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UMWELTLABOR/187: Brotlose Zeiten (SB)


Treibhausgase verschlechtern Ausgangsbedingungen und Grundstoffe für die Agrarproduktion

Die Folgen: Giftige Kartoffeln, schales Bier und kein Brot!


Der Weltklimabericht 2007 der Vereinten Nationen (UN), der in kompletter Fassung erst im November dieses Jahres vorliegen wird, von dem aber jetzt schon ein Teil veröffentlicht wurde, inspiriert die Medien derzeit zu Prognosen und Spekulationen. Darüber, daß es zu einem massivem Klimawandel kommen wird, der sich selbst durch einschneidende Maßnahmen nicht mehr aufhalten läßt, sind sich die Experten inzwischen einig. Entsprechend zahlreich daher auch die Vorschläge dieser Tage z.B. wie "das Wissen über künftige regionale Klimaänderungen und deren Folgen in das vorhandene rechtliche, organisatorische und technische Instrumentarium des Küstenschutzes zu integrieren und die Grundlagen für die Planung, Bewertung und Investition langfristiger Infrastrukturprojekte neu zu justieren sei" oder wie man sich generell an kommende Verhältnisse ökonomisch und strategisch am besten anpaßt, um die negativen Wirkungen am effektivsten aufzufangen. Doch ist das überhaupt möglich?

Für Europa sind die Prognosen immer noch zweideutig. Hier soll es nach dem Berichtsentwurf sogar Gewinner der Erderwärmung geben. So kommentierte der Deutschlandfunk in der Sendung Forschung aktuell den Wortlaut des Weltklimaberichts mit den Worten:

"Nordeuropa wird der Klimawandel wahrscheinlich Vorteile bringen, und zwar durch verkürzte Kälteperioden, eine Zunahme der Ernte- und Forsterträge und durch ein erhöhtes Potential für die Nutzung von Wasserkraft."
(DLF, FORSCHUNG AKTUELL, 5. April 2007, 16:35 Uhr, "Auch die Reichen trifft es" von Volker Mrasek)

Danach könnten sich deutsche und niederländische Landwirte auf ertragreiche Zeiten mit mehreren Ernten im Jahr freuen. - Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus, denn nicht nur die Wärmeperioden und das Wetter ändern sich.

Der Auslöser der ganzen Klimadiskussion, die Anreicherung der sogenannten Klima- oder Treibhausgase in Luft und Atmosphäre, ist bei solchen Überlegungen offensichtlich schon wieder vergessen. Ein ganz anders lautender Bericht, der gestern vom Informationsdienst Wissenschaft verbreitet wurde, macht dagegen recht drastisch deutlich, daß es wohl keinen Landstrich geben wird, der von den Folgen der Klimaänderung verschont bleibt und somit auch keinen Zufluchtsort, auf dem ein Überleben noch gesichert wäre.

Nach Untersuchungen von Forschern der Universität Hohenheim, ist inzwischen klar, daß die Zunahme der das Klima anheizenden Treibhausgase in der Atmosphäre, d.h. erhöhte Kohlenstoffdioxidkonzentrationen, auch insgesamt zu einer veränderten Luftzusammensetzung führen, da sie andere Luftbestandteile wie Sauerstoff oder Stickstoff verdrängen. Das veränderte Gasgemisch beeinflußt nicht nur das Wetter, sondern wird von den Pflanzen durch die Spaltöffnungen in den Blättern aufgenommen und biochemisch verarbeitet. Ihr drastisches Fazit:

Pommes werden giftig, Bier schäumt nicht mehr und Brot backen wird unmöglich - die Treibhausgase in der Luft verändern nicht nur das Klima, sondern auch unsere Lebensmittel, belegen Experimente der Universität Hohenheim.
(idw, 10. April 2007)

In High-Tech-Feldexperimenten wurden Weizen, Gerste und Kartoffeln den Umweltbedingungen der Zukunft ausgesetzt. Das Ergebnis ist schlimmer als erwartet: Nicht nur die Ernteerträge werden sich ändern. Die Agrarprodukte selbst sind praktisch nicht mehr zu gebrauchen.

Natürlich lassen sich in den künstlichen Klimakammern im Keller des Ökologiezentrums der Universität Hohenheim nur die Bedingungen erzeugen, die wiederum von Wissenschaftlern für die Klimasituation auf der Erde in 50 Jahren berechnet, d.h. aus heute schon absehbaren Veränderungen hochextrapoliert werden konnten. Bisher Unvorstellbares wurde daher nicht berücksichtigt. Doch der Leiter des Projektes, Prof. Dr. Andreas Fangmeier vom Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie, ist überzeugt, für das Zukunftsszenario in seinen Kammern, in denen verschiedene Agrarprodukte bis zur Erntegröße herangezogen werden, die richtige Mischung aus Wetter und Luftgasen getroffen zu haben:

"Das Besondere daran ist, dass wir in den Klimakammern das Klima und die CO2-Konzentration der Zukunft simulieren können, mit dem Ziel, die Qualität der Früchte zu prüfen", erklärt Prof. Dr. Fangmeier.
(idw, 10. April 2007)

Derzeit sind die Kammern mit Tomaten, Sau- und Sojabohnen bestückt, die einem mediterranen Klima ausgesetzt werden. Zusätzlich müssen in drei der sechs Kammern die Pflanzen mit einer erhöhten CO2- Konzentration zurechtkommen, wie sie nach etwa 50 Jahren auf der Erde erwartet wird.

Ähnlichen Tests wurden Gerste, Weizen und Kartoffeln schon unterzogen und die Analyse der Erntefrüchte war niederschmetternd:

"Durch den erhöhten CO2-Wert in der Luft wachsen die Pflanzen zwar besser und erbringen einen größeren Ertrag, jedoch weicht die Qualität der Nutzpflanzen vom Normalzustand ab", sagt Prof. Dr. Fangmeier. "Brot kann aufgrund der fehlenden Klebefähigkeit des Weizens nicht mehr gebacken werden, Bier kann weniger schäumen und Pommes Frites könnten sogar giftig für den Menschen sein." Und weil auch die Pflanzen für Tierfutter weniger Nährwert haben, müssen Landwirte größere Mengen verfüttern.
(idw, 10. April 2007)

Daß die durch den konzentrierten CO2-Gehalt zu erwartenden höheren Erträge selbst dafür nicht mehr ausreichen und sich die erzeugten Nahrungsmittel ohnehin bestenfalls als Tierfutter eignen, versteht sich von selbst.

Schuld daran wären vor allem veränderte Proteinkonzentrationen in den Pflanzen. Denn unter erhöhter CO2-Konzentration in der Luft benötigen die meisten Pflanzen weniger Proteine und damit weniger Stickstoff in den Blättern - und haben dann am Ende auch weniger Stickstoff und weniger Proteine zur Verfügung, die sie während der Reifung in die Früchte transportieren können. Dazu kommt eine vielleicht unwesentliche, aber doch spürbare Verminderung des Stickstoffgehalts in der Umgebungsluft, der durch die höhere CO2-Konzentration verdrängt wird. In dem idw-Bericht dazu, kommt dies aber nicht zur Sprache, die Folgeerscheingