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RATGEBER/330: Eiweißbrot - Katze im Sack (SB)


ADE - Abnehmen durch Essen oder schlank im Schlaf

Neues Wunschpaket: Eiweißbrot



Der jüngste, medienwirksam in den Fokus der Aufmerksamkeit Ernährungsbewußter gebrachte Werbegag der Lebensmittelindustrie, das sogenannte "Eiweiß-" oder "Abendbrot" soll jenen Mitmenschen praktisch wie von selbst beim Abnehmen helfen, die nicht nur satt, sondern auch schlank und unbeschwert durchs Leben gehen möchten. Gewichtsreduktion als Krankheitsprophylaxe liegt durchaus im Trend der heutigen Gesundheitspolitik. Ein mühsam verschlankter Körper wird auch mit Leistungsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Erfolg gleichgesetzt. Er ist ein Prestigeobjekt, den man haben, aber nicht dafür bezahlen will. Angesichts der hochgesteckten Erwartungen an ein Wunschpaket, das alle Hoffnungen zusammenschnürt, lohnt es sich, das hinter dem klinischen Begriff Eiweißbrot versteckte Nahrungsmittel einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.


Die erste Enttäuschung,...

die einen dabei ereilt, mag vielleicht noch nicht so schwer wiegen: Eiweißbrot läßt sich eben nicht so einfach in jedem Brotwarenregal finden und schon gar nicht im Discounter oder Supermarkt, wie es Anfang des Jahres das Bayerische Fernsehen versprach [1]. In vielen Bäckereien, Bioläden, Reformhäusern, in denen das tägliche Brot schon immer etwas teurer war, findet man es allerdings inzwischen häufiger im Sortiment. Das läßt darauf schließen, daß diese Errungenschaft auch eben nicht für alle Geldbeutel gedacht ist. Im Gegenteil, Eiweißbrot als ofenfrische Qualitätsware ist ein kostspieliges Lifestyleprodukt für jene Brot-Gourmets, die auch beim Abnehmen nicht auf Genuß verzichten möchten.

Ein Pfund Eiweißbrot - äußerlich kaum von einem gewöhnlichen Vielkornbrot zu unterscheiden - kostet im Schnitt etwas über drei Euro (ca. 30 Cent pro Scheibe) und verspricht durch einen niedrigen Gehalt an Kohlenhydraten und einen wesentlich höheren an Eiweiß und Fett quasi über Nacht die überflüssigen Pfunde wegschmelzen zu lassen. Wer dafür aber auch noch knusperfrische Backqualität erwartet, muß mindestens zum Toaster greifen, wenn nicht selber backen. Schon kurze Zeit nach dem Entlassen aus dem Ofen wird der erwartungsfrohe Im-Schlaf-Verschlanker vor dem schwammig-pappigen Mundgefühl - vermutlich der Proteinanreicherung geschuldet, welche die Feuchtigkeit anzieht und dann in sich zusammenfällt - erneut enttäuscht zurückweichen. Bleibt noch die Frage:


Läßt sich mit Eiweißbrot tatsächlich abnehmen?

Die Idee, auf die sich die aktuelle Eiweißbrot-Erfolgsstory setzen will, folgt dem Low-Carb-Prinzip (deutsch: stark kohlenhydratreduziertes Diätprinzip); eine bekannte und längst nicht mehr neue Theorie in der Ernährungswissenschaft, die in den 1970er Jahren als Atkins-Diät [2] eine Zeitlang ebenso modern wie umstritten war. Von vielen Ernährungsexperten und von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die höchstens 15% Eiweiß für die Ernährung empfehlen, wurden seinerzeit Low-Carb-Diäten als zu einseitig und potentiell gesundheitsschädlich abgelehnt.

Dennoch wird die Idee jetzt wieder neu belebt. Angesichts von 56 Kilo Brot, die der Durchschnittsdeutsche jährlich konsumiert, scheint ein Brot, das nicht dick macht, sondern den Fettabbau fördert, ein attraktiver Ansatzpunkt zur Gewichtsreduktion, wenn sie denn sein muß.

