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RATGEBER/338: Kinderfragen (33) Regendüfte, feuchte Lüfte ... (SB)


KINDERFRAGEN 33

Welche Bedeutung hat die alte Bauernregel "Haben viele Dinge einen Geruch, so kommt Regen zu Besuch" heute noch?
Chemie, wo man sie am seltensten erwartet


Manche behaupten, daß sie Regen riechen können. Allerdings hat der typische, intensive Geruch, den bereits jeder schon einmal mehr oder weniger bewußt wahrgenommen hat und der den milden Sommerregen begleitet, nur indirekt etwas mit dem Regen zu tun. Regenwasser sollte eigentlich sehr reines Wasser sein und das ist bekanntlich völlig geruchslos, denn es verdampft von der Erde und kondensiert dann wieder in den höheren, kälteren Luftschichten. [1]

Wenn die ersten Tropfen nach längerer Zeit der Trockenheit auf die Erde fallen, entsteht ein intensiver typischer Geruch, den jeder bereits einmal wahrgenommen hat und der schon vor fünfzig Jahren von zwei australischen Forschern, I.J. Bear und R.G. Thomas, untersucht wurde, die darüber in der Fachzeitschrift Nature vom März 1964 berichteten. [2] Sie gaben dem Duftphänomen vor allem einen Namen: Petrichor. Das Wort "Petros" bedeutet Stein, "Ichor" ist die Flüssigkeit, die der griechischen Mythologie nach in den Adern der griechischen Götter fließt.

Damit der Geruch, der tatsächlich auf der ganzen Welt mit leichten lokalen Nuancen wahrgenommen werden kann, entsteht, müssen verschiedene klimatische Voraussetzungen gegeben sein, nämlich Trockenheit und Wärme, die dem Regen vorausgehen, dann kann sich der Duft entwickeln, der sich aus drei chemischen Komponenten zusammensetzt: Die Grundlage ist ein Konzentrat aus Pflanzenausdünstungen. Pflanzen sondern während einer Trockenperiode verstärkt ölige Substanzen ab, die auf den Blättern und Halmen einen duftenden Film aus ätherischen Ölen und anderen Geruchsstoffen bilden. Diese pflanzenspezifischen Duftstoffe werden von den trockenen Böden und Gesteinen absorbiert. Die zweite Zutat heißt Geosmin. Sie ist der modrig-erdig riechender Stoff, den wir auch von Roten Beeten kennen, die diesen Duftstoff aus der Erde ebenfalls aufnehmen und speichern. Geosmin wird von bestimmten Streptomyceten, Schimmelpilzen, im Boden abgesondert. Bei Trockenheit riecht man es nicht, weil die Mikroorganismen dann nicht aktiv sind. Sobald die Luft kurz vor einem Regenschauer feuchter wird, fahren sie gewissermaßen ihren Stoffwechsel hoch, wachsen, gedeihen (bzw. reproduzieren sich) und geben dabei als Beiprodukt intensive Düfte an die warme Sommerluft ab. [3] Ein aufmerksamer Beobachter könnte somit bereits an dem intensiv erdigen "Rote-Beete-Geruch" einen in der Luft liegenden oder zumindest potentiell möglichen Regenschauer prognostizierten. Die dritte Komponente des Regengeruchs, der auch die regionale Besonderheit ausmacht, ist eine Prise Steinstaub, bzw. Ton- oder Bodenmineralien.

Während eines Regenschauers werden diese drei Stoffe freigesetzt und der markante Geruch erzeugt, der wie Bear und Thomas 1965 in einer Anschlußstudie zeigen konnten, einen verzögernden Einfluß auf die Keimung von Samen und das frühe Pflanzenwachstum haben soll. Auch Tiere reagieren darauf, wie der Forscher C. Hugh Tyndale-Biscoe anhand zweier bis heute nicht bewiesener Studien vermutet hat, der darin das Brunftverhalten weiblicher Känguruhs untersuchte.

Vor kurzem haben nun Cullen Buie und weitere Forscher des Massachusetts Institute of Technology herausgefunden, wie dieser "Regengeruch", der eigentlich ein Bodengeruch ist, in unsere Nasen gelangt und ein vermeintlich einfaches Prinzip, "Regen wirbelt Staub und Geruch auf, Menschen riechen das", mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitskameras in einen höchst komplizierten, hochdramatischen Mechanismus verkehrt, der einigen Wirbel auslöste und u.a. laut einem Kommentar von Daniel Lingenhöhl in dem Wissenschaftsmagazin Spektrum der Woche [4] folgendermaßen abläuft: Fallen Regentropfen auf eine poröse Oberfläche, schließen sie winzige Luftbläschen ein. Letztere perlen wie die Kohlendioxidbläschen in einem Sektglas nach oben, und wenn sie aus dem Tropfen herausplatzen, reißen sie kleinere Tröpfchen oder Partikel, sogenannte Aerosole, mit sich. In diesen flugfähigen Tröpfchen steckt das Petrichor, aber auch andere blinde Passagiere wie Bakterien oder Viren, die auf diese Weise verbreitet werden könnten.

Wie intensiv der Geruch ist, hängt von den freigesetzten Aerosolen und letztlich davon ab, wie durchlässig der Boden ist bzw. wie stark es regnet: Leichter oder moderater Sommerregen bringt den stärksten Duft hervor, ein starker Platzregen hingegen unterbindet den Prozeß rasch, weil er das Substrat rasch durchnäßt und so die wichtige Blasenbildung verringert.


