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KOMMENTAR/106: Fukushima - Nebelbomben (SB)


In Sachen Verschleierung wird ganze Arbeit geleistet - von Betreibern und Medien

Abflußrohr zum Pazifik - 300 Tonnen radioaktives Grundwasser fließen täglich ins Meer



Man könnte meinen, es sei still geworden um die havarierten Atomreaktoren in Fukushima.

Im unablässig fließenden, gleichmäßigen Strom der mehr oder weniger beunruhigenden Nachrichten über Mugawes Wiederwahl, die NSA Spähaffäre oder wechselseitige Spähverzichtsabkommen Deutschland/USA, Seehofers Pkw-Maut für Ausländer, eine neuerliche Norovirusinfektion, Hagelschäden in Niedersachsen und Sachsen, schlechte Ernteaussichten, Unwetterkatastrophen, bissigen Schildkröten in Badeseen, ein Schiffsunglück in den Niederlanden, Zweifel an der Durchführbarkeit der Energiewende usw., schlagen Nachrichten über 300 Tonnen radioaktiv kontaminiertes Grundwasser, das täglich in den Pazifik gelangt [1], kaum noch Wellen. Sie dümpeln mit den neu korrigierten Zahlen von 2000 Arbeitern, die im AKW Fukushima höchstgefährlichen Strahlungsbelastungen ausgesetzt wurden (Tepco hatte bis dahin nur von 178 Arbeitern gesprochen) [2] und der Nachricht über ein Kernkraftwerk in Taiwan, das über Jahre hinweg radioaktiv verseuchtes Wasser in die Umwelt entlassen haben soll [3] im Teich aktueller Meldungen über radioaktive Umweltverseuchungen dahin. Noch vor wenigen Jahren hätte jede einzelne dieser Nachrichten über nukleare Umweltschäden Schlagzeilen und eine Welle des öffentlichen Protests nach sich gezogen. Heute lockt es keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor.

Nachdem man bereits Tschernobyl ohne spürbare Folgen überleben konnte und Fukushima noch weiter weg ist, haben westeuropäische Energiewendler auch für die jüngste Pannenserie in den japanischen Atommeilern nur noch ein laues "Ooops!" [deutsch: Hoppla!] oder "shit happens!" [deutsch: Das kann doch jedem mal passieren!] übrig. Darüber hinaus vermitteln u.a. die Webseite "www.ava360.com", die Badegäste und spielende Kinder am Strand von Fukushima zeigt, und der Betreiber Tepco auf seiner Webseite gemeinsam mit der japanischen Regierung den Eindruck, daß trotz mancher Rückschläge, die auch scheinbar transparent gemacht werden, die Aufräumarbeiten in Japan im vollen Gange sind und alles unter Kontrolle sei. So wird in den Pressemitteilungen detailliert über die Befindlichkeitsstörungen und medizinische Versorgung eines in der Ruine beschäftigten Arbeiters berichtet, die korrigierten Zahlen von vermutlich mindestens 2000 krebsgefährdeten bzw. schon krebskranken Arbeitern sucht man dagegen vergeblich.

Das wissenschaftliche Komitee der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen von radioaktiver Strahlung (United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation, UNSCEAR) gab unlängst sogar eine umstrittene Studie heraus, nach der die Katastrophe vom März 2011 keine direkten Gesundheitsfolgen für die Bevölkerung habe. Die Weltgesundheitsorganisation und die Internationale Organisation Ärzte gegen Atomwaffen gehen von anderen Grundlagen aus. Sowohl aus dem WHO- als auch aus dem IPPNW-Report (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) ergibt sich, daß in Japan mit mehreren zehntausend Krebserkrankungsfällen aufgrund der Atomkatastrophe von Fukushima gerechnet werden muss. Das Spektrum liegt ihrer Ansicht nach übereinstimmend zwischen 20.000 und 120.000 Krebsfällen. [4] Dies gilt vor allem für die Bevölkerung Japans, könnte aber laut jüngster Meldungen durchaus weitere Kreise über Japans Grenzen hinaus ziehen. Letzteres drängt sich bereits dann auf, wenn man mit dem Versuch beginnt, die Widersprüche zu sortieren: Auch die besorgniserregenden Wellen oder auch Peaks in den Meldungen zu Pannen in Fukushima Daiichi lassen vermuten, daß es sich immer nur um die Spitze des Eisbergs handelt.

