Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

RATGEBER/243: Die Ungeheuer aus dem Badewasser (SB)


...und wie man sich davor schützt

Statt Eimer und Schaufel: Pinzette, Essig und Backpulver - immer dabei


In manchen Ländern ist es inzwischen tatsächlich so: Da geht man - von den üblichen Badeutensilien wie Liegestuhl, Wasserball, Sonnenbrille und -hut einmal abgesehen - mit einer Hausapotheke an den Strand, um für jeden Notfall gerüstet zu sein und kein unerwünschtes Souvenir mit nach Hause zu nehmen. Doch nicht nur an tropischen Stränden ist Vorsicht geboten. Auch wer in heimischen Landen Urlaub macht, wird dieser Tage vor dem Wasser gewarnt: Durch die hohen Wassertemperaturen vermehren sich in Nord-, Ostsee und in vielen Naturteichen die Bakterien und Pilze derart, daß Badegästen häufig geraten wird, nicht mit Verletzungen oder offenen Wunden in den Gewässern zu waten oder gar zu baden, um Infektionen zu vermeiden. Auch das Verschlucken von Wasser sei problematisch.

Besonders Teiche und Badeweiher sind so voll von den mikroskopisch kleinen Ungeheuern, daß Badefreunde nicht selten den Sprung ins Wasser mit einer unangenehmen Erkrankung bezahlen müssen. Um den Badenden nicht die Freude daran zu nehmen, wurden unlängst die gesetzlichen Grenzwerte diesbezüglich heraufgesetzt, was heißt, daß das Baden gemeinhin noch nicht als gesundheitsgefährdend gilt, trotz höherer Keimzahlen.

Nun lassen sich in einem normalen Eßlöffel Trinkwasser bis zu 1000 Keime zählen. Im warmen Teichwasser können sich diese ungehindert vermehren. Halskratzen und gereizte Augen nach dem Schwimmen lassen sich somit laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung auf Cyanobakterien bzw. Blaualgen zurückführen, die sich im Sommer rasant vermehren. Ihre Giftstoffe greifen nicht nur die Haut und Schleimhaut, sondern auch Magen und Leber an.

Unterschätzt werden gewöhnlich Parasiten wie Kryptosporidien (Sporentierchen), die entfernt mit dem Malariaerreger verwandt sind und Fieber, Schwindel, Bauchkrämpfe und Durchfall auslösen können. Geschwächte Menschen überleben eine solche Infektion mitunter nicht. Die Tierchen sind äußerst widerstandsfähig und halten es lang in See und Uferschlamm aus.

Auch Salmonellenerkrankungen und bakterielle Vaginosen, die eine Entzündung der weiblichen Genitalien verursachen können, lauern gewissermaßen in den freien Gewässern.

Wohl dem, der alles dabei hat, um sich nach dem Bad gründlich zu desinfizieren.


*


Während man sich hierzulande noch kaum an Ungeheuer und Parasiten im Badewasser gewöhnt hat und selten damit rechnet, sind sie in den Tropen eine typische Erscheinung: Man muß beim Urlaub in exotischen Ländern nicht einmal ins Wasser gehen, um von dort ein unerwünschtes Souvenir mit nach Hause zu bringen. Die Gefahr lauert rund um den Äquator schon am Strand - in Gestalt der Larven des Hakenwurms.

Laut einem Bericht in der "Sprechstunde" des Deutschlandfunks (1. August 2006) werden die Larven mit dem Kot von Katzen und Hunden ausgeschüttet, die von diesem Hakenwurm befallen sind. Die Eier gelangen mit dem Kot an den Strand, dort schlüpfen die Larven. Geht der Urlauber barfuß durch den Sand, bohrt sich die Larve in die Haut ein. Dort kann sie sich nicht weiter vermehren, da der Mensch ein sogenannter Fehlwirt ist, was sie aber nicht daran hindert, ihr zerstörerisches Werk fortzusetzen und Gänge in die Haut zu graben, bis sie abstirbt. Dem Betroffenen hinterläßt sie ein schmerzhaftes Netzmuster, das schon äußerlich zu sehen ist, und dazu noch höllisch juckt.

Gegen den Befall gibt es eine Salbe, die ein Insektizid enthält. Es ist jedoch wesentlich effektiver, wenn man einem möglichen Befall durch das Tragen von Badeschuhen zuvorkommt.

Im Wasser sind neben Bakterien und anderen Mikroorganismen, die nur die vorgeschädigte Haut infizieren können, vor allem Quallen die schmerzhaftesten Übeltäter.

Diese verteidigen ihr Revier mit Giftstoffen, die in den Nesseln der bis zu zehn Meter langen Fangarme gespeichert sind. Wer Feuerquallen aus der Nord- und Ostsee kennt, hat in etwa eine Ahnung, worauf er sich da einläßt. Allerdings sind die Quallen im Pazifik, Atlantik und im Indischen Ozean noch wesentlich aggressiver.

Der Deutschlandfunk riet zu folgendem Vorgehen:

Erstens sollte man sich informieren, wo bade ich an welchem Strand. Mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt welches Nesseltier zu welcher Jahreszeit vor.
(DLF, 1. August 2006)

Und dabei sollte man auch gleich nach möglichen Gegenmaßnahmen im Ernstfall fragen.

So kommt beispielsweise die giftige Würfelqualle zwischen Oktober und Mai an die Strände Nordaustraliens. Touristen werden sogar durch Schilder davor gewarnt, denn das Gift der Würfelqualle kann tödlich sein, vor allem für Kinder. Andere Quallenarten sind nicht so gefährlich, aber nicht weniger schmerzhaft.