Welchen praktischen Wert haben nun diese Erkenntnisse?

Läßt sich mit diesem Wissen möglicherweise auch ohne Wetter-App, Satellitenschüssel oder Erdbeobachtungsstationen im Orbit des Planeten das regionale Wetter einfach erschnuppern?

Abgesehen vom Rote-Beete-Aroma Geosmin, das bereits als Regenvorbote gedeutet werden könnte, muß man die Frage deutlich ver"jeinen". Denn in unserer technisierten Welt, in der ein Knopfdruck reicht, um das Wetter und die Temperaturen der kommenden fünf Tage vorauszusehen, fehlt bei den meisten das nötige Interesse in Form von "Schnupper"erfahrung und Nasen"bildung" als wichtigste Voraussetzungen dafür. Dennoch gibt es aufmerksame Zeitgenossen, die zahlreiche Geruchseindrücke oder auch andere Beobachtungen durchaus im Hinblick auf einen bevorstehenden Wetterwechsel deuten können als Ergebnis einer komplexen Wahrnehmung die aus mehrjähriger Erfahrung, genauer Natur- und Wetterbeobachtung und einer entsprechenden Konditionierung der Nase besteht.

So könnten die besagten Aerosole, die den Regenduft in sich tragen und von Wind und Luftströmungen über mehrere Kilometer transportiert werden, durchaus in geringen Spuren von solchen "Nasen" wahrgenommen und gedeutet werden. Der Schauer, der gerade woanders abregnet, steigert zudem die Luftfeuchte, gleichzeitig sinkt der Luftdruck, wodurch viele Stoffe verstärkt aus dem Boden, aber auch aus den Blättern entweichen.

So kann man in feucht-warmer Luft verstärkt auch den Duft aromatischer Pflanzen besser riechen. Wenn Waldmeister und die Nachtviole (Hesperis matronalis) einen starken Duft verströmen, sollte man den Regenschirm bereithalten. Birken duften vor Regen besonders würzig und Lindenblüten riechen intensiver.

Aber auch Heuhaufen oder Gully sondern starke Gerüche ab, wenn Regenwolken aufziehen. Ebenso geben oft säulenartige, eigenartige, manchmal verwesungsähnliche Gerüche, die vor Wetterwechseln aus chemisch traktierten Ackerflächen aufsteigen, organoleptische Auskunft über den schlechten und wenig appetitlichen Zustand dieser Böden wie auch über die Beschaffenheit der Luft darüber wieder, in der sich diese unangenehmen Begleiterscheinungen moderner Agrarwirtschaft und andere Ausdünstungen ungehindert breitmachen können, statt abgeweht oder durch aktiven Luftsauerstoff abgebaut oder andere Luftkomponenten verdrängt zu werden. Für diese Gerüche findet man weder poetische Namen, noch scheint ihre nähere Untersuchung auf wissenschaftliches Interesse zu stoßen.

Dabei gehörte es unter den Landwirten durchaus einmal zur Praxis, die Ackerkrume vor der Bestellung zu riechen, schmecken und zu kneten, um Qualität und Bodengüte mit den Sinnen festzustellen. Einfache und teilweise vergessene Regeln ergaben sich aus dem Geschmack: Ist die Erde süß, so ist sie gut. Ist sie scharf oder bitter wird der Gemüse-Anbau schwierig und schmeckt ihr Sud nach Säure oder Salz ist das ein ein schlechtes Zeichen.

Um auf solche alten agrarwirtschaftlichen Methoden zurückzukommen, sollte man die Erde, die man in den Mund nimmt jedoch gut kennen. Antibiotikahaltige Gülledüngung und ein mit Düngemittel und Pflanzenschutzmitteln durchsetzter Boden lassen diese Form der Sinnenprüfung für den Bauern zum Gesundheitsrisiko werden.


Anmerkungen:

[1] Allerdings hat man zu Zeiten des "sauren Regens" bitter erfahren müssen, daß das "reine Regenwasser" auch allerhand Schadstoffe aus der Atmosphäre wäscht und in Wasser gelöster Form auf dem Weg zum Boden mitschleppen kann. Damals wurden die fossilen Energieträger keiner "Entschwefelung" unterzogen, die Abgase aus Stickstoffoxiden, Schwefeldioxid, Kohlenstoffdioxid (CO2) u.a. wurden ungefiltert in die Atmosphäre abgelassen. Gemeinsam mit Wasser bildeten sich u.a. schweflige Säuren, die starke Umweltschäden verursachten. In den meisten europäischen Ländern werden diese Emissionen inzwischen durch entsprechende Katalysatoren, Luftfilter und Entschwefelungsverfahren bei der Raffinierung von Erdöl unterbunden.

[2] Bear, I.J.; R.G. Thomas: Nature of argillaceous odour In: Nature Nr. 201 (Ausgabe 4923), März 1964, S. 993-995, doi:10.1038/201993a0.

[3] Einige Pilzforscher vermuten, daß diese Absonderung eine Funktion für die Kommunikation zwischen Pilzen oder Pilzen und Pflanzen hat. Der Schattenblick sprach darüber und über das Wood Wide Web, in dem Pilze und Pflanzen in Symbiose leben, mit Professor emeritus Andres Wiemken.
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0095.html

[4] http://www.spektrum.de/news/wie-ensteht-der-geruch-von- regen/1327472

14. Juli 2015


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