Doch wenden wir uns einmal den 300 Tonnen verstrahlten Grundwassers zu, das, wie die japanische Regierung unlängst zugab, täglich aus dem Bereich der Atomanlage in den Pazifik abfließt und das möglicherweise schon seit zwei Jahren. [5]

Was bedeuten denn täglich 300 Tonnen, 300 Kubikmeter, 300.000 Liter oder 10 große Tanklastwagen voll kontaminiertem Grundwassers für den Pazifik, dessen Volumen (mit Nebenmeeren) allein auf 714,14 Millionen Kubikkilometer (1 Kubikkilometer = 1 Mrd Kubikmeter, d.h. 7,1414 x 10 hoch 19 Kubikmeter) geschätzt wird, und der wiederum in dem Weltmeer von 1,338 Milliarden Kubikkilometer geradezu verschwindet, nichts weiter als ein paar "Peanuts", so die landläufige Ansicht. Könnte man die Peanuts allerdings auffangen, müßten bei 365 Tagen im Jahr zusätzlich zu dem bereits in Tanks eingelagerten Kühlwassermassen, jedes Jahr mindestens 3650 radioaktiv strahlende Tanklastwagen-Aufleger rund um Fukushima abgestellt und gesichert werden. Oder man müßte jede Woche ein Schwimmbecken olympischen Ausmaßes (das mit 2 m Wassertiefe etwa 50 m x 25 m x 2m = 2500 Kubikmeter Wasser bzw. 2.500.000 Liter faßt) damit füllen. Das macht Summa summarum 52 Schwimmbecken pro Jahr oder 130.000 Kubikmeter. Uff! In Weltmeerdimensionen gemessen sind es aber "nur" 0,00013 Kubikkilometer.

Das wird die Verantwortlichen ermutigt haben, den ganzen Müll ins Meer laufen zu lassen, in der Hoffnung, daß sich das schwer kontaminierte Wasser möglichst schnell und weit verteilt. Denn genau darauf laufen letztlich alle Maßnahmen hinaus, mit denen Tepco samt Unterstützung der japanischen Regierung den Dingen begegnet. Da kann man auch großzügig über möglicherweise weitere 100 Tonnen hinwegsehen, die demnächst dazu kommen werden oder auch nicht, wie aus einer Meldung der ZEIT ONLINE geschlossen werden kann:

Tepco muss jeden Tag 100 Tonnen Wasser abpumpen, um dessen Abfluss in den Ozean zu verhindern. Das Unternehmen weiß aber nicht, wohin diese große Menge geschafft werden soll: Die Speicher, die 380.000 Tonnen Wasser aufnehmen können, sind zu 85 Prozent gefüllt. [6]

Ob es sich bei den 100 Tonnen Wasser um Wasser aus einer weiteren, vielleicht sogar stärker kontaminierten Quelle handelt oder nur die täglich machbare Pumpleistung, wird daraus nicht klar.

Entsteht das Wasser täglich neu, indem Grundwasser in kontaminierte Bereiche gelangt, dort Radionukleotide löst und dann ins Meer abwandern kann? Da es sich bei dem havarierten Kraftwerk gleich um mehrere Reaktorgebäude handelt und an verschiedensten Punkten Proben gezogen und Daten ermittelt werden, verliert nicht nur der Leser solcher Meldungen, sondern wohl auch die Berichterstattung den Überblick, wo was rein und wo was raus fließt ... und übernimmt Widersprüche unhinterfragt. Allein die Tatsache, daß derart viel kontaminiertes Wasser ungehindert durch das Gelände fließen kann, läßt auf mehr undichte Stellen schließen, als die, die angeblich bereits vor Jahren mit flüssigem Wasserglas abgedichtet wurden, und das sollte zu denken geben. [7]

