(Rektorenzimmer, Uni-Hauptgebäude)

17. Mai 2009
Tag der offenen Tür

Führungen:
27. März, 19. Juni, 11. September jeweils um 15 Uhr
Eingang Sonnenstraße, sowie zahlreiche Sonntagsführungen des Freundeskreises

Öffnungszeiten des Botanischen Gartens:
vom 20. März bis 20. Oktober 2009
montags bis freitags 8 - 15.30 Uhr
samstags, sonntags und an Feiertagen 8 - 16 Uhr
(längere Öffnungszeiten im Sommer)

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-giessen.de/botanischer-garten

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution217


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Justus-Liebig-Universität Gießen, Lisa Dittrich, 17.03.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009