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RATGEBER/321: Mit Plasma-Kanonen gegen Ehec-Bakterien (SB)


Plasmastrahlen - Da werden die Sprossen schlapp und die Bakterien wundern sich...


Es ist still geworden um das Thema EHEC (kurz für: EnteroHämorrhagische Escherichia Coli), das die Medien seit Mitte Mai mit Stoff versorgt und nicht nur Betroffene extrem verunsichert hat. Denn abgesehen davon, daß es sich im Falle des als Ehec bekanntgewordenen Bakteriums, genauer "HUSEC041 (O104:H4)", um einen seltenen Hybrid-Klon handelt, der durch das gleichzeitige Auftreten mehrerer seltener Ereignisse zufällig eine Mehrzahl verheerender Eigenschaften in sich sammeln konnte, unter deren Folgen fast alle Infizierten bis an ihr Lebensende leiden werden, ist jedem Verbraucher von Frischgemüse und anderen Lebensmitteln doch wieder einmal klar vor Augen geführt worden, daß nicht nur Gifte und E-Nummern aus Agrar- und Lebensmittelchemie unsere Nahrung kontaminieren, sondern daß es offenbar nicht immer ausreicht, Gemüse gründlich zu waschen, um Lebensmittel chemiearm, genußfertig und hygienisch für Verzehr und Weiterverarbeitung vorzubereiten.

Der neue an Science Fiction und GenTec erinnernde Hybrid-Klon-Stamm, der das gefürchtete Shigatoxine 2 produziert, welches über seine Bindung an Nieren- und Gehirnendothelzellen Niereninsuffizienzen und zerebrale Schädigungen hervorrufen kann und für die schweren, unter Umständen tödlichen Krankheitsverläufe verantwortlich sein soll, klebt offenbar "wie Teufel" auf allen Oberflächen und läßt sich mit dem Wasserstrahl nur bedingt entfernen. So hieß es in einer u.a. im Schattenblick veröffentlichten Mitteilung des Informationsdienstes Wissenschaft (idw) vom 10. Juni 2011:

Der jetzige Ausbruchsstamm und der zehn Jahre alte HUSEC041, aber auch andere Stämme aus der HUSEC-Referenzstammsammlung, zeigen das gleiche Adärenzmuster ("Anheftungsmuster") an Darmzellen. Auch außerhalb des Körpers kleben sie an allen Oberflächen, weil sie ausgezeichnete Biofilmbildner sind. "Bei dem jetzigen Ausbruchsstamm von einer Neuentwicklung zu sprechen, halte ich daher für nicht angemessen", betont Prof. Karch. [1]
(idw, 10. Juni 2011)

Darüber hinaus sind die hartnäckigen Bakterien mit einer offensichtlich alienartigen Resistenz gegen Säure ausgerüstet, so daß sie selbst den menscheneigenen Konverter für dererlei oral zugeführte Fremdorganismen, das Salzsäurebad im Magen, durchaus überstehen. Auch hierüber gab der Artikel des idw einige aufschlußreiche Fakten bekannt:

Aktuell laufen in Münster der Abgleich der Genomsequenzen der HUSEC041-Isolate aus den Jahren 2011 und 2001 sowie weitere umfangreiche Untersuchungen. Bereits fest steht, dass der aktuelle Erreger wie ein "klassischer" EHEC sehr niedrige pH-Werte (2,5 bis 3,5) mindestens zwei Stunden toleriert. Das bedeutet, dass er anders als z.B. Salmonellen die normale Säurebarriere des menschlichen Magens überstehen kann und wahrscheinlich schon wenige Keime zur Infektion und zur Erkrankung führen können. [1]
(idw, 10. Juni 2011)

Anders gesagt, die bisher gefürchteste Lebensmittelinfektion mit Salmonellen ist nur deshalb gefährlich, weil sie sich außerhalb in Lebesnmitteln schnell vermehren und im massiven Angriff dann doch den Magen passieren und in den Darm gelangen können. Bei Ehec reichen einige wenige Keime, die sich dann sofort im Darm vermehren können.