Gegenüber der Presse hatte ein Tepco-Vertreter damals eingeräumt, daß durch Fugen des Schachtes möglicherweise auch radioaktives Wasser in den Boden und ins Meer gelangen könnte. Als das am 2. April 2011 durch einen Wasserzulauf von Reaktor 2 tatsächlich geschah, hatte man vier Tage später die Öffnung offiziell verschlossen. Laut Spreadnews ist das aber nie passiert. [8]

Während TEPCO am 17. April 2011 in einem Dokument offiziell behauptete, die Abschirmung zwischen dem Keller des Turbinengebäudes und dem Schacht sei bereits erfolgt, war die Öffnung lediglich mit Beton und Schotter [und Wasserglas, Anm. d. SB-Red] notdürftig abgedichtet, und für Mai 2012 geplante Verbesserungsmassnahmen wegen technischer Schwierigkeiten verworfen worden. [8]

Brisante Werte

Danach soll Tepco erst im Juni 2013 wieder erneut auf das Problem gestoßen sein, da die Strahlungswerte in den Grundwasserproben stiegen. Offensichtlich fließt hochkontaminiertes Wasser also bereits seit zwei Jahren ins Meer, möglicherweise 300 Tonnen täglich - mehr oder weniger ...

Selbst wenn es sich nur um vergleichsweise geringe Wassermengen im Weltmeer handelt, ist das einfließende Wasser hochkontaminiert und braucht vielleicht Jahre, um seine Fracht soweit zu verteilen, daß man von einer Verdünnung sprechen könnte. Die Crux jeder atomaren Verseuchung ist aber, daß sie ohnehin unsichtbar ist und man sie erst an ihren Folgen erkennt ...

Dafür braucht es aber nicht einmal hohe Werte. Ein radioaktives Nuklid, daß sich zum falschen Zeitpunkt spaltet, oder auch nur die kleinste Menge Strahlung, die einen neuralgischen Punkt trifft, kann bereits tödlich sein. So erklärte der Radiochemiker Max Bichler, Professor am Atominstitut der TU Wien, in einem Interview mit derStandard.at am 4. April 2011: "Manche Elemente werden im Meerwasser ausgefällt, sinken zu Boden, werden einsedimentiert und das war es. Andere gelangen in die Nahrungskette und können Mensch und Umwelt umso vehementer treffen". [9]

Und Dr. med. Angelika Claußen von IPPNW schrieb:

Die Wissenschaft ist sich inzwischen einig: Es gibt keinen Schwellenwert, auch die niedrigsten Dosen können Schäden auslösen. [10]

Tägliche Einträge bedeuten also auch, daß sich Tag für Tag und Jahr für Jahr die teilweise Halbwertszeiten von 30 Jahren (z.B. bei Cäsium-137) oder 28 Jahren (z.B. bei Strontium-90) aufweisenden radioaktiven Nuklide auf dem Meeresboden in Algen, im Wasser bzw. in Fischen und Meeresfrüchten ansammeln und bei ihrem unberechenbarem, aber zwangsläufigen Zerfall gesundheitsschädliche und oft krebserregende radioaktive Strahlung abgeben.

Man wisse nicht, wie stark verseucht das Grundwasser sei und seit wann genau es in diesen Mengen in das Meer fließt, hatte es in dem besagten Bericht der Tagesschau vom 7. August 2013 geheißen. [1] Danach hatte der japanische Premierminister Shinzo Abe vor kurzem in einer Kabinettssitzung angekündigt:

Es gibt große Sorgen seitens der Bevölkerung bezüglich des Problems des verseuchten Grundwassers. Die Aufgabe kann nicht allein Tepco überlassen bleiben. Wir müssen deshalb schnell handeln." [1]

Laut Tagesschau wurde mit dieser Aufgabe nicht das Umweltministerium, sondern das Wirtschaftsministerium betraut, das in Japan nach wie vor der Atomindustrie wohl gesonnen ist. Und wie so oft in letzter Zeit wurde als beschwichtigende Aussicht der Meldung die Möglichkeit geäußert, eine - wie es hieß: "Barriere um die havarierte Anlage zu schaffen, indem der Boden durch besondere Chemikalien ausgehärtet wird." Auch die Vereisung des Bodens [s.u.] würde noch diskutiert. Auf diese Weise könnte dann verhindert werden, daß weiterhin Grundwasser in die Reaktorgebäude fließt und anschließend radioaktiv verseucht ins Meer.