Und hier wirkt die garantiert nächste Enttäuschung dann schon wesentlich herber, ist doch das Abnehmen durch eiweißangereichertes Brot bislang überhaupt nicht erwiesen und eher unwahrscheinlich, auch wenn die Theorie dahinter vielleicht manchem einleuchten mag: Durch den geringen Verzehr von Kohlenhydraten soll die langsamere Freisetzung von Glukose den Insulinspiegel weniger belasten. Dadurch reduziert sich der Fettaufbau. Der Fettabbau (die sogenannte ß-Oxidation) wird dagegen als Ersatz oder Alternative zum ausbleibenden Zucker- oder Stärkeabbau gefördert. Auf diese Weise kann ausreichend Acetyl-CoA (sprich: Acetyl-Coenzym A) freigesetzt, das für den Zitronensäurezyklus bzw. für den körpereigenen Energiehaushalt benötigt wird. Es kann allerdings auch bei geringem Kohlenhydratangebot (Hungerstoffwechsel) in sogenannte Ketonkörper umgewandelt werden, die nach einer Anpassungsphase als direkte Energieträger für das Gehirn fungieren können. Vermehrte Ketonkörper im Blut (medizinisch Ketose genannt) sollen zudem appetithemmend wirken.

Eine Portion an konzentriertem Eiweiß als "Abendbrot" (daher auch der Name), so die Hoffnung der Schlank-im-Schlaf-Vertreter, kann dann diese hungerähnlichen Zustände im Körper während der nächtlichen Ruhephase induzieren, so daß der Betroffene nichts von den schmerzhaften Abbauprozessen seines Fettgewebes mitbekommen muß.

Einige Ernährungswissenschaftler geben für die Gewichtsabnahme bei der Atkins-Diät allerdings völlig andere Gründe an und negieren den oben beschriebenen Fettabbau komplett. So faßt Christine Kleine [3] in ihrer Diplomarbeit folgende Faktoren für die Gewichtsreduktion zusammen:

- Die strenge Lebensmittelauswahl führt zu einer hypokalorischen Gesamtenergieaufnahme.
- Der hohe Anteil an Protein hat einen stärkeren Sättigungseffekt.
- Der ketogene Stoffwechsel führt zu Appetitsverlust.
- Glykogen bindet Wasser, welches bei geleerten Speichern ausgeschieden wird.

Die jüngste Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) von Wissenschaftlern um Susanne Klaus bestätigt dagegen nur noch die erhöhte Wasseraufnahme, die mit dem größeren Eiweißkonsum einhergeht, wie das Team an Versuchen mit Mäusen herausgefunden haben will. [4]

Das Wissenschaftlerteam um Susanne Klaus, Leiterin der DIfE-Arbeitsgruppe "Physiologie des Energiestoffwechsels", untersuchte daher die Wirkung von vier fettreichen Futtermischungen auf den Körperfettgehalt und den Fettstoffwechsel von Mäusen. Die Futtermischungen waren entweder mit Eiweiß aus Molke, mit dem Eiweißbaustein Leucin oder mit dem Eiweißbaustein Alanin angereichert. Als Kontrolle verwendeten die Forscher ein fettreiches Futter mit einem normalen Eiweißanteil. [4]

Die Versuchstiere, die ein mit Eiweiß und Fett angereichertes Futter bekamen, tranken mehr, fraßen weniger und nahmen im Vergleich zu den Tieren, die ein Futter mit normalem Eiweißgehalt bekamen, trotz der sehr fettreichen Ernährung nicht zu. Zudem soll eine eiweißreiche Kost der Fettneubildung in der Leber entgegenwirken. Da sich das Futter zwar in der Eiweiß- bzw. Aminosäurenzusammensetzung unterschied, aber nicht im generellen Gehalt an Aminostickstoff [5], gehen die Forscher davon aus, daß die sättigende Wirkung des eiweißreichen Futters ursächlich auf die erhöhte Wasseraufnahme zurückgeführt werden muß, die durch die hohe Stickstoffaufnahme ausgelöst wird.

Das Bedürfnis zu trinken wäre allerdings bereits eine Abwehrreaktion des Körpers, um einer Vergiftung mit Ammoniak entgegenzuwirken. Hinweise auf einen eiweißbedingten höheren Energiebedarf des Stoffwechsels, also ein Abnehmen im narkotisierten Zustand, wie es die Low-carb Theorie beschreibt, fanden die Wissenschaftler nicht. Darüber hinaus lassen sich Ergebnisse mit Mäusen schwer auf Menschen übertragen.


