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RATGEBER/320: Was ist Araschid - Ekeltherapie oder Naturheilmethode? (SB)


VON APFELESSIG BIS ZITRONE

Naturheilmittel


Araschid oder die Kunst des Sonnenblumenölkauens

Wahre Wunder versprechen sich und anderen die Verfechter eines hierzulande recht eigentümlich anmutenden Verfahrens, Öl im Mund zu kauen und durch die Zähne zu ziehen, das in der russischen Volksmedizin unter der Bezeichnung "Araschid" (von russ. Sonnenblume) Tradition hat. Das sogenannte Ölziehen oder -kauen konnte sich in Westeuropa bisher wenig durchsetzen, kostet es doch einige Überwindung, den Mund allein mit reinem Pflanzenöl zu spülen. Dennoch ist die Methode schon seit Jahrzehnten bekannt und wird von einigen Heilpraktikern empfohlen.

Da im Zuge einer stärker geforderten Selbstbeteiligung bei den Patienten und somit Notwendigkeit zu wirksamer Karies- und Parodontoseprophylaxe Araschid nun auch von Zahnärzten empfohlen wird, schien es angebracht, Heilsversprechen und eventuell tatsächlich vorhandenen Wirkungsmöglichkeiten einmal nachzuspüren.

In unseren Breiten wurde die Methode von Dr. F. Karach eingeführt [1], der über die seiner Ansicht nach ebenso simple wie wirkungsvolle Methode auf einer Tagung des Allukrainischen Verbandes der Onkologen und Bakteriologen an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR referierte. Sie besteht ganz einfach darin, Sonnenblumenöl im Mund hin und herzubewegen. Dr. Karach ließ dabei keinen Zweifel an seiner Überzeugung, man könne auf diese Weise verschiedenen Krankheiten nebenwirkungsfrei vorbeugen und sie auch ausheilen.

Die Methode ist einfach nachzuvollziehen. Ein Eßlöffel Pflanzenöl - empfohlen wird zum Beispiel kaltgepreßtes und unraffiniertes Sonnenblumenöl (aber auch andere hochwertige Öle entsprechender Qualität, beispielsweise Distelöl, Hanföl, Rapsöl usw. sind ebenso brauchbar) - soll in den Mund genommen und in der Mundhöhle, bei geschlossenem Mund ohne Hast und ohne besondere Anstrengung etwa 15 bis 20 Minuten bewegt, d.h. gespült, gesaugt, durch die Zähne gezogen und anschließend ausgespuckt werden.

Das zu Beginn dickflüssige Öl, wird durch die intensive Bewegung im Mund mit Speichel verflüssigt zu einer dünnflüssigen Emulsion von milchigweißer Farbe. Wenn die ausgespuckte Lösung noch öliggelb erscheint, war die Zeit des Ölbewegens im Mund noch nicht ausreichend.

Das Sonnenblumenöl soll auf keinen Fall geschluckt werden, da es sich nach Vorstellung seiner Vertreter mit fett- und wasserlöslichen Schadstoffen sowie Bakterien und Toxinen im Verlauf der Anwendung anreichert, die man auf diese Weise von der Mundschleimhaut lösen und aus dem Körper entfernen soll.

Nach dem Ausspeien wird die Mundhöhle gründlich mit warmem Wasser gespült und die Zähne noch einmal von Ölresten und dergleichem mit einer Zahnbürste befreit. Empfohlen wird, diesen Vorgang morgens noch vor dem Zähneputzen bzw. mittags oder abends jeweils vor den Mahlzeiten - aber nicht öfter als zwei- bis dreimal täglich (hier widersprechen sich die Angaben) - durchzuführen.

Allein für den oft nur kostspielig zu sanierenden Mundraum (Zähne und Zahnfleisch) wären die versprochenen Therapieerfolge schon die Überwindung und einen Versuch wert, schließlich sollen lockere Zähne fester und das Zahnfleisch straffer werden, die Zahnsteinbildung zurückgehen, Zähne weißer und gesünder aussehen und selbst Parodontose (Entzündungen des Zahnfleisches) soll damit geheilt werden können.

Doch damit nicht genug. Unter der Webadresse von Matthias Eubel: www.m-eubel.de/Infos/div/sonne.html werden die Heilversprechen kurzerhand wie folgt zusammengefaßt:

Das Ölziehen hilft generell bei Immunschwächesyndromen, bei längerfristigen körperlichen und psychischen Schwächezuständen und bei den Erkrankungen, die daraus hervorgehen können. Nach Dr. F. Karach liegen Berichte über beispiellose Erfolge mit der Methode des Ölziehens bei folgenden Krankheiten vor: Kopfschmerzen, Bronchitis, Thrombosen, chronische Bluterkrankungen, Arthrosen und andere rheumatische Erkrankungen, Ekzeme, Magengeschwüre, chronische Darmerkrankungen, Herz- und Nierenbeschwerden, gynäkologische Erkrankungen, Nervenkrankheiten und Lebererkrankungen. Vorbeugend wird gleichzeitig das Entstehen lebensgefährlicher Auswüchse (Krebs) verhindert.
(aus: Die Sonnenblumenöltherapie von Matthias Eubel [1])

