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RATGEBER/233: Kinderfragen (23) Was ist, wenn Silber schwarz wird (SB)


KINDERFRAGEN 23

Was geschieht mit dem Besteck, wenn es schwarz wird?

Silberputz und Anlaufschutz mit Pfennig und Alufolie


Zwar sind Silberbestecke inzwischen ziemlich aus der Mode, da sich Edelstahl problemlos in der Spülmaschine reinigen läßt und auch weniger Eigengeschmack entwickelt. Dennoch stellt sich beim Anblick von Omas eingemottetem Tafelsilber oder anderen Schmuckstücken hin und wieder die Frage: Was passiert eigentlich, wenn Silber anläuft?

An gewöhnlicher Luft überzieht sich Silber mit einer dünnen durchsichtigen Silberoxidschicht (Ag2O). Das Metall wird dadurch vor einer weiteren Oxidation durch Luft geschützt. Anders, wenn in der Luft aggressive Verunreinigungen wie Schwefelwasserstoff, Rauch u.a. enthalten sind, was meistens der Fall ist. Dann läuft das Silber unter Bildung von Silbersulfid (Ag2S) schwarz, manchmal auch nur gelblich bis bräunlich an (Silbersulfid ist eine dunkle braun-schwarze Verbindung). Schmuck, der auf der blanken Haut getragen wird, ist ebenfalls vielen schwefelhaltigen Verbindungen ausgesetzt, die in der Haut oder im Hautschweiß enthalten sind.

Auch Chlor gegenüber ist Silber äußerst empfindlich. Es ist oftmals im Leitungswasser oder auch in Spülmitteln (vor allem in Maschinenspülmitteln) enthalten. Chlor fördert das Anlaufen des Silbers, wobei sich anfangs weißes und somit unsichtbares Silberchlorid (AgCl) bildet, das sich am Sonnenlicht in einer sogenannten Photoreaktion zu feinverteiltem, elementaren schwarzen Silber zersetzt.

Während wäßrige Lösungen nichtoxidierender Säuren, z.B. Salzsäure, Schwefelsäure, Essigsäure sowie Laugen dem Silber nichts anhaben können, wird es von stärkeren Oxidationsmitteln wie warmer, konzentrierter Schwefelsäure oder auch Salpetersäure stark angegriffen. Das kann durch die unsachgemäße Behandlung mit Putzmitteln geschehen, die eigentlich nicht für Silber geeignet sind. Eine angerauhte und damit vergrößerte Oberfläche, die hierdurch entstehen kann, vom Zahn der Zeit einmal abgesehen, hat logischerweise eine wesentlich größere Neigung, anzulaufen als eine glattpolierte Fläche. Die schwarzen Silberverbindungen setzen sich meist in den feinen Rillen und mikroskopischen Unebenheiten fest und lassen sich daher nicht so leicht abwischen. Während man bei neuem Silber Spuren von einer glatten Oberfläche mit einem weichen Lappen und etwas Lösungsmittel einfach entfernen kann, sind hier stärkere Prozeduren gefragt.

Vorbeugen ist besser als Silberputzen

oder Was macht der Kupferpfennig im Besteckfach?

Jedes oxidierte Silberteilchen löst sich aus dem festen Metallgitter heraus, es geht also dem Silberstück verloren. Fast immer beruht Silberputzen darauf, die Silberverbindungen zu lösen und mit einem Putztuch einfach abzuwischen. Im molekularen Bereich verringert sich dadurch stetig der Silbergehalt. Ein Silberlöffel wird so im Laufe der Zeit immer dünner. Ein beseitigter, schwarzer Flecken hinterläßt eine kaum wahrnehmbare, fein angerauhte Vertiefung in der Oberfläche, die für die umgebende Luft leichter angreifbar wird als der Rest, so daß die Vertiefung bei jedem Reinigigungsvorgang größer und größer wird. Also versucht man das Anlaufen durch vielfältige Tricks frühzeitig aufzuhalten.

Vorbeugend kann man Gegenstände, die kaum mechanischen Angriffen ausgesetzt sind wie Vasen, Obstschalen, Kuchenplatten, Pokale usw. mit einer dünnen Lackschicht überziehen, die vor den in der Luft enthaltenen Chemikalien schützt.

Bestecke und Geschirr, die nicht lackiert werden können, sollten möglichst nie mit schwefelhaltigen Nahrungsmitteln wie Eiern, Eierspeisen oder Fisch u.ä. in Berührung gebracht werden. Zumindest jedoch wäscht man sie sofort nach Gebrauch ab, um die Kontaktzeit so gering wie möglich zu halten. Nebenbei bemerkt beeinträchtigt der unschöne, schmutzig-gelbliche Überzug aus Silbersulfid außerdem stark den Geschmack dieser Speisen.

Versilberte oder silberne Bestecke sollen auch nicht mit weißer Wolle in Berührung kommen, da diese meist mit Schwefelverbindungen gebleicht wurde.

Die traditionelle Aufbewahrung von Silberbesteck in gepolsterten, dichten Besteckkästen oder in dichtschließenden Schränken macht Sinn, wenn man bedenkt, daß dadurch schwefelwasserstoffhaltige Luft ferngehalten wird. Allerdings dringt bei jedem Öffnen des Schrankes auch wieder Umgebungsluft ein.

Ein Trick besteht darin, Stoffe zu den Silberteilen zu legen, die Schwefelwasserstoff absorbieren, weil dieser zu ihnen eine größere Affinität besitzt als zu Silber. Hier kommt der berühmte Kupferpfennig ins Spiel, heute ist es dann ein Cent, den man zu diesem Zweck in die Besteckschublade legt. Die gleiche Funktion erfüllen imprägnierte Anlauftücher, die man über dem Besteck ausbreitet und die man in Haushaltswarengeschäften bekommen kann.

Silberputzmittel oder Tauchbad?

Alle Silberputzmittel sind Komplexbildner. Sie enthalten in der Regel gesundheitsgefährdende Substanzen und müssen unbedingt "kindersicher", das heißt außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt werden. Diese Mittel sind in Form von Flüssigkeiten, Pasten oder Pulvern erhältlich und werden auf dem Silber fein verteilt. Gewöhnlich läßt man das Mittel eine Zeitlang einwirken, damit die chemische Reaktion abgeschlossen wird und das Mittel bis in die Oberflächenporen und sonstigen Unebenheiten eindringen kann. Danach wischt man es ab und reibt solange mit einem weichen Tuch bis das Silber blank genug ist. Silberputzmittel enthalten oft das aus der Fotographie bekannte Fixiersalz in 20%iger Anwendung (Natriumthiosulfat oder Fixiernatron), Ammoniak oder Thioharnstoff als Wirksubstanz neben anderen Reinigungsstoffen für mögliche andere Verschmutzungen wie Fett, Harz, starke Verkrustungen usw., die oftmals gar nicht nötig sind.

Am schonensten und sparsamsten sind einfache Lösungen wie die 20%ige Fixiersalzlösung oder Ammoniaklösung (da Metalle von alkalischen Lösungen am wenigsten angegriffen werden), aber auch Zigarrenasche, heiße konzentrierte Boraxlösung, 10%ige Schwefelsäure oder 7%ige Thioharnstofflösung, die dem gleichen Zweck dienen. Diese Lösungen kann man sich im Grunde selbst zubereiten. Die nötigen Zutaten gibt es in Drogerien und Apotheken und müssen nur noch in der entsprechenden Konzentration mit Wasser angerührt werden. Man kann sie allerdings auch fertig kaufen. Am wenigsten schädlich ist die Ammoniaklösung, die schon unsere Großmütter zum Silberputzen verwendeten. Doch auch Ammoniak ist ein schleimhautreizender, beißender Stoff und mit Vorsicht zu behandeln.

In den üblichen Silberputzseifen, Silberreinigungspulvern oder -putztüchern kommen ebenfalls hauptsächlich Ammoniak, Fixiersalz und Thioharnstoff als Wirkstoffe vor, was man oft schon am Geruch erkennt.

Alle diese Mittel haben die Eigenschaft, das beim Anlaufen entstandene Silber-Ion in einem löslichen Komplex zu binden. Das Sulfid wird dabei meist als Schwefelwasserstoff, Natrium- oder Ammoniumsulfid frei, was man am leichten Geruch nach fauligen Eiern erkennt. Die Komplexbildung stellt man sich mit Fixiersalz (Na2S2O3) chemisch etwa folgendermaßen vor:

Ag2S
+
Na2S2O3
−−−−−−>
Ag2S2O3
+
Na2S

Das weiße Silberthiosulfat verbindet sich jedoch noch mit einem weiteren Natriumthiosulfat zu dem eigentlichen Komplex, so daß jedes Silber-Ion von mindestens 2 Thiosulfatresten eingeklammert wird - Na3[Ag(S2O3)2] (Nach Schmitz-Dumont können sogar noch größere Komplexe aus 3 Thiosulfatresten bei längerer Einwirkzeit entstehen). Durch diese Komplexierung erklärt man sich die vollkommene Löslichkeit der Silberverbindungen und damit auch die Ablösung vom Metall.

Der gewünschte Glanz entsteht dadurch, daß nicht nur Flecken entfernt werden, sondern auch die oberste dünne Silberschicht abgelöst und abgerieben wird. Das geschieht sogar schon dann, auch wenn man es kaum sieht, wenn die äußere Oxidschicht mit etwas Ammoniak abgewischt wird.

Metallputzmittel enthalten hierfür - neben organischen Lösungsmitteln (zum Lösen von Fetten und Harzen), Tensiden und Ammoniak - speziell wasserunlösliche Polierkörper, die jedoch eine wesentlich feinere Korngröße besitzen als beispielsweise Scheuermittel (kleiner als 20µm). Durch das Einreiben und Polieren mit diesem Mittel entsteht ein feiner Abrieb des weichen Silbermetalls. Sichtbare Kratzer hinterläßt diese Behandlung zwar nicht, doch unter dem Mikroskop werden die Schleifspuren einer solchen Tortur schon deutlich. Anschließend ist die darunterliegende, reine Silberschicht gegenüber den nun erneut auf sie eindringenden Umwelteinflüssen vollkommen ungeschützt. Manche Pasten enthalten deshalb Wachse, die die polierten Teile gleichzeitig mit einer feinen Schutzschicht versehen.

Darüber hinaus können die Pasten und Suspensionen Verdickungsmittel (Stearin, Stärke etc.) und absorbierende Stoffe wie Kaolin, Holzmehl oder Kieselgur enthalten, die sowohl die Konsistenz der Pasten und Suspensionen ausmachen, als auch Verunreinigungen absorbieren können. Durch saure Phosphate, die als Tenside eine fettemulgierende Wirkung besitzen, kann außerdem ein abschließender Korrosionsschutz erreicht werden.

Alle Silberputzmittel sollten nur für Silber, bestenfalls für Chrom- und Nickelüberzüge verwendet werden. Andere, unedlere Metalle können durch die darin enthaltene Chemie leichter angegriffen werden.

Besonders einfach in der Anwendung und selbst für scheinbar hoffnungslose Fälle gut geeignet sind Tauchbäder, die Sie als fertige Mischungen im Handel beziehen können (Gebrauchsanweisung genau beachten). Die Silberteile werden kurz (hartnäckige Fälle etwas länger) in eine nach Vorschrift zubereitete Lösung getaucht, anschließend abgespült und abgetrocknet. Wichtig ist, daß die genannte Eintauchzeit streng beachtet wird, da Tauchbäder dieser Art das Silber selbst angreifen. Die Reinigung beruht ebenfalls auf der Bildung wasserlöslicher Komplexverbindungen der beim Anlaufen entstandenen Silberverbindungen mit Natriumthiosulfat, Ammoniak oder Thioharnstoff. Ein Tauchbad besteht gewöhnlich aus einer Mischung von 2,5% nichtionischen Tensiden, 8% Thioharnstoff und 3% Salzsäure!, gelöst in 100 ml Wasser.

Zusätzlich entsteht zu der oben beschriebenen Reaktion durch die Anwesenheit von Salzsäure Schwefeldioxid (SO2), das man an seinem typischen Geruch erkennt.

Na2S2O3
+
2 HCl
−−−−−−>
2 NaCl
+
H2O
+
S
+
SO2.

Die Salzsäure sorgt für eine aggressivere Lösung, die sämtliche Silberionen auch aus Vertiefungen und Rillen hervorholt und schließlich das Silber selbst löst.

Bei der Anwendung von Tauchbädern kann deshalb eine vorhandene Schmuckoxidation in den Vertiefungen der Silbergegenstände verlorengehen (z.B. bei Bestecken oder manchen Silberfilgranarbeiten). Das passiert nicht, wenn auf die herkömmliche Weise mit einem Putztuch poliert wird.

Nebenbei bemerkt läßt sich verfärbter Goldschmuck meist ebenfalls gut mit Silberputzmitteln reinigen. Die Verfärbungen gehen auf die Sulfide der Legierungsbestandteile Silber und Kupfer zurück, so daß Goldlegierungen durch den Einfluß von Chemikalien, menschlichem Schweiß, Badezusätzen, Puder usw. allmählich nachdunkeln. Reines Gold verhält sich dagegen chemisch vollkommen inert. Das heißt, es ist gegen alle chemischen Einflüsse extrem widerstandsfähig und verändert sich nicht. Goldschmuck sollte man deshalb beim Waschen, Kochen oder beim Hantieren mit Arzneimitteln stets ablegen.

Normalerweise genügt zur Goldreinigung das Waschen mit einem Feinwaschmittel. Matt gewordene Goldwaren kann man jedoch auch in einer Mischung aus 30 g Natron, 20 g Chlorkalk und 12 g Natriumchlorid oder Kochsalz, die in einer Tasse warmen Wassers (200 ml) gelöst wird, einweichen, bis sie wieder in gewohntem Glanz erstrahlen. Die Lösung sollte anschließend gründlich abgespült und abgetrocknet werden.


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Fazit:

Tafel- und auch anderes Silber werden niemals alt und unbrauchbar. Sie brauchen nur regelmäßig leichte Pflege und ein paar vorbeugende Maßnahmen, um jederzeit einsatzbereit zu sein. Selbst bei wirklich schwarz verfärbtem Silber ist ein Putz nicht hoffnungslos und kann zu einem Erfolgserlebnis werden, das wohl kaum ein Beispiel findet. Die dafür notwendigen aggressiven Silberputzmittel sollte man allerdings nicht zu häufig verwenden. Besser man kommt ohne sie aus. Praktisches, pflegeleichtes Edelstahlbesteck verliert durch den ständigen Gebrauch auch seinen anfänglichen Glanz, den man jedoch durch Polieren nicht mehr zurückbringt. Bei Silber dagegen lohnt sich die Mühe. Was blinkt wohl festlicher im Kerzenschein als blankpoliertes, fleckenloses Tafelsilber?

6. Februar 2008