Pleite mit Rebound-Effekt

Kurzum erweist sich die neue Bestätigung, daß eine Erhöhung des Eiweißanteils in der Abendmahlzeit oder eine erhöhte Aufnahme bestimmter Eiweißbausteine besonders bei der heute üblichen, fettreichen Ernährung helfen könnte, Übergewicht und einer Leberverfettung vorzubeugen, doch eher als Flop. Muß man doch allein durch den hohen Anteil an Aminostickstoff und den dadurch zwangsläufig veränderten Stoffwechsel mit einer sehr viel größeren Belastung für den Körper rechnen. D.h. eine Low-carb-Diät läßt sich möglicherweise nur mit gesunden, fitten und somit privilegierten Körpern durchführen. Ob sich mit Eiweißbrot dann auch noch abnehmen läßt, bleibt dahingestellt:

Das Deutsche Institut für Ernährungforschung DIfE in Potsdam machte hier in einer Stellungnahme bereits klar, daß wirksame Diäten zur Gewichtsreduktion in erster Linie auf eine dauerhaft reduzierte Kalorienmenge zurückzuführen sind. Darin hieß es u.a.:

Kürzlich wurden 4 klinische Studien veröffentlicht (1-4), die die Atkins-Diät mit der konventionellen (fettarmen) Diät verglichen. In diesen Studien war die Atkins-Diät über einen Zeitraum von 6 Monaten hinsichtlich der Gewichtsabnahme und der Verbesserung der kardiovaskulären Risikofaktoren etwas wirksamer als eine fettarme Diät. Sie wurde aber ebenso wie die konventionelle Diät nicht durchgehalten - in beiden Gruppen kam es zum sogenannten Jojo-Effekt. [6]

Letzterer kommt unter anderem bei dem durch die Mangelernährung an bestimmten Vitaminen und Mikronährstoffen erzeugten Heißhunger zustande, den man dann z.B. mit noch mehr diätetischem, aber doch äußerst fettreichem Eiweißbrot zu decken sucht.

Eine neue Studie der University of Otago in Neuseeland will sogar im direkten Vergleich von Probandengruppen, die jeweils über zwei Jahre eine proteinreiche bzw. eine kohlenhydratreiche Ernährung erhielten, Hinweise dafür gefunden haben, daß eine Reduzierung der Kalorienaufnahme eher zum Gewichtsverlust führt, als eine besonders protein- oder kohlenhydratreiche Ernährung. [7]

Laut der Verbraucherzentrale Bayern läßt sich durch die Umstellung auf Eiweißbrot allerdings keine Kalorienreduktion erreichen:

Das Eiweißbrot liefert zwar mit sieben bis 26 Gramm pro 100 Gramm Brot deutlich weniger Kohlenhydrate als herkömmliches Brot, dafür aber mehr Kalorien. Ein Produkt enthält beispielsweise 265 Kilokalorien pro 100 Gramm. Zum Vergleich hat ein Weizenvollkornbrot einen Energiegehalt von knapp 200 Kilokalorien pro 100 Gramm. Der Fettanteil in den Stichproben lag sogar drei- bis zehnmal so hoch. [...] Die Verbraucherzentrale Bayern kommt daher zu dem Schluss, daß alleine von diesem Brot zum Abendessen kein Mensch abnehmen wird und empfiehlt für ein eiweißreiches Abendbrot als Belag körnigen Frischkäse oder Corned Beef zu verwenden. [8]

Vierte Enttäuschung: Eiweißbrot alles andere als gesund

Im April 2003 veröffentlichte die renommierte Medizinzeitschrift Journal of the American Medical Association (JAMA) die erste systematische Datenauswertung aus 96 relevanten Studien (aus 2.503 Artikeln zwischen 1966 und 2003) bezüglich der Wirksamkeit und Sicherheit von Niedrig-Kohlenhydratdiäten. Die Meta-Studie kam zu der Feststellung, daß man aufgrund der nicht ausreichenden Datenlage in der Forschung keine fundierte Empfehlung für oder gegen Low-Carb-Diäten bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit für breitere Bevölkerungsgruppen geben könne, speziell was stark kohlenhydratreduzierte Diäten, lange Zeiträume und ältere Patienten mit heiklen Stoffwechsellagen angeht.

Zehn Jahre und unzählige weitere Studien danach bleiben immer noch medizinische Bedenken, erst recht bei dem wissenschaftlich wenig beachteten Eiweißbrot, selbst wenn inzwischen manche Studien zumindest dem erhöhten Fettsäureanteil darin eine gesundheitliche Unbedenklichkeit bestätigen.

