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REZEPTUR/091: Scharfe Pfefferminzpastillen, mit und ohne Zucker (SB)


PULVER, PASTEN UND PASTILLEN - EINFACH ANGERÜHRT

Rezepturen für Lutschpastillen mit und ohne Zucker

Scharfe Pfefferminzplätzchen


Wem es angesichts des augenblicklichen Erkältungswetters nach etwas "Scharfem" für den Hals verlangt, der muß dafür nicht unbedingt den Gang zur nächsten Apotheke antreten.

Eine der ersten Halspastillen, die von den alten Pillendrehern hergestellt wurden, waren sogenannte scharfe Pfefferminzplätzchen oder -pastillen, die man sehr leicht nachmachen kann. Theoretisch braucht man dazu nur etwas feingepulverten Kristall- oder Puderzucker und ein Fläschchen ätherisches Pfefferminzöl, was in vielen Haushalten zu finden ist.

Pfefferminzöl, das, wie man schon am Namen erkennt, aus Pfefferminzblättern gewonnen wird, wirkt lokalanästhesierend und vor allem kühlend. Als Folge auf diesen Kühleffekt ziehen sich die Gefäße zusammen, und man kann freier bis in die untersten Bronchien durchatmen. Der kühlende Eindruck soll aber vor allem dadurch entstehen, daß Pfefferminzöl die Empfindlichkeit der Kälterezeptoren wesentlich erhöht, so daß man schon die warme Atemluft bis in sonst von der Wahrnehmung ausgeklammerte Bezirke der Lunge als kühlenden Luftzug spürt. Dieser auch aus der Werbung für manche Menthol-Produkte bekannte vermeintliche "Raumgewinn in Lunge und Bronchien" - mit dem in den betreffenden Spots Ketten gesprengt und ähnliche Effekte erreicht werden, ist also letztlich nur eine Verwirrung des eigenen Wahrnehmungsvorgangs, wenn auch ein recht angenehmer.

Bei extra scharfen Pfefferminzplätzchen kommt noch ein zusätzlicher Effekt hinzu. Der besonders hohe Mentholgehalt regt den Gallenfluß an. Durch diese Reaktion und über die Geschmacksempfindung selbst wirken alle pfefferminzölhaltigen Mittel appetitanregend. Man denke nur an Kaugummi.

Herstellung von Zuckerplätzchen

Wer als Kind am Strand mit feinem Sandmatsch bizarre Tröpfelburgen hergestellt hat, wird nach der folgenden Beschreibung sofort wissen, was zu tun ist. Es ist also wirklich kinderleicht:

Die Zuckerplätzchen oder -pastillen kann man aus einer dickflüssigen, kalten Zuckeraufschwemmung herstellen, die man langsam mit vorgehaltenem Löffel auf ein ausgebreitetes Backpapier, eine Glasplatte oder ein Kuchenblech tropfen und anschließend trocknen läßt. Je ein Tropfen Zuckerlösung trocknet zu einer Pastille aus. Das dauert allerdings auch einige Stunden.

Hat man's jedoch eilig, kann man sie auch problemlos in jeder beliebigen Menge als rohe Zuckerpastillen fertig in der Apotheke kaufen, und sie sind dennoch preiswerter als die dort ebenfalls erhältlichen Pfefferminzpastillen. Der Apotheker nennt diese reinen Zuckerplätzchen "Rotulae Sacchari".

Wichtig ist beim Selbermachen, daß der Zucker nicht schmilzt und sich nicht vollständig löst, also noch zum größten Teil kristallisiert bleibt. Auf diese Weise entstehen beim Trocknen und Auskristallisieren winzig kleine Hohlräume und Kapillaren, die eine anschließend aufgebrachte Wirkstofflösung regelrecht in sich aufsaugen. Darüber hinaus lösen sich die so hergestellten Pastillen sofort auf der Zunge und geben auf schnellstem Weg den Wirkstoff (bzw. das ätherische Öl) frei. Je nachdem, ob man Puderzucker oder feinen Kristallzucker verwendet hat, werden die Pastillen härter und die Kapillaren feiner. Puderzucker ist deshalb sehr zu empfehlen, auch wenn er teurer ist. Zur Not kann man auch Kristallzucker in einer Kaffeemühle mit Schlagmessern selbst in eine feinere Qualität zerkleinern, was die besagten festeren Pastillen ergibt.