Weit gefehlt und Schnee von gestern

Nicht gesagt wurde nämlich, daß all dies bereits Schnee von gestern ist. Tatsächlich wurden die hier erwähnten "künstlichen Barrieren" längst erprobt und sind vorerst gescheitert. In einem kurzen Bericht der ZEIT ONLINE [6] heißt es bereits am 3. August, also einige Tage vor den Nachrichten der Tagesschau, in ähnlich beschwichtigendem Tenor, in Fukushima drohe (!) die nächste Katastrophe, da eine vom Betreiber in den Boden injizierte Chemikalie, die eine Barriere bilden sollte, sich als unwirksam erwiesen habe. Das Grundwasser hätte die Sperre (die hiernach ja auch nur eine unwirksame Injektionsspritze in den Untergrund war) längst überwunden. Aber auch die ZEIT ignoriert die Tatsache, daß 300 Tonnen bereits täglich fließen und spricht nur von "der Gefahr, daß sich bei einem weiteren Anstieg verstrahltes Wasser ins Meer ergießt". Aber das Scheitern der Bemühungen, dies zu verhindern, war schon wesentlich früher bekannt:

Am 19. Juli 2013 kamen die Experten von TEPCO zu dem Schluss, dass ganz offensichtlich immer noch eine Verbindung zwischen Turbinengebäude und dem Schacht bestehe, so dass radioaktives Wasser von dort weiterhin in das Meer gelange. Der Öffentlichkeit wurde dies am 22. Juli bekannt gegeben - eine Verzögerung, die zu heftiger Kritik führte. [8]

In einem anderen Bericht datiert Spreadnews den Bau der sogenannten "chemischen Barriere" als Uferschutz zwischen dem Wasserzulaufkanal der Reaktoren 1 und 2 bereits auf den 6. Juli 2013 (!), über den offenbar eine unkommentierte Videoaufzeichnung besteht [11]. Die Aufnahme zeige, so schreibt Spreadnews, wie die Kraftwerksangestellten die Öffnungen im Boden über Schläuche mit der Aushärtungssubstanz füllen, die über Geräte hineingepumpt wird. Diese Maßnahme sollte durch das Härten des Bodens, unter Zuhilfenahme von entsprechenden Chemikalien verhindern, daß dort radioaktives Grundwasser hindurchgelangt. Nicht gesagt wird dabei, um welche Chemikalien es sich handelt. Die Vermutung liegt aber nahe, daß man es noch einmal mit Flüssigmörtel und Wasserglas versucht hat, die sich bereits vor zwei Jahren als unergiebig erwiesen hatten. Denn bereits am 1. August mußte Tepco in einer Pressemitteilung zugegeben, daß ihre Barrieren wirkungslos sind und Grundwasser weiterhin ins Meer fließt. [8]

Laut dem Bericht der Deutschen Welle [5] könnte aber das Überlaufen des Grundwassers erst durch den Barrierebau im Boden ausgelöst oder zumindest noch zusätzlich gefördert worden sein. Mit dem zurückgestauten und dadurch steigenden Grundwasserspiegel könnte mehr Grundwasser durch die Lecks in die Reaktorgebäude dringen und mit radioaktiven Isotopen angereichert werden. Das stellt allerdings auch den noch geplanten Bau einer Bodenvereisungs- oder Frostungsanlage in Frage [12], die letztlich ebenfalls so etwas wie einen Damm aus Eis errichten würde. Doch abgesehen davon, daß die Kosten für das Projekt im zweistelligen Milliardenbereich liegen, sind Systeme dieser Art nicht für den langfristigen Betrieb, der über mehr als ein paar Jahre hinausgeht, ausgelegt. Auch diese Maßnahme läuft letztendlich auf eine Verklappung des radioaktiven "Überflusses" ins Meer hinaus.