Die chronische, ketogene Stoffwechsellage und die gewaltige Zufuhr von tierischen Fetten, gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und Purinen könnte jedoch längerfristig zu einem Risiko für die Leber- und Nierenfunktion, den Knochenstoffwechsel und die kardiovaskuläre Gesundheit werden, und steht auch unter dem Verdacht, Krebserkrankungen auszulösen. 2005 wurde das Ergebnis amerikanischer Forscher veröffentlicht, daß die Atkins-Diät auf Grund der Ketosewirkung zu einem signifikanten Anstieg der Methylglyoxal-Produktion führt. Dieser chemischen Verbindung wird zelltoxische Wirkung zugeschrieben und sie kann vor allem bei Diabetikern zu Gefäß- und Gewebeschädigungen führen. Doch reicht im Grunde schon ein Blick auf die gesundheitlichen Risiken, die beispielsweise durch den exzessiven Gebrauch von Eiweißdrinks (meist aus preiswertem Molkepulver und Sojaprotein) zum sportlichen Muskelaufbau in Kauf genommen werden, um Eiweißbrot als gesundes Lebensmittel zu verwerfen. Über toxische Nebenwirkungen einer dauerhaft erhöhten Proteineinnahme von mehr als 3 bis 4 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag gibt es zahlreiche sportmedizinische Erkenntnisse. Hier ein paar Beispiele [9]:

- Übersäuerung des Organismus und Calciummangel:
Beim gesunden Menschen hat das Blut einen pH-Wert von 7,4. Schon geringe Abweichungen von diesem wasserähnlichen, fast neutralen Wert, können zu massiven Störungen im Stoffwechsel führen, die u.U. lebensbedrohlich sind. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, löst der Körper Calciumverbindungen aus den Knochen, welche den sauren pH-Wert wieder neutralisieren. Dadurch geht Calcium verloren. Osteoporose (Verlust an Knochensubstanz, Neigung zu Knochenbrüchen) kann eine weitere Folge sein.

- Funktionsstörung der Nieren
Die Umstellung des Stoffwechsels (d.h. die vermehrte Harnstoffbildung wie die Ammoniakentgiftung s.o., aber auch die Calciumfreisetzung) belastet die Filtrierfunktion der Niere. Das kann Nierenschäden nach sich ziehen und Nierensteine verursachen. Außerdem sind Ketosen, die mit dauerhaften Hungerzuständen, aber auch mit einem unnatürlich hohen Eiweißkonsum einhergehen, generell sehr schädlich für die Nieren.

- Wirkung auf die Leber
Die Leber hat im menschlichen Körper nur eine begrenzte Speicherkapazität für Proteine. Eine unnatürlich hohe Eiweißzufuhr kann somit zu Funktionsstörungen und Leberschäden führen.

- Allergische Reaktionen
Besonders das Molkeneiweißpulver steht unter Verdacht, für viele Allergien wie die Laktoseintoleranz verantwortlich zu sein, da Molke zu einem hohen Anteil aus Milchzucker besteht.

- Magen-Darm-Probleme
treten meist nur bei Sojaproteinen auf, die dafür bekannt sind, unangenehme Blähungen, Verdauungsstörungen und Durchfall zu verursachen.

Weitere, kleinere Nebenwirkungen übermäßigen Eiweißpulverkonsums zeigen sich in Übelkeit, allgemeiner Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen oder Muskelkrämpfen.

Auch Langzeitschäden wurden bei erhöhtem Eiweißkonsum beobachtet. So werden die Gefahr einer Erkrankung an Gicht oder an Krankheiten des rheumatischen Formenkreises in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen.

Im Falle des Eiweißbrots kommt noch eine Gesundheitsgefährdung empfindlicher Personen durch den erhöhten Anteil an Gluten dazu, das als allergischer Auslöser für die sogenannte Zöliakie, die entzündliche Erkrankung der Dünndarmschleimhaut, bekannt ist. Zwar sind davon gemeinhin nur glutensensible Menschen betroffen. Es gibt jedoch auch Hinweise, daß eine überdurchschnittliche Zufuhr von Gluten diese Glutenüberempfindlichkeit überhaupt erst auslöst.