Man kann sich vorstellen, daß dieser Zuckerträger eine der ursprünglichsten Arzneiformen war, mit der man z.B. das Einnehmen bitterer Arzneien versüßen und vereinfachen konnte, lange bevor sich Medicus, Bader oder Apotheker das Pressen von Tabletten oder gar das bekannte "Pillendrehen" zueigen gemacht hatten. Theoretisch ließen sich auf der Grundlage dieser Zuckerpastillen mit weiteren ätherischen Ölen, beispielsweise Orangenöl, Zitronenöl, Zimtöl und andere mehr, die man ebenfalls in der Küchen- oder Backabteilung jedes gutsortierten Supermarktes finden kann, auch aromatisierte Zuckerbonbons herstellen. Wir bleiben hier jedoch bei der klassischen Pfefferminzversion.

Das Aufbringen des Pfefferminzöls ist ebenfalls nicht schwer: Alles was man dazu braucht, ist eine Schüssel, die groß genug ist, daß sich darin ein Kilogramm Pfefferminzplätzchen gut herumschwenken lassen. Sehr gut geeignet ist beispielsweise eine Edelstahlschüssel oder eine alte Waschschüssel aus Porzellan.

Nun füllt man in ein kleines Schnapsgläschen zwei Fingerbreit Korn oder besser noch reinen 70%igen Weingeist und vermischt darin 20 - 30 Tropfen Pfefferminzöl. Diesen stark riechenden Pfefferminzalkohol gibt man auf den Boden der Schüssel. Darauf schüttet man nun die fertigen Zuckerpastillen, die so lange ständig geschwenkt werden müssen, bis der gesamte Alkohol verdunstet ist. Die Pastillen dürfen nicht in einer Alkoholpfütze liegen bleiben, und müssen unentwegt bewegt werden, damit sie sich nicht auflösen.

Ist die Pfefferminzlösung eingezogen, d.h. keine sichtbare Pfütze mehr im Topf, läßt man die Pastillen noch ein paar Stunden mit einem großen Geschirrtuch abgedeckt in der Schüssel stehen, so daß der Pfefferminzdampf gleichmäßig durch die Pastillen ziehen kann und diese Zeit zum Trocknen haben. Anschließend füllt man sie in ein luftdichtes Gefäß, beispielsweise ein großes Marmeladenglas, ab, denn je trockener und abgeschlossener sie lagern, um so länger behalten sie die feste Konsistenz und das Aroma.

Rezeptur:

* 20-30 Tropfen Pfefferminzöl (ätherisch)
* ½ Schnapsglas Alkohol (70%)
* 1 kg Zuckerpastillen

* eine große Schüssel
* 1-2 große Marmeladengläser

Tip für Diabetiker oder Zuckerscheue

Die Eigenherstellung von Zuckerplätzchen läßt sich ebenfalls mit Zuckeraustauschstoffen wie Sorbit oder Xylit durchführen. Hierbei muß man wissen, daß Sorbit nur die halbe Süßkraft von Zucker und Xylit besitzt, man also noch mit Süßstoff nachsüßen muß, will man die gleiche Süße erreichen. Man muß auch hier darauf achten, daß die dickflüssige Xylit- oder Sorbitaufschwemmumg zum größten Teil kristallisiert bleibt, sich also nicht vollständig löst.

Es lohnt sich außerdem, das vorbereitete Backpapier mit etwas Puderxylit oder entsprechend Pudersorbit zu bestreuen. Dieser Puderxylit hat eine wichtige Funktion: Er sorgt dafür, daß die Klebemasse aus gelöstem Zuckeraustauschstoff schneller rekristallisiert, was ausdrücklich erwünscht ist, damit die Pastillen in der Tröpfchenform fest werden. Die Puderkörnchen wirken dabei als Kristallisiationskeime oder Impfkristalle, die dafür sorgen, daß der Kristallisationsvorgang schneller abläuft. Trotzdem muß man damit rechnen, daß es einige Stunden dauert, bis die Pastillen ausgehärtet sind.

Anschließend werden sie genauso behandelt wie die Zuckerpastillen aus normalem Puderzucker.