Die Menge an kontaminiertem Wasser wächst so rasch, daß am Ende nur die Lösung bleibt, es in den Pazifik einzuleiten. "Die Situation liegt bereits außerhalb der Möglichkeiten von Tepco", meinte der Atomkritiker und frühere AKW-Konstrukteur Masashi Goto. Tepco weigere sich nicht, das Notwendige zu tun. Aber es gebe keine perfekten Lösungen. Der Chef der neuen Atomaufsicht, Shunichi Tanaka, deutete schon sein Einverständnis an, falls das Wasser weniger verstrahlt sei als erlaubt. [5]

Doch Wasser fließt, auch ohne offizielles Einverständnis. Und die derzeitige Belastung des Grundwassers übersteigt alle Erwartungen. Am 1. August berichtete Spreadnews.de unter der Rubrik "Japan Aktuell" von einem explosionartigen Anstieg der Cäsiumwerte im Grundwasser am 19. Juli 2013. Während die Proben aus einem Meter Tiefe 340 Millionen Becquerel und die Probe aus sieben Metern 350 Millionen Becquerel an radioaktivem Cäsium pro Liter (wobei Cäsium 134 und 137 zusammengefaßt werden, was die Vergleichbarkeit der Werte erschwert), wurden die höchsten Werte an Cäsium und Betastrahlern in 13 Metern Tiefe entdeckt. Dort fanden sich neben dem 950 Millionen Becquerel an Cäsium auch 520 Becquerel an Betastrahlern, wie etwa Strontium. Die Probenentnahme sei in einer Distanz von 65 Metern zur Pazifikküste entnommen worden. [8]

Die offiziell von Tepco bestätigten Werte vom 15. oder 9. Juli liegen teilweise darunter, erreichten aber mit Belastungen von Cäsium-134 in einer Höhe von 9.000 Becquerel pro Liter und Cäsium-137 in Höhe von 18.000 Becquerel pro Liter durchaus eine Erhöhung der Werte um fast das Neunzigfache im Vergleich zu Messungen am gleichen Kontrollpunkt an drei Tagen davor. Das wesentlich vorzeigbarere Ergebnis wurde allerdings einem anderen Kontrollpunkt entnommen, der sich in 25 Meter Entfernung zum Hafen befindet. [13]

Allerdings gibt es auf dem Gelände zahlreiche Kontrollpunkte, die am gleichen Tag durchaus unterschiedliche Ergebnisse in Bezug auf die Erhöhung oder Abnahme der Werte aufweisen. Es bedarf aller Aufmerksamkeit sowie grundlegender Kenntnisse über die Örtlichkeiten, die Reaktoren und ihren derzeitigen Zustand sowie nuklearmedizinische Erfahrung, damit bei aller vorgeblicher Transparenz die Werte irgendeinen Sinn ergeben. So hieß es beispielsweise noch, die gesetzlichen Sicherheitswerte für beide Substanzen wären dabei überschritten worden. Im Fall von Cäsium-134 betrug die Grenzwertüberschreitung das 150-fache und beim Cäsium-137 sogar das 200-fache des zulässigen Maximalwerts. Allerdings sind das keine hilfreichen Angaben, um die gesundheitlichen oder ökologischen Folgen abzuschätzen. Hier fehlt wie so oft einfach der Grenzwertfaktor der dann mit 150 oder 200 multipliziert werden muß, sowie die entsprechende Erläuterung, was das bedeutet.

Auch scheinbar tiefere Einblicke in die Befürchtungen der Betreiber, daß diese "Entwicklung darauf hindeute, daß sich das radioaktive Material unterirdisch weiter ausbreitet", läßt offen, ob man dabei an den längst erwähnten Transport durch Grundwasser oder an eine brisantere Art der Ausbreitung etwa durch radioaktiven Zerfall denkt. Die genaue Ursache für den plötzlichen massiven Cäsium-Anstieg bleibt dadurch ungeklärt, ebenso welche Auswirkungen dies auf den Hafenbereich der Anlage haben wird.