Deshalb sollten Urlauber, die in quallengefährdete Gebiete reisen, ein Erste-Hilfe-Set gegen Quallenverletzungen mit sich führen: Das besteht aus einer Pinzette, mit der man die hartnäckigen Tentakel entfernen kann, ohne sie anfassen zu müssen (und sich selbst bzw. weitere Körperteile dem brennenden Gift auszusetzen). Schließlich sollte es je nach dem Landstrich bzw. Strand und den dort vorkommenden Quallenarten ein chemisches Gegenmittel beinhalten, um die Wirksamkeit des Giftes abzumildern:

Das wäre im Falle der Würfel- oder Feuerquallen ein einfacher Haushaltsessig (billigste Sorte reicht) oder, falls es sich um sogenannte Leucht- oder Kompaßquallen handeln sollte, ein kleines Tütchen Natron oder Backpulver, das man sich bei Bedarf mit Wasser anrühren kann.

Tupft man den Essig auf die von Feuerquallen betroffenen Stellen, zerstört dieser das Gift noch vor Ort und die Wunde heilt wesentlich schneller.

Natriumhydrogencarbonat, das in Backpulver enthalten ist, neutralisiert dagegen den Wirkstoff der Leucht- und Kompaßquallen.

Übrigens sollte man die Wunde nur mit Salzwasser auswaschen, denn eine Süßwasserdusche oder auch das gutgemeinte Desinfizieren mit Alkohol könnten weitere Giftstoffe freisetzen. Das hängt damit zusammen, daß die winzigen Zellkapseln, in denen das Gift enthalten ist, auf die Verhältnisse im Meer angepaßt sind, ein anderes osmotisches Verhältnis (anderer Salzgehalt) oder auch ein anderer chemischer Stoff (Alkohol) werden als Angriff oder Berührung verstanden, auf die die Zelle mit Freigabe des Giftstoffes reagiert.

In dem Bericht des Deutschlandfunks ging man allerdings noch weiter. Denn nicht nur das Meerwasser berge Gefahren. Wer glaube, beim Baden in exotischen Binnengewässern eher auf der sicheren Seite zu sein, irre sich ebenfalls.

In den tropischen Seen und Flüssen lauern die Larven des Bilharziose- Erregers. Der Parasit löst zwar keine Hautkrankheit aus, zerstört jedoch die Leber, die Harnblase oder den Darm, was für den Betroffenen ohne rechtzeitige Behandlung tödlich endet.

Die einzige Vorsorge ist der Verzicht auf das Baden im Auslandsurlaub. Man solle nicht einmal den Zeh in den Nil stecken, selbst wenn Einheimische darin ihr Tagwerk verrichten. Denn auch hier sind die Larven äußerst aktiv, was man an den vielen einheimischen Kranken in dieser Gegend ablesen kann.


*


Da bleiben wir denn doch lieber zu Hause und reiben uns nach dem Bad im heimischen Baggersee mit desinfizierendem Franzbrandwein ein?

Nein, auch das Baden in heimischen Binnengewässern ist nicht wirklich empfehlenswert, denn auch hierzulande kommen inzwischen kleine Saugwurmlarven in Seen und Teichen vor, sogenannte Zerkarien, die mit ihren exotischen Brüdern und Schwestern eins gemeinsam haben: Sie siedeln sich eigentlich in Wasservögeln und Schnecken parasitär an, nehmen aber auch mal mit einem Menschen als neuen Ernährer vorlieb.

Vor allem in Teichen mit flachem Ufer können sich Schwimmer schnell infizieren, weil schon der Hautkontakt dafür ausreicht. Eine Infektion macht sich allerdings auch sofort durch starkes Brennen und Jucken bemerkbar.

Wie eingangs beim tropischen Hakenwurm beschrieben, kann sich auch der Saugwurm im Fehlwirt Mensch nicht weiterentwickeln. Dafür erzeugt die absterbende Larve an der Eintrittsstelle und teilweise auch weiter am Körper eine stark juckende Hautentzündung (Badedermatitis), d.h. kleine juckende Pusteln, die wieder vom Hautarzt behandelt werden müssen. Allerdings kann der auch nur Antihistaminika, d.h. juckreizstillende Mittel, verschreiben und das kann je nach Ausmaß der betroffenen Stelle teuer und unangenehm werden. Immerhin braucht die harmlose Infektion drei Wochen zum Abheilen.

Selbst das Baden in einer öffentlichen Badeanstalt kann hierzulande mit einem Gang zum Dermatologen enden. Denn die gechlorten und gereinigten Schwimmbecken schützen immer noch nicht vor dem hierzulande doch weit verbreiteten Fußpilz. Überhaupt werden Mykosen (Pilzerkrankungen) sehr gerne in Schwimmbädern verbreitet. Denn dort ist es warm und feucht und die Badegäste trocknen sich beim Sonnenbaden zwischen den Badegängen nicht immer gründlich ab, was das ideale Milieu für die Fortpflanzung und das Wachstum eines Hautpilzes bedeutet.

Kurzum: Am sichersten und gefahrlosesten ist also immer noch das gemütliche Fußbad in der eigenen Schüssel auf dem Balkon. Wer das nicht will, und das Risiko eines "natürlichen" Bades nicht scheut, sollte sich aber zumindest weitgehend informieren, mit welchen unliebsamen Überraschungen er dann jeweils zu rechnen hat. Gut Naß!

Erstveröffentlichung 18. August 2006
neue und ergänzte Fassung:

21. Mai 2008