Noch weniger appetitlich ist eine weitere Schlußfolgerung, die in der Forschungsgruppe um Prof. Dr. Dr. h.c. Helge Karch am Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster (UKM) gezogen wurde: Angesichts des Ausbreitungsmusters der Erkrankungsfälle in Deutschland könne man nahezu auszuschließen, daß die Infektionen nur über Kontakt von Mensch zu Mensch, d.h. über Schmierinfektionen, erfolgen. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, daß die Keime z.B. "über menschliche Fäkalien in die Umwelt" und in andere Infektionsträger gelangten. Diese möglichen Infektionsträger müssen natürlich erst gefunden werden, was bis heute nicht geschehen ist. So bleibt außer klebrigen "Ehec-Erregern" auch noch der unschöne Verdacht haften, daß die Ursache letztlich doch schlicht Sch... im Salat war. Daß Gemüse mit ungeklärtem Brauchwasser gewässert wird, ist in manchen trockenheitsgeplagten Ländern schon längst gang und gäbe. Doch hierzulande verstießen solche Praktiken gegen die "Gute Agrarpraxis". Entsprechend weisen Gemüsebauern jedwede Verdächtigung von sich. Wer sich nicht mehr auf den langen Weg der Institutionen verlassen will und angesichts der vielen widersprüchlichen Aussagen auch nicht mehr weiß, welche Gemüsesorten eigentlich noch roh verzehrbar sind, greift zur Selbsthilfe und kocht alles ab. Doch was ist mit dem unbezahlbar gesunden Vitaminen in frischem Salat?


Kaltes Plasma beamt die Keime weg?

Kaltes Plasma - so heißt es nun, sei die Lösung für unverbesserliche Rohkostfanatiker. Mit kaltem Plasma ließen sich auch die hartnäckigen Ehec-Erreger, aber auch alle anderen Bakterien und Mikroorganismen bei bestenfalls nur 40°C abtöten, ohne daß der Salat schlapp wird. Doch was ist "kaltes Plasma"? Hieße das nicht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben?

Der Verdacht liegt nahe, denn Plasma erinnert an Kernfusion und HighTec-Physik, an ionisierte Gase und über diesem Weg auch an Radioaktivität, obwohl es mit letzterem nicht unbedingt etwas zu tun haben muß. Als Plasma bezeichnet man ein "ionisiertes Gas". Doch das kann vieles sein und aus vielen verschiedenen Komponenten bestehen.

Im Gegensatz zu normalen Gasen, die elektrisch neutrale Atome oder Moleküle enthalten sollen, die sich unter bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen völlig frei bewegen, sind ionisierte Gase laut Definition "angeregte" Gase, bei denen z.B. mit Hilfe eines glühenden Drahts oder eines angelegten starken elektrischen Felds den Gasatomen oder -molekülen Elektronen aus den äußeren Elektronenhüllen entrissen werden. Auf diese Weise entstehen positive Ionen und negative Elektronen, die sich unabhängig voneinander bewegen sollen. Solche Zustände erreichen normalerweise, komplett ionisiert, Temperaturen bis zu 100.000 Grad Celsius. Ein derart nach außen neutrales Kationen/Elektronen-Gas bezeichnete der amerikanische Wissenschaftler Irving Langmuir 1928 erstmals nach dem griechischen Wort für "Gebilde", "Gebildetes" oder "Geformtes" als "Plasma".

Tatsächlich behaupten Physiker, Plasmen seien gar nichts Unnatürliches. Angeblich soll etwa 99 Prozent des Weltalls (der bekannten sichtbaren Materie) in diesem vierten Aggregatzustand, also Plasma, existieren (das Sonnenplasma ist nur ein Beispiel). Ein Gewitterblitz reicht aber auch schon zu seiner Erzeugung aus. Plasmen sind die Ursache für Phänomene wie die Nordlichter oder das Elmsfeuer, von denen bereits unsere Vorfahren fasziniert waren. Selbst in der Nähe einer Kerzenflamme lassen sich schon ionisierte Gasteilchen finden, die im übrigen für das Leuchten der Kerze verantwortlich sind, wenn sie von ihrem angeregten Zustand in den Normalzustand zurückfallen und dabei Licht aussenden.