Die Indikationen des Ölsaugens werden auf einer anderen Seite [2] noch breiter aufgefächert dargestellt:

* Atemwege: Husten, Bronchitis, Erkältungen, Grippe, Asthma,
* Mund und Rachenraum: Zahnfleischentzündungen, -blutungen, Parodontose, Mandelentzündungen usw.
* Kopfbereich: trockenes Auge, Augenbrennen, Hornhautentzündungen
* Herz und Kreislauf: Herzrhythmusstörungen, labiler Kreislauf, Thrombosen...
* Haut: Ekzem, Schuppenbildung, Neurodermitis, Hautausschläge, Akne, Schuppenflechte...
* Verdauung: Sodbrennen, Magenschmerzen, Gastritis, Darmgeschwüre
* Sonstige: Prämenstruelles Syndrom, Infekte der Harnwege, Karies, Pilzerkrankungen...


Daß fleißiges Ölkauen auf diese Weise bis hin zu Krebserkrankungen gewissermaßen einfach gegen ALLES wirken soll, wirkt unseriös und reizt zum Widerspruch. Die Frage drängt sich auf, ob nicht schon das Beenden der 20minütigen, wenig reizvollen und unangenehmen Behandlung eine Erleichterung und gesamtkörperliche Entspannung zur Folge hat, die als Wohlgefühl interpretiert und mit einer tatsächlichen Wirkung einfach verwechselt wird.

Nachvollziehbar scheinen allerdings durchaus die negativen Einflüsse, die sich, von geringen Entzündungsherden im Mundraum ausgehend, auf den Gesamtorganismus auswirken können. Inzwischen wurde klinisch nachgewiesen, daß manche Keime im Mundraum Herzerkrankungen auslösen oder negativ beeinflussen können. Entsprechend plausibel erscheint, daß manch chronische Erkrankung oder Befindlichkeitsstörung über Keim- und Entzündungsherde, die sich an den Zahnwurzeln festsetzen können, zustande kommen, die gewissermaßen als ursächliche Unwucht im Stoffwechselsystem eine bisher wenig beachtete Rolle spielen können.

Laut Eubel reichen die Zähne mit ihren Wurzeln bis in die Kieferknochen und deren Hohlräume hinein. Diese Hohlräume würden vom körpereigenen Abwehrsystem nur schlecht erreicht. Mikroorganismen, die über die Zahnhälse in diese Hohlräume gelangen, würden nun in dem feuchten, warmen und schlecht durchbluteten Milieu ideale Bedingungen vorfinden, um sich festzusetzen und zu vermehren. Es entstehen sogenannte "Zahnherde", die den Körper mit ihren Stoffwechselprodukten schädigen. Ist das Immunsystem schwach, werden die Herde größer und belastender für den Gesamtorganismus. Auch das ist nachvollziehbar.

Erst ab einer gewissen Größe lassen sich diese Herde röntgenologisch nachweisen. In diesem Fall, also bei nachweisbaren Entzündungen, gehen Mediziner davon aus, daß innere Organe von diesen Entzündungsherden geschädigt werden können. Oft werden erst dann wesentlich unangenehmere Maßnahmen der Zahnsanierung ergriffen, die man sich - möglicherweise durch Anwendung der Araschid-Methode schon im Vorfeld der Krankheitsentstehung, durchaus ersparen könnte.

Doch wie soll sie wirken? Drei Gründe werden vordinglich genannt:

1. Die Bewegung des Sonnenblumenöls im Mundraum bewirke eine deutliche Schleimhaut- und Gewebedurchblutung. Sie soll zudem die Thymusdrüse (und damit die körpereigene Abwehr) anregen. Auch der Lymphfluß komme besonders im Kopfbereich abhängig von der Muskelbewegung durch das Kauen an der Backen-, Schläfen-, Halsregion usw. erheblich in Gang. Lymphe sollen einen Einfluß auf das Immunsystem besitzen.

Dieser mechanische Einfluß läßt sich nachvollziehen, müßte jedoch streng genommen dann auch durch die ganz normale Kaubewegung (je mehr, umso besser) zu erreichen sein. Mit profanem Kaugummi ließe sich demnach ein ähnlicher Effekt erzielen.

2. Dagegen führen die Vertreter der Araschid-Methode Vitamine und Mineralstoffe des Sonnenblumenöls an, die von den Schleimhäuten aufgenommen werden, während die Öl/Speichel-Emulsion gleichzeitig Keime an den Zahnhälsen und dem Zahnfleisch aufnimmt, und sie aus dem Körper entfernt.

Diese reinigende Wirkung sollte allerdings auch mit den hierzulande modern gewordenem Zahnbürsten und anschließenden hygienischen Spülungen mit Wasser oder Mundwässern erreicht werden. Denn auch Zahnpasta kann fettliebende Schadstoffe aufnehmen und wirkt antiseptisch (keimtötend) auf Mikroorganismen.