Das Protein des Weizens, Gluten, hat beim Brotbacken durchaus eine wichtige Funktion. Es klebt die Stärkebestandteile zusammen, so daß sich die lockere Konsistenz des Brotteigs ergibt. Bei der Herstellung von technischer Stärke und Bioethanol fällt es als Rückstand in rauhen Mengen an, die selbst von der Tierfutterproduktion nicht voll verwertet werden können. Diese bieten sich somit geradezu als preiswertes, natürliches Getreideprotein für die proteinangereicherte Broternährung an, inklusive der erwähnten Risiken. Die zweifelhafte Herkunft dieses Überschußprodukts stellt aber die vermeintlich hohe Nährstoffqualität dieses Diätikums in Frage:


Letzte Enttäuschung - Mogelpackung statt hochwertige Qualität

Der erhöhte Glutenanteil, der sich oft hinter der Bezeichnung Weizenkleber verbirgt, ist allerdings nicht das einzige, gewöhnlich für den Schweinetrog erzeugte Abfallprodukt, das sich in diesem Lifestyle-Erzeugnis verbirgt. Denn hochwertiges Eiweiß wie Quark oder Joghurt wird man darin nur finden, wenn es werbewirksam auf der Verpackung deklariert ist. Das kommt vor. In der Regel mischt der Bäcker jedoch vor allem solche löslichen Proteine in seinen Teig, wie man sie aus den ebenfalls umstrittenen Eiweißdrinks kennt: Sojaschrot, Sojaeiweiß, Lupinenmehl und Molkepulver sind billig und erhöhen den Anteil an Aminosäuren bzw. Aminostickstoff. Hefe wird zwar auch zum Brotbacken gebraucht, fällt aber ebenfalls als aminostickstofflieferndes, zusätzliches Abfallprodukt aus der Bioethanolgewinnung an. Die quantitative Angabe des Proteingehaltes bemißt sich meist nur an diesem Stickstoffanteil, ob er von hochwertigem Eiweiß stammt oder von verwendeten Industrierückständen läßt sich auf dem einfachen Analysenweg nicht unterscheiden. Pfui Spinne!

Eiweißbrot aufgeschnitten in der Frischhalteverpackung - Foto 2012 by Esthefany Viruez, freigegeben via Wikimedia Commons (CC BY-3.0 Unported)

Glutenreiches Abendbrot ... und was drinnen ist, sieht man nicht!
Foto: 2012 by Esthefany Viruez, freigegeben via Wikimedia Commons (CC BY-3.0 Unported)

Der Verdacht, daß solche Produkte verwendet werden, sofern sie den sonstigen Lebensmittelauflagen an Reinheit und Schadstoffarmut entsprechen, liegt nahe, seit die Lebensmittelgesetze bei der Herstellung von Brot auch bestimmte Mengen (etwa 10 Prozent) an recycelter Backware, sogenanntes Rückbrot, zulassen [10]. Da Eiweißbrot zu einem Viertel aus Eiweiß, 8 Prozent aus Kohlenhydraten und 11 Prozent aus Fett bestehen soll, was etwa 265 Kilokalorien pro 100 Gramm ergibt (zum Vergleich: normales Mischbrot besteht zur Hälfte aus Kohlenhydraten, 7 Prozent Eiweiß und ein Prozent Fett, macht etwa 220 Kilokalorien), fragt man sich natürlich auch nach dem ungenannten Rest.

Sollte das alles Wasser sein (56 Prozent des Brotes)? Oder werden hier weitere, nährstofflose Quellstoffe nur nicht genannt, die aber dazu dienen, eine Magenfüllung vorzutäuschen? Auch für gewöhnliches Bäckerbrot sind, angefangen bei Kleie (Rückstand der Mehlgewinnung), solche brotfremden Zusätze grundsätzlich erlaubt, die zudem als verdauungsfördernde Ballaststoffe gelten, letztlich aber nichts anderes als Volumen streckende Abfallstoffe sind. Man findet sie versteckt unter den Angaben der Bestandteile als E460 (steht für Zellulose, kurz: Holz oder Sägespäne) oder E461, E462 ... bis E466 (die verschiedenen chemisch veränderten Derivate daraus, kurz: Tapetenkleister). Letztere können neben der Zellulose auch noch geringfügige Spuren der chemischen Aufbereitung (z.B. Reste von Katalysatoren) in sich tragen, die, weil unterhalb der Nachweisgrenze, nicht weiter aufgelistet werden müssen. Ist das noch Brot?