Auch die Meerwasserbelastung nahe Fukushima-Reaktor 3 ist nach Messungen, die am 15. Juli innerhalb des sogenannten Schlickzauns entnommen worden waren, laut Spreadnews [13] gestiegen:

Cäsium-134 von 350 Becquerel pro Liter
Cäsium-137 ein Wert von 770 Becquerel pro Liter
Betastrahlung gesamt: 1.000 Becquerel pro Liter

1.000 Becquerel wurde bisher noch nie im Meerwasser nachgewiesen. Tepco spricht in diesem Zusammenhang davon, daß die Werte im Vergleich zu früheren Messungen zwar höher lagen, aber keine signifikanten Änderungen aufwiesen. Diese Formulierung dient offensichtlich dazu, zu verschleiern, daß 1.000 Becquerel durchaus ein Hinweis für den Eintrag des hochverstrahlten Grundwassers ins Meer sein könnte, der laut Tepco angeblich noch nicht bestätigt ist. 1.000 Becquerel bedeuten aber auch, daß in einem Liter Meerwasser in einer Sekunde 1.000 radioaktive Zerfälle registriert werden können. Da kann es den Fischen bereits gut heiß werden unter ihren Kiemen, Schuppen und Flossen.

Die schwankenden Werte, unterschiedlichen Angaben und verwirrenden Verhältnisse, die dem Leser solcher Meldungen den Eindruck vermitteln sollen, daß zumindest diejenigen, die solche Zahlen veröffentlichen, wissen, wovon sie schreiben, sind wohl eher ein Beweis für das Gegenteil.



Anmerkungen:

[1] http://www.tagesschau.de/ausland/fukushima836.html

[2] http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/fukushima-2000-arbeiter-haben-erhoehtes-risiko-fuer-schilddruesenkrebs-a-912114.html

[3] http://www.schattenblick.de/infopool/nachrich/meld/um-6981.html
und
http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE97801Y20130809

[4] http://www.fukushima-disaster.de/deutsche-information/super-gau.html#c84

[5] http://www.dw.de/fukushimas-grundwasserproblem-unl%C3%B6sbar/a-17016322

[6] http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2013-08/fukushima-grundwasser-ozean?commentstart=49#

[7] siehe auch NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE
KOMMENTAR/101: Fukushima - wie dicht ist ein geflickter Reaktor? (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/cheko101.html

[8] http://www.spreadnews.de/japan-aktuell-radioaktives-fukushima-wasserleck-mehr-als-zwei-jahre-lang-ignoriert/1133762/

Laut Tepco waren im Grundwasser bei der Atomruine stark erhöhte Belastungen gemessen worden. Werte der radioaktiven Substanz Cäsium-134 seien um das 90-fache angestiegen.

[9] http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/cheko100.html

[10] http://www.ippnw.de/presse/presse-2011/artikel/e05adcd86f/wie-gefaehrlich-ist-radioaktive-stra.html

[11] http://www.spreadnews.de/japan-aktuell-masnahmen-zur-grundwasserdammung-am-akw-fukushima-laufen/1133503/

[12] Ein Regierungsausschuß hat den Betreiber Tepco nun angewiesen, durch gezielte Vereisung eine unterirdische Schutzwand um die betroffenen Reaktoren zu schaffen. Die Pläne zu dieser gezielten Tiefkühlung des Bodens auf einer Gesamtstrecke von 1.4 Kilometern gehen auf die Kajima Corporation, eines der führenden Bauunternehmen des Landes, zurück. - Nach dem Willen des Ausschusses, soll Tepco bis Mitte des Fiskaljahres 2015 eine Wand aus Rohren bauen, die in einem Abstand von jeweils einem Meter bis zu 30 Meter tief in den Boden um die Reaktoren eingebracht werden sollen. Anschließend soll ein Kühlmittel durch die Leitungen zirkulieren und so den Boden gefrieren. Diese Methode sei effektiver und schneller umzusetzen, als etwa Barrieren aus Bruchstein oder Lehm.
http://www.spreadnews.de/japan-aktuell-einzelheiten-zur-fukushima-bodenfrostung/1132559/

[13] http://www.spreadnews.de/japan-aktuell-explosionsartiger-anstieg-der-casiumwerte-am-akw-fukushima/1133350/

16. August 2013