Sonnenblumenkerne enthalten tatsächlich die Vitamine B, D, E, K, (Vitamin D ist hierin sogar konzentrierter als in Lebertran, Vitamin B ist höher konzentriert als in Weizenkeimen), Kalzium, Phosphor, Silizium, Magnesium und Fluor sowie Spurenelemente, Lecithin und Carotinoide. Fraglich bleibt jedoch, wieviel dieser Mikronährstoffe in den Organismus gelangen können, wenn man das Öl doch wieder ausspeit. Sonnenblumenölhaltige Lebensmittel wären doch wesentlich "nahrhafter".

3. Das Ölziehen stelle schließlich das "Gleichgewicht" in der Mikroflora wieder her, Zellen, Gewebe und Organe könnten regenerieren.

Dazu läßt sich wenig sagen, denn der Begriff "Gleichgewicht" klingt gut, sagt aber letztlich in diesem Zusammenhang nichts aus. Denn voraussetzen würde er ein erwünschtes Verhältnis von positiven, nützlichen Keimen gegenüber ... ja was? - "schädlichen" Keimen, Krankheitserregern? Das scheint doch sehr unlogisch.

Darüber hinaus müßte die Anwendung demzufolge selektiv nur negative Keime erfassen, während sie die gewünschte natürliche Mundflora (ebenfalls Mikroorganismen) unberührt läßt. Entweder aber lassen sich Keime durch die erzeugte Öl/Speichel-Emulsion auswaschen und entfernen oder eben nicht. Eine Selektion ist mechanisch nicht vorstellbar.

Wesentlich vorstellbarer wäre hier tatsächlich die Möglichkeit einer Selektion der Herauslösung und Ausscheidung von fettlöslichen Schadstoffen, z.B. von in Lebensmitteln enthaltenen Giften und Pflanzenschutzmitteln, die vielleicht die natürliche Mundflora stören. Diese neutralisiert dann wiederum über ihre immanente eigene stabilisierte Abwehr unerwünschte Keime. Doch so differenziert wird die Methode nicht erklärt und wissenschaftliche Untersuchungen, die den Heilerfolg hinterfragen, scheint es bislang auch nicht zu geben.

Auch die mögliche Belastung des Öls mit entsprechenden Schadstoffen, die sich dieser Tage kaum noch vermeiden läßt, wird nicht weiter diskutiert. Dafür wird aber ebenfalls unhinterfragt eingeräumt, es könne zu Beginn der Therapie zu einer "scheinbaren" Verschlechterung des Zustands kommen.

Schließlich grenzt nur der Hinweis, "die beschriebene Anwendung sollte zumindest so lange täglich vorgenommen werden, bis eine deutliche Steigerung des Wohlbefindens spürbar ist", den therapeutischen Behandlungszeitraum der Methode ein, ergänzt durch die eindeutigen, äußerlich sichtbaren Anzeichen einer Besserung:

"Nach dem Erwachen darf keine Müdigkeit vorherrschen und es dürfen keine Tränensäckchen unter den Augen zu sehen sein. Ein gesunder Hunger und ein guter Schlaf sollten sich eingestellt haben." [1]

Bewährt haben sich auch Kuren von vier bis sechs Wochen im Frühjahr und im Herbst, bei chronischen Krankheiten kann die Therapie aber, bis Linderung spürbar ist, bis zu einem Jahr andauern.

Da eigentlich niemand durch die Verbreitung der preiswerten, einfach auszuprobierenden Therapie entscheidende Vorteile zu haben scheint, noch durch die Verbreitung der Methode ein auffälliger Konjunkturaufschwung für bestimmte Öl-Produkte zu erwarten ist, läßt sich die Empfehlung auch nicht als Werbung für ungesättigte, naturbelassene Öle, Bioprodukte oder dergleichen abwerten. Sie scheint offensichtlich einfach nur von Menschen zu stammen, die aus eigener Erfahrung von diesem Verfahren überzeugt sind und nun etwas wahl- und hilflos nach möglichen Erklärungen für die Wirkung suchen.

Doch selbst wenn sich adhoc keine wissenschaftliche Begründung finden
läßt, warum Ölziehen einen positiven Einfluß auf die eigene Gesundheit
nehmen kann, lassen sich doch jahrelang bewährte und erfolgreiche
Praxis wie zufriedene Patienten nicht einfach ignorieren, zumal sich
der Nutzen doch im glaubhaft ungefährlichen Selbstversuch leicht
überprüfen läßt. Kurzum: "Wer heilt - hat recht."

Quellen:
[1] Die Sonnenblumenöltherapie, entnommen der Webseite der
Naturheilpraxis Matthias Eubel: www.m-eubel.de/Infos/div/sonne.html

[2] aus Naturheilkunde Forum: www.cysticus.de/oelziehen.htm

06. Juni 2011