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RATGEBER/302: Ein Filter für alle Fälle gegen die Weltwassernot (SB)


VON APFELESSIG BIS ZITRONE

Wasserfilter aus Dreck und Dung


Frisches, sauberes Wasser ist schon lange für große Teile der Weltbevölkerung keine Selbstverständlichkeit. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben mehr als ein Drittel der Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Wegen mangelhafter Wasserqualität und hygienischer Bedingungen sterben jährlich etwa 1,8 Mio. Menschen an Durchfallerkrankungen, überwiegend Kinder unter fünf Jahren. Das ist, seit das Problem 2003 thematisiert wurde, nicht besser geworden, vor allem in den Metropolen der Dritten Welt wie Manila spitzt sich die Situation drastisch zu. Die Zukunft der Wasserversorgung ist ungewiß.

Der australische Materialforscher Tony Flynn von der Australian National University in Canberra stellte schon vor wenigen Jahren eine einfache, leicht zu improvisierende Wasserfiltriermethode vor, die von Abenteuerreisenden, die diese Länder besuchen, gleichermaßen wie von der armen Bevölkerung ohne große chemische Vorkenntnisse angewendet werden könne, um auch noch das Wasser aus schlammigen Wasserlöchern oder Pfützen genieß- oder zumindest trinkbar zu machen.

Seiner Meinung nach reiche eine Handvoll Lehm, Tee, Reis, Stroh und Kuhfladen, schlicht also Dreck und Dung, damit - so der Wortlaut eines Berichts in Pressetext.de - auch arme Länder in Zukunft sauberes Trinkwasser bekommen könnten.

Die Technik ist frappierend einfach und kann auch von handwerklich interessierten Laien leicht nachgeahmt werden. Zunächst wird Lehm mit Teeblättern und Reiskörnern verknetet in eine schüsselartige Form gedrückt und anschließend in einem einfachen Feuer aus Stroh und Kuhdung gebrannt. Eine genauere Beschreibung dazu lieferte pte:

Zur Herstellung der Filter wird eine Handvoll trockener, zerstoßener Lehm mit organischen Materialien wie Teeblättern, Kaffeesatz oder Reishülsen und etwas Wasser zu einer festen Masse vermischt. Daraus wird ein zylindrischer Topf geformt, der an einem Ende geschlossen ist. Diese Form wird in der Sonne getrocknet und dann gebrannt, berichtet der Hochschulverbund. Zum Brennen wird der Filter mit Stroh umgeben und auf einen Haufen Kuhdung plaziert. Nach einer Stunde ist der Filter gebrauchsfertig.
(Pressetext.de, 14. Januar 2005)

Der auf diese Weise mit weit verbreiteten und billigen Materialien hergestellte Filtertopf könne - das hätten erste Testreihen ergeben - 96,4 bis 99,8 Prozent der im Wasser enthaltenen Coli-Bakterien zuverlässig entfernen. Die danach noch nachweisbaren Keime bewegen sich damit deutlich in einem für Menschen ungefährlichen Bereich.

Der Filtrierungsvorgang beruht auf dem einfachen Porenprinzip: Die im Lehm vorhandenen Poren sind groß genug, um Wassertropfen hindurch zu lassen, jedoch nicht Bakterien und Viren. Das organische Material (Kaffeesatz, Tee usw.), mit dem der Lehm vermischt wird, verbrennt im Dungfeuer vollkommen und hinterläßt so Höhlungen und kleine Blasen im Filter, die vermutlich den Durchlauf des Wassers fördern.

Angeblich sei dies aber auch eine "spezielle Struktur, durch die Keime und Verunreinigungen aus dem Wasser herausgefiltert werden".

Während letzteres nicht unbedingt nachvollziehbar ist, überzeugt doch die einfache Beschaffung der Materialien und die einfache Brennmethode: Teure Brennöfen entfallen, wertvolle und kostenintensive Brennmaterialien wie Gas oder Holz sind nicht notwendig.

Offenbar können mit einem Filtriervorgang von etwa zwei Stunden aus einem Liter Wasser sämtliche Krankheitserreger wie beispielsweise Coli- Bakterien zuverlässig entfernt werden. Von etwaigen Vakuumpumpen oder ähnlichem Hilfsgerät, um das Wasser durch das dichte Material zu saugen oder zu drücken ist hier allerdings nicht die Rede. Zwei Stunden für ein Liter Wasser ist aber auch keine Zeit, die man nach westlichen Maßstäben effektiv nennen würde. Und jeder, der vielleicht mal versucht hat, durch einen Blumentopf aus porösem gebrannten Ton Wasser zu filtrieren, weiß, daß es auch wesentlich länger dauern kann. Nicht umsonst haben Blumentöpfe das berüchtigte kleine Loch im Boden, damit das Wasser vom Blumengießen dort abfließen kann, ehe die Pflanzenwurzeln zu faulen beginnen.

Bei den vorherrschenden Temperaturen in den Ländern der Dritten Welt verdampft das Wasser vermutlich noch an der Außenfläche des Filtertopfes, ehe das "Filtrat" abtropfen kann...