Der Verdacht, daß es sich hier um ein überteuertes, geschmacklich anstrengendes, gesundheitsschädliches Lifestyle-Erzeugnis handelt, das zudem überwiegend aus Abfallprodukten zusammengebacken wird, liegt zumindest nahe. Ausnahmen bestätigen die Regel. Weniger naheliegend, aber denkbar haben wir es hier mit dem Brot der Zukunft zu tun, an das sich der Verbraucher mit dem Versprechen, sich vermeintlich etwas besonders Gutes zuzuführen, vielleicht besser heute schon gewöhnen sollte. Während der Hunger überall auf der Welt zunimmt, die weltweiten Weizen-, Roggen-, Gerste- und Haferernten schon lange nicht mehr für die Grundversorgung reichen und der Klimawandel Anlaß zur Sorge gibt, daß auch die Qualität der Pflanzeninhaltsstoffe und damit die der Backwaren abnimmt, gleichzeitig aber Agrarprodukte zur Energiegewinnung verwendet werden, ist ein aus Recycling- und Restbeständen der Lebensmittel- und Bioenergieindustrie erstelltes hochkalorisches Brot vielleicht das Beste, was es in naher Zukunft zu essen gibt. Guten Appetit!

Anmerkungen:

[1] siehe auch:
http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/gesundheit/themenuebersicht/ernaehrung/eiweissbrot-low-carb-abnehmen100.html

[2] Die Atkins-Diät wurde nach ihrem Erfinder Robert Atkins benannt. Dabei wird zunächst die Aufnahme von Kohlenhydraten drastisch reduziert und hauptsächlich durch Fett sowie Protein (Eiweiß) als Hauptenergieträger ersetzt. Damit soll nach Ansicht der Anhänger der Atkins-Diät der Körper dazu gezwungen werden, Fettreserven zur Energiegewinnung abzubauen. Die sogenannte Atkins-Welle ist allerdings schon lange abgeklungen. Am 31. Juli 2005 meldete der Lebensmittelkonzern von Robert Atkins, Atkins Nutritionals Inc., das sich auf die Vermarktung eiweißreicher, "low-carb" Diätprodukte spezialisiert hatte, Insolvenz an. Der gleichen Theorie folgen sowohl das sogenannte "Schlank im Schlaf"-Prinzip als auch die Logi- oder Glyx-Diät. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt dagegen 30% Fett im Essen, dafür mehr als 55% Kohlenhydrate. Der Rest darf Eiweiß sein.

[3] siehe auch:
http://www.diplom.de/FoodpublishingRezeptentwicklung-Dokumentation-Thema:-Nutropoly-Familienkueche/11071.html?tm_campaign=473&utm_source=google&utm_medium=scholar&utm_campaign=Google%2BScholar

[4] Amino Acids; Freudenberg et al., 2012; DOI 10.1007/s00726-012-1363-2 und Pressemitteilung vom 30.10.2012 des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung: Warum eine eiweißreiche Ernährung Übergewicht vorbeugen kann.
http://www.schattenblick.de/infopool/medizin/fakten/m2fo2774.html und:
http://www.dife.de/de/dife/index.php

[5] Sämtliche Eiweißmoleküle sind aus Eiweißbausteinen (Aminosäuren) aufgebaut. Jede Aminosäure verfügt mindestens über eine stickstoffhaltige Aminogruppe (R-NH2), den sogenannten Aminostickstoff. In der Regel wird beim Abbau der Aminosäuren die Aminogruppe abgespalten und - damit kein giftiger Ammoniak im Körper freigesetzt wird - in der Leber in ungiftigen Harnstoff überführt. Dieser kann dann mit dem Urin über die Niere ausgeschieden werden.

[6] siehe auch die "Stellungnahme des DIfE zu Gewichtsreduktions-Diäten mit hohem Fett- und Proteinanteil (z.B. sog. Atkins-Diät)":
http://www.dife.de/de/index.php?request=/de/presse/stellungnahmen/stellungnahmen1.php

[7] siehe auch:
http://www.schattenblick.de/infopool/medizin/krankhei/m4dt1544.html

[8] siehe auch:
http://www.schattenblick.de/infopool/medizin/fakten/m2er1165.html

[9] Quellen hierfür:
http://www.eiweiss-protein.net/eiweiss-nebenwirkung.html
und:
http://www.newsbreaker.de/eiweisspulver-nebenwirkungen/

[10] siehe auch:
http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chein097.html

14. Februar 2013