Noch ein Wort zu den Trägerstoffen:

Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit und Xylit wirken auf osmotischem Weg leicht abführend. Da sie sehr langsam resorbiert werden, d.h. nur verzögert durch die Darmwände ins Blut gelangen, reizen sie die Darmwand, indem sie ihr Wasser entziehen. Die leicht abführende Wirkung beginnt, wenn man mehr als 20 g davon zu sich nimmt. Besondere Vorsicht ist bei großen Mengen geboten. Mehr als 50 g Sorbit können bei manchen unangenehme Durchfälle auslösen.

Sorbit

ist zwar auch im Pflanzenreich und hier besonderes in den sogenannten Sorbus- und Crataegus-Arten weit verbreitet. Vor allem kommt er in Früchten der Rosaceen-Familie vor, beispielsweise in Vogelbeeren (Sorbus aucuparia). Da das natürliche Vorkommen jedoch nicht ausreicht, wird er durch chemische Umwandlung (katalytische Hydrierung) oder elektrochemische Reduktion von konzentrierten Glukose- (Traubenzucker-)Lösungen gewonnen. Sorbit wird im Magen-Darmtrakt resorbiert und in der Leber durch das Enzym Sorbitdehydrogenase in Fructose umgewandelt. Der Blutzuckerspiegel sowie die Glucoseausscheidung im Harn steigen nicht an.

Xylit

hat etwa die Süßkraft von Rohrzucker. Er fällt bei der Holzverzuckerung an und kann durch katalytische Hydrierung aus dem Zuckeralkohol Xylose gewonnen werden. Xylit zeigt eine gute physiologische Verträglichkeit und führt weder beim Gesunden noch beim Diabetiker zur Veränderung des Blutzuckerspiegels. Er scheint allen bekannten Diabetikerzuckern überlegen zu sein. Darüber hinaus erzeugt er im Mund zusätzlich einen angenehmen kühlenden Effekt. Die Ursache dafür ist, daß Xylit eine relativ hohe Lösungswärme benötigt. Diese Wärme wird beim Lutschen der Zunge entzogen. Als Zuckeraustauschstoff vereint Xylit die meisten Vorteile. Er muß auch nicht mit Süßstoff nachgesüßt werden. Allerdings ist er wesentlich teurer als Sorbit.

Zucker

Rübenzucker, Rohrzucker oder Saccharose (wie er chemisch heißt) kennt jeder als essentiellen Bestandteil der Küche. Wozu man ihn verwendet, weiß daher jedes Kind. Nicht so bekannt ist allerdings, wie er hergestellt wird. Als Ausgangsmaterial zur großtechnischen Gewinnung von Zucker dienen Zuckerrüben, die 14-18% Saccharose enthalten, oder Zuckerrohr mit 8-17% Saccharose. Selten wird Zucker auch aus Zuckerahorn gewonnen, der nur einen Saccharoseanteil von 3-5% besitzt.

Die zerkleinerten Rüben werden im Gegenstromverfahren von heißem Wasser ausgelaugt, während man den Saft des gehäckselten Zuckerrohrs zwischen Walzen abpreßt. In beiden Fällen erhält man einen Rohsaft, der mit Kalkmilch versetzt wird, um die Pflanzensäuren sowie Eiweiß- und Pektinstoffe auszufällen. Ein Teil des Zuckers bildet mit dem Calcium der Kalkmilch ein schwerlösliches Salz, Calcium-Saccharat, das man chemisch durch Einleiten von CO2 wieder in Zucker zerlegt, wobei gleichzeitig überschüssiges Calcium als Calciumkarbonat ausgefällt wird (Kalk-Kohlendioxid-Verfahren). Durch anschließende Filtration erhält man einen Dünnsaft, der auf verschiedenen Wegen, u.a. auch durch Ionenaustauscher, filtriert und entsalzt wird. Aus dieser Lösung kristallisiert der Zucker schließlich aus. Die Weltproduktion an Saccharose aus Zuckerrohr beträgt im Jahr etwa 35 Millionen Tonnen, aus Zuckerrüben etwa 25 Millionen Tonnen.


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Den Vorteil der eigenen Zubereitung der scharfen Pfefferminzpastillen werden Sie bald erkennen, denn sie verwandelt ihr Zuhause für ein paar Stunden oder mehr in eine wohlriechende Pfefferminzhöhle, in der jede Erkältung wortwörtlich im Keim ersticken muß.

Erstveröffentlichung 2000
neue, überarbeitete Fassung

18. März 2008