Keimfilter, mit denen beispielsweise entkeimtes Wasser für die Herstellung von Arzneien hergestellt wird, bestehen aus keimundurchlässigen Membranen mit definierter Porengröße, durch die das Wasser z.B. innerhalb einer Spezialspritze aus gutem Grund mit sehr hohem Druck gepreßt werden muß.

Das Ganze erinnert ein wenig an eine frühere Idee, die über Videotext verbreitet wurde, gerade Inder sollten sich nicht über ihre Wasserqualität beklagen, da sie mit einfachen Mitteln Diarrhöen und ähnlichem vorbeugen könnten, wenn sie ihre alten, vorzugsweise Seidensaris zusammengefaltet als Wasserfilter verwenden würden. Auch das sollte eine Porengröße ergeben, in der sich ausreichende Keimmengen verfangen sollten.

Doch nie wurde ein Wort darüber verloren, daß die im Filter zurückbleibenden Keime gerade hier die besten, feuchtwarmen Brutbedingungen vorfinden. Die preiswerten Wasserfilter werden daher schnell zu effektiven Keimschleudern, wenn sie nicht entsprechend oft gewartet, neu gebrannt oder ausgetauscht werden. Und die Frage, wann ein solcher Filter zu belastet ist, um noch als Filter zu wirken, wurde ebenfalls ausgeklammert, zumal auch die Ausgangsbelastung des Wassers eine weitere Unbekannte ist.

Statt dessen wurden in dem Bericht die hehren Ziele des Forschers mehrfach gelobt, eine effektive Filtertechnik zu entwickeln, die auch in den ärmsten Staaten der Welt einfach und ohne großen Aufwand Wasser von gefährlichen Pathogenen befreit, damit allen Menschen sauberes Trinkwasser zugänglich gemacht werden könne.

Deshalb habe man die Herstellung und Anwendung der Filter auch bewußt einfach gewählt. Man brauche dazu keinerlei westliche Technologien oder spezielle Ausrüstungen und die Erfindung solle auch nicht patentiert werden, damit sie jeder überall anwenden kann. Das ist Augenwischerei.

Abgesehen davon, daß das Wasser ohnehin direkt nach dem Filtriervorgang sofort verwendet werden muß, weil sich natürlich auch aus einem unschädlichen Rest an Keimen bei tropischen Temperaturen sehr schnell wieder ein neuer Bioteppich entwickelt, und der noch ausstehenden Frage, wie schnell so ein Wasserwandler erschöpft ist, bleibt das Ganze für den Teil der von Wasserverknappung betroffenen, durstenden Weltbevölkerung natürlich eine Farce. Denn welches Wasser soll man filtern, wenn überhaupt keines verfügbar ist. Beispiele dafür, daß gerade den Ärmsten Wasser vorenthalten wird, gibt es genug.

Besonders in Entwicklungsländern liegt die Wasserversorgung oft in privater Hand. So wurde beispielsweise in Manila, Philippinen, das marode Versorgungssystem aus Geldmangel an zwei private Investoren verkauft. Die Bevölkerung setzte sogar Hoffnungen in diesen Verkauf. Doch innerhalb weniger Jahre haben sich die Preise vervierfacht, die Wasserqualität und die Infrastruktur wurden dagegen nicht verbessert. Für die arme Bevölkerung ist selbst dieses schlechte Wasser unerschwinglich geworden.

Und in der drittgrößten bolivianischen Stadt El Alto zeigte sich, daß private Wasserversorger die Bezeichnung "blaues Gold" für Wasser gerne wörtlich nehmen, ohne daß die Bedürfnisse der Bevölkerung dabei eine Rolle spielen.

Dem französischen Wasser-Multi Suez-Lyonnaise des Eaux wurde 2005 aufgrund massiver Bevölkerungsproteste die Konzession zur Wasserversorgung von der Regierung entzogen. Sieben Jahre nach Konzessionserteilung waren die Wassergebühren drastisch gestiegen, tausende Haushalte können sich die exorbitante Anschlußgebühr von 445 Dollar nicht leisten, da diese Summe mehr als der Hälfte des durchschnittlichen Jahreseinkommens entspricht. Nach dem Wasserkrieg von Cochabamba 2000 war das schon das zweite Beispiel für eine fehlgeschlagene Wasserprivatisierung in Bolivien. Ähnliche Probleme hat es zudem in Jakarta und Buenos Aires gegeben.

Korruption ist natürlich, technisch ausgedrückt, durchaus ein weiterer begrenzender Faktor für die Wasserversorgung. Doch dienen selbst die hier kurz angerissenen Probleme immer noch dazu, den eigentlichen Notstand in seinem ganzen Ausmaß zu verschleiern und auf ein reines Verteilungsproblem zu reduzieren. Mit den schmelzenden Polkappen und den zunehmenden Schadstoffeinträgen in die Trinkwasserressourcen sind diese Privatisierungsbestrebungen (selbst die in England, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland) Anzeichen dafür, daß das Wasser knapp wird.

Fazit: Wo kein Wasser ist, hilft auch kein Filter!

Erstveröffentlichung 27. Januar 2005
neue, aktualisierte Fassung

11. September 2009