Bei Sturm sahen die Seeleute früher oft ein helles Leuchten an den Spitzen der Schiffsmaste. Dieses Elmsfeuer genannte Phänomen wurde früher als ein göttliches Zeichen angesehen, doch in Wirklichkeit ist es ein Beispiel für die natürliche Bildung von Plasma. Vor einem Gewitter lädt sich die Luft elektrisch auf und da ein elektrisches Feld dazu neigt, sich um spitze Objekte herum anzusammeln, reicht das Potenzial dann aus, um die Umgebungsluft zu ionisieren und das für das Elmsfeuer charakteristische schwache bläuliche oder violette Leuchten zu erzeugen.

Plasmen sind auch die Ursache des Nordlichts. Nordlichter werden durch magnetische Stürme von der Sonne verursacht, die einen Strom von geladenen Teilchen bilden und mit den Atomen der Ionosphäre zusammenprallen. Je nach Höhe bildet sich dann Stickstoffplasma, Sauerstoffplasma oder auch Wasserstoffplasma.

Vor nicht allzu langer Zeit konnten die Forscher beobachten, dass bei Blitzentladungen in den höheren Schichten der Atmosphäre Plasmen entstehen, deren Lebensdauer maximal fünf Millisekunden beträgt. Je nach Typ gaben sie ihnen Namen: Elfen, Kobolde, rote Sylphen. Das Experiment Lightning and Sprites Observations der Internationalen Weltraumstation ISS versucht die Ursachen dieser kurzlebigen Phänomene noch eingehender zu ergründen.
www.esa.int
[2]

Die eigenartige elektrisierende Wirkung, die derart aufgeladene Luft auch auf den menschlichen Körper und seine Psyche hat, wird zwar in der konventionellen Medizin kaum berücksichtigt, läßt sich aber, wie jeder aus eigener Anschauung erkennen wird, nicht verleugnen.

Während die Sonne wie die meisten bekannten Plasmen ein Beispiel für sogenannte "thermische", also "heiße" Plasmen ist, deren Ionisation auf hohe Temperaturen zurückzuführen ist, gibt es auch "Niedertemperatur" (NTP) oder "kalte" Plasmen, die durch elektrische Wechselfelder, z.B. in einer Leuchtstoff- beispielsweise Neonröhre, erzeugt werden können. Weitere Anwendung der NT-Plasmatechnik hat vor nicht allzu langer Zeit zur Entwicklung der extra großen und flachen Plasmabildschirmen geführt. Weitere Ableger dieser Forschung werden inzwischen gerne in der industriellen Produktion eingesetzt. Denn mit den ionisierten Gasteilen, beispielsweise aggressiver, ionisierter Sauerstoff, lassen sich gut Metalloberflächen reinigen. Die dabei erzeugten Peroxide reagieren schnell mit organischen Verunreinigungen wie Fetten oder Kühlschmierstoffen und spalten sie in leichtflüchtige Verbindungen oder leichtlösliche organische Säuren. In Kunststoffe bringt man mit Hilfe eines solchen Plasmas sauerstoffhaltige Gruppen ein, verbessert ihre Klebeeigenschaften oder die Haftung von Lacken auf Oberflächen.

