Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → BOTANIK

FORSCHUNG/192: Wie sich Pflanzen an wechselnde Lichtbedingungen anpassen (idw)


Ludwig-Maximilians-Universität München - 26.08.2009

Antennen auf Wanderschaft - Wie sich Pflanzen an wechselnde Lichtbedingungen anpassen


Mittels Fotosynthese produzieren grüne Pflanzen Kohlenhydrate - also Zucker - und Sauerstoff. Dabei sind sie auf Sonnenenergie angewiesen. Mit Hilfe einiger raffinierter Mechanismen können sie sich auch an wechselnde Lichtverhältnisse anpassen und so effizient Fotosynthese betreiben. Biologen um den LMU-Pflanzenwissenschaftler Professor Dario Leister haben nun einige dieser Anpassungsmechanismen aufgeklärt.

So spielt etwa das Enzym STN7 bei einer kurzfristigen Lichtanpassung, die innerhalb von Minuten abläuft, eine entscheidende Rolle. STN7 ist aber auch für die langfristige Regulierung über Tage hinweg wichtig. Die Signaltransduktionswege, die zur kurz- und langfristigen Anpassung führen, haben bis auf STN7 aber keinen weiteren Schritt gemeinsam. Zudem gelang dem Forscherteam der Nachweis, dass der kurzfristige Anpassungsprozess - anders als bislang vermutet - auch bei Blütenpflanzen zum Tragen kommt. "Diese Ergebnisse könnten künftig bei der Züchtung von Pflanzen helfen, die sich optimal an extreme oder stark wechselnde Lichtverhältnisse anpassen können", sagt Leister. (Plant Cell, 25. August 2009)

Pflanzen können unter extrem unterschiedlichen Lichtbedingungen gedeihen. Wachsen sie etwa an einem sonnigen Standort in Mitteleuropa erhalten sie rund 180 Mal soviel Licht wie am Boden des tropischen Regenwaldes. Aber auch an einem einzigen Standort schwanken die Lichtverhältnisse im Laufe eines Tages stark. Es ist bekannt, dass Pflanzen und Grünalgen über zwei Prozesse zur Anpassung an den Lichtwechsel verfügen. In ihren Chloroplasten, den für die Fotosynthese zuständigen Zellbestandteilen, befinden sich zwei sogenannte Fotosysteme. Diese Fotosysteme bestehen jeweils aus einem Kernkomplex und molekularen Antennen, den Lichtsammelkomplexen. Diese molekularen Antennen können jeweils Licht einer bestimmten Wellenlänge besonders effektiv "sammeln".

Herrscht nun etwa dunkelrotes Licht mit Wellenlängen um 700 Nanometer vor, wie dies etwa im Schatten der Fall ist, wird bevorzugt das Fotosystem I angeregt, dessen Antennen die Energie aufnehmen. Bei den sogenannten Zustandsübergängen oder "State Transitions" wird dann innerhalb von Minuten ein Teil der Antennen abgespalten: Dieser Teil wandert in den Chloroplasten zum Fotosystem II. "Die Lichtenergie wird auf diese Weise elegant verteilt und kann von der Pflanze optimal genutzt werden", sagt Professor Dario Leister, Leiter der Arbeitsgruppe "Fotosynthese, intrazelluläres Signalling und Genomevolution" am Department Biologie I der LMU. Die langfristige Lichtanpassung dauert dagegen Tage: Hier wird je nach Bedarf mehr von den Kernkomplexen von Fotosystem I oder Fotosystem II hergestellt.

Zusammen mit Forschern aus Jena und Mailand konnte Leisters Team nun erstmals einige Regulationsmechanismen der kurz- und langfristigen Anpassungsprozesse entschlüsseln. Mutanten der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) lieferten die entscheidenden Hinweise: Die Antennen dieser Pflanzen konnten nicht mehr wandern oder nicht mehr am Fotosystem II andocken, was kurzfristige Zustandsübergänge verhinderte. "Wir haben aber eine langfristige Lichtanpassung nachweisen können", berichtet Leister. Dieser Prozess läuft also unabhängig von der kurzfristigen Anpassung ab. Beiden Prozessen gemeinsam ist nur ihre Abhängigkeit von dem Enzym STN7, das erst vor wenigen Jahren in Leisters Labor gefunden worden war.

Bei Grünalgen können 80 Prozent der Lichtsammelkomplexe wandern, bei grünen Pflanzen sind es nur 20 Prozent. "Deshalb wurde lange vermutet, dass Zustandsübergänge bei den Blütenpflanzen von untergeordneter Bedeutung sind und nur bei schlechten Lichtbedingungen eine Rolle spielen", berichtet Leister, der diese Hypothese nun widerlegen konnte. "Wir haben uns Pflanzen angesehen, die entweder in der kurz- oder in der langfristigen Anpassung defekt waren, und zudem nur eingeschränkt Fotosynthese betreiben konnten. Zu unserer Überraschung wuchsen die in der kurzfristigen Anpassung defekten Pflanzen sehr viel schlechter. Sie konnten sich also deutlich schlechter an Lichtveränderungen anpassen und so die Sonnenenergie sehr viel weniger effizient nutzen." Auch Blütenpflanzen sind damit auf diese kurzfristigen Zustandsübergänge angewiesen.

Die Forscher konnten auch klären, wie die langfristige Anpassungsreaktion die Aktivität von Genen beeinflusst, um bedarfsgerecht mehr von den Fotosystemen zu schaffen: Demnach greift dieser Prozess bei Chloroplasten-Genen direkt bei der Transkription ein, während für Kerngene der Einfluss erst später stattfindet: hier wirkt die langfristige Anpassung erst nach der Transkription und damit erst nach dem ersten Schritt auf dem Weg zur Synthese von Proteinen. "All diese Ergebnisse sind wichtige Puzzlestücke, um zu verstehen, wie sich Pflanzen an äußere Lichtbedingungen anpassen", sagt Leister. "Dieses Wissen könnte in Zukunft helfen, Pflanzen zu züchten, die auch unter schwierigen Lichtverhältnissen optimal gedeihen." (CA/suwe)

Publikation:
"Arabidopsis STN7 Kinase Provides a Link between Short- and Long-Term Photosynthetic Acclimation";
Paolo Pesaresi, Alexander Hertle, Mathias Pribil, Tatjana Kleine, Raik Wagner, Henning Strissel, Anna Ihnatowicz, Vera Bonardi, Michael Scharfenberg, Anja Schneider, Thomas Pfannschmidt, Dario Leister; Plant Cell,
25. August 2009; DOI: 10.1105/tpc.108.064964

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution114


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 26.08.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2009