Nun soll es auch der Lebensmitteltechnologie in Industrie, aber auch im Privathaushalt, zu neuer Keimfreiheit verhelfen, und zwar immer dann, wenn hohe Temperaturen oder chemische Substanzen unangebracht sind, weil sie die Lebensmittel schädigen würden. Schon vor etwa drei Jahren hat eine Forschergruppe vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching unter der Leitung von Prof. Dr. Gregor Morfill ein kleines Gerät entwickelt, in welchem Ärzte und Pflegepersonal in wenigen Sekunden ihre Hände desinfizieren können, statt sie mit Hilfe spezieller Handwaschlotionen von Erregern zu befreien. Zudem untersuchten sie in einer zweiten Studie, wie offene Wunden dank einer ähnlichen Plasmabehandlung schneller abheilen, weil sie von Erregern frei gehalten werden. Die Physiker präsentieren ihre beiden Studien online im "New Journal of Physics". Die gleichen Prototypen (ein größeres für industrielle Anwendung und ein kleines, taschenlampengroßes, etwa 100 Euro teures für den Hausgebrauch) hat die Gruppe nun auch als potentielles Mittel gegen die Erreger des Stamms O104:H4 überprüft und für wirkungsvoll befunden.

Mehr als 100 Kulturen der Ehec-Bakterien reduzierten die Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik und des Städtischen Klinikums Schwabing mit kaltem Plasma drastisch. Bei allen Bakterien handelte es sich um Shiga-Toxin produzierende E. coli Bakterien des Serotyps O104:H4, die während der aktuellen Ehec-Welle von fünf Patienten mit HUS-Syndrom isoliert wurden. Die Kulturen der Erreger behandelten die Wissenschaftler in der Mikrobiologie-Abteilung des Schwabinger Krankenhauses mit zwei Prototypen, die kalte Plasmen erzeugen und am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik konstruiert wurden. "Die Resultate sind aus unserer Sicht sehr überzeugend", sagt Gregor Morfill, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und Leiter der Untersuchung. "Die Ehec-Bakterien sind zwar etwas widerstandfähiger als normale E. coli Bakterien, für die Inaktivierung spielt das aber keine Rolle." [3]
(idw 17. Juni 2011)

In den aktuellen Experimenten verminderte der Test-Apparat die Zahl der Ehec-Erreger in 15 Sekunden auf ein 10.000stel - das reiche aus, damit Obst und Gemüse bedenkenlos verzehrt werden können. Die Do-it- yourself-Anwendung für den Hausgebrauch soll Krankheitskeime sogar in 20 Sekunden auf ein 100.000stel reduzieren. [3]

Den Geschmack oder den Vitamingehalt der Lebensmittel dürfte die Plasmabehandlung nicht verändern - das zumindest vermuten die Forscher, und zwar aus mehreren Gründen: Kalte Plasmen sind stark verdünnt, nur etwa jedes milliardste Molekül wird ionisiert. Das damit behandelte Gemüse würde gerade einmal handwarm. Die Moleküle der Luft sollen auch nur für kurze Zeit ionisiert werden. Anschließend würden sie wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückkehren, so daß dieses Plasma angeblich keine Spuren hinterläßt. Zudem wirke es nur oberflächlich. Das hätten weitere Untersuchungen an menschlichen Haut ergeben, die bei Behandlung mit Plasma keine für die Forscher feststellbare Veränderung gezeigt haben soll. Doch die ebenfalls an der Garchinger Studie beteiligte Wissenschaftlerin Julia Zimmermann schränkte ein:

"Um eine umfassende Antwort auf die Frage zu geben, ob das Plasma Geschmack und Nährstoffgehalt verändert, müsste man jedoch alle einschlägigen Lebensmittel testen". [3]

Und das wohl aus gutem Grund. Zwar gibt die Garchinger Arbeitsgruppe in diesem Zusammenhang keine weiteren Details über die Funktionsweise des Geräts, der verwendeten Gase oder ihrer speziellen Wirkung auf das Pflanzengewebe. Doch läßt schon der gesunde Menschenverstand kaum eine andere Deutung zu, als daß selbst dichte Biofilme (Bakterienfilme) zerstörende Strahlung bzw. Ionenbeschuß durchaus auch eine Wirkung auf die Pflanzenzellen haben muß, wenn sie dieser ausgesetzt werden!

So sollen Kalte Plasmen beispielsweise im Vergleich zu reinem UV-Licht (ultraviolettes Licht = ein Teil der Sonnenstrahlung, der u.a. auch die Zellwände von Mikroorganismen angreift und sie abtötet) wesentlich intensiver, tiefergreifend und wirkungsvoller sein:

Biodecon hat die Machbarkeit der Sterilisierung medizinischer Instrumente mithilfe von Plasmen und ihre Vorteile nachgewiesen, denn die traditionellen Methoden wie die Behandlung mit ultravioletter Strahlung, hohen Temperaturen oder auch mithilfe chemischer Substanzen sind zwar zwingend notwendig, schädigen oft auch das medizinische Material. Und manchmal sind sie einfach nur wirkungslos. Das ist bei der UV-Bestrahlung der Fall, wenn sich Bakterien auf einem Biofilm ansammeln und mehrere Millimeter starke Keimtrauben bilden. Aber auch bei der Zerstörung von Prionen - Molekülen, die die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verursachen - ist dies unabhängig von der Sterilisierungsmethode der Fall. [2]

Entsprechend wurde schon im Dezember 2009 die Wirkweise einer der oben genannten Prototypen der Garchinger Forscher auf der Webseite "Welt der Physik" wie folgt beschrieben:

Morfill und Kollegen konstruierten eine robuste Flächenelektrode, eine Schicht dielektrischen Materials - einer Teflonschicht - zwischen einer festen Kupferelektrode und einem Drahtgitter. Bei einer Spannung von 18 Kilovolt zwischen Elektrode und Gitterdraht bewirkte das starke elektrische Feld zahlreiche Entladungen von nur Mikro- und Nanosekunden Dauer, welche einige der Luftmoleküle ionisierten. Dies führte zu einem neuen Molekülcocktail aus Ozon, Stickoxiden, Wasserstoffperoxid, freien Radikalen sowie zu ultraviolettem Licht. Alles zusammen tötete Bakterien effektiv ab. Im Test bewährte sich ihr "Plasmaspender", in den sie oben und unten wie in einem Sandwichtoaster zwei Elektroden platzierten. Damit dauerte das Desinfizieren der Hände - einfach durch ein Halten in den Zwischenraum - nur wenige Sekunden. Das herkömmliche Waschen hingegen kann bis zu mehreren Minuten dauern und ein Abtrocknen am Handtuch wieder neue Erreger herbeiführen. [4]

Mit der hier beschriebene Mischung aus Ozon, Peroxid, freien Radikalen und selbst mit der vermeindlich harmloseren UV-Strahlung mag zwar die an Strapazen gewöhnte menschliche Hornhaut durchaus fertig werden. Bei zarten Salatblättern scheint solche Anwendung doch nicht ganz unproblematisch. Denn die Wirkung der aufgezählten Substanzen beruht auf ihrer durch die Ionisierung erhöhten Reaktivität, mit der sie andere Moleküle aufbrechen, um selbst wieder eine Bindung und damit einen stabileren Zustand einzugehen. Sowohl Sauerstoffradikale als auch Peroxide spalten beispielsweise die Doppelbindung von Fettsäuren, wobei übelriechende Buttersäure (Ranzen des Fettes) entsteht. Ölen und Fetten setzt man deshalb gewöhnlich sogenannte Antioxidantien, z.B. Vitamin E oder Vitamin C zu, die schneller als die Fettsäurebindungen mit den aggressiven Ionen (Peroxide, radikale Sauerstoffe) reagieren, dabei selbst in weniger auffällige und geschmacklich nicht wahrzunehmende Bruchstücke gespalten werden und auf diese Weise das frühzeitige Ranzigwerden verhindern sollen. Andere, in Obst und Gemüsen erwünschte, sogenannte sekundäre Inhaltsstoffe, die oft für die Farbe ausschlaggebend sind wie Anthrachinone (blau-rot), Carotinoide (gelb) oder Flavonoide (rot-gelb) reagieren auf die gleiche Weise wie Antioxidantien, denn das sind sie im Grunde ja auch. Auf ihre antioxidative, d.h. radikalenfangenden Eigenschaften, soll letztlich die positive gesundheitliche Wirkung dieser Stoffe beruhen, die in Körperzellen eingedrungene "freie Radikale" neutralisieren sollen, ehe diese das Gewebe angreifen. In den kalten Plasmakanonen zur Gemüsedekontamination werden nun aber umgekehrt freie Radikale erzeugt, um Bakterienzellen und Zellkerne anzugreifen und zu zerstören.

Kurzum, was auch immer die Bakterienwände durchdringt und Mikroorganismen abtötet, spaltet definitiv auch all das, was an Gemüse gesund sein soll und es mit einer attraktiven Farbe versieht. Wie zuträglich die daraus in ungewohnter Konzentration erzeugten Spaltprodukte der Pflanzeninhaltsstoffe oder die haften bleibenden Rückstände der Mikroorganismen für den Konsumenten solcher Lebensmittel ist, bleibt dahingestellt. Absolut harmlos und ohne jede Nebenwirkungen können solche Anwendungen nicht sein, wie die folgenden Zitate zeigen:

Mit ionisierten Sauerstoffplasmen lassen sich verschiedene Materialien auch sehr gut sterilisieren. Denn die Zellwände und die Membranstrukturen von Mikroorganismen überleben den Ansturm ionisierter Teilchen nicht. Dazu kommt, daß die mit dem Plasma einhergehende Strahlung die Erbsubstanz von Bakterien und Pilzen schädigt. [2]

"Wasserstoffplasma wirkt auf Biofilme weitaus stärker und zerstört alle Biomoleküle, einschließlich Prionen, wobei das Risiko der Instrumentenschädigung weitaus geringer als bei herkömmlichen Methoden ist." [2]

Ob man angesichts solcher Fakten nicht lieber beim traditionellen Abkochen bleiben sollte, läßt sich letztlich nur im Zusammenhang mit der Frage beantworten, wie tief die durch Kaltes Plasma erzeugte Ionenstrahlung in das zu dekontaminierende Gut eindringt, oder in wieweit sich damit tatsächlich kontrolliert nur Oberflächen behandeln lassen. Würden sich Kalte Plasma-Beamer allerdings wie behauptet nur auf Oberflächen beschränken können, müßten sich die Forscher wiederum die Frage gefallen lassen, wie denn eine weitere reine Oberflächendekontamination bei den derzeit am meisten als Ehec-Quelle ins Kreuzfeuer geratenen Sproßen die Krankheiskeime beseitigen will. Denn bei diesen, wie auch in anderen Gemüsesorten, die mit Ehec-verseuchtem Wasser kontaminiert wurden, können Bakterien bis ins Innere der Keimlinge eindringen, und da reichen nur oberflächenaktive Strahlenkanonen nicht hin.


Quellen: [1] Schattenblick Infopool -> Medizin -> Krankheit
INFEKTION/1153: EHEC-Ausbruchsstamm - Prof. Karch vermutet den Mensch als ein Reservoir (idw)
http://www.schattenblick.de/infopool/medizin/krankhei/m4if1153.html

[2] Schattenblick Infopool -> Naturwissenschaft -> Physik
FORSCHUNG/653: Plasmaphysik - An den Grenzen der Materie (eu*research)
aus: research*eu - Nr. 61, Juli 2009, Seite 26 - 28, Magazin des Europäischen Forschungsraums

[3] Schattenblick Infopool -> Medizin -> Krankheit
FORSCHUNG/058: Kaltes Plasma beseitigt Ehec-Bakterien (idw)
http://www.schattenblick.de/infopool/medizin/krankhei/M4FO0058.html

[4] aus: Welt der Physik, Welt der Atome und Moleküle - "Desinfizieren und Heilen mit kaltem Plasma", 3. Dezember 2009, siehe URL: http://www.weltderphysik.de/de/4245.php?ni=1678

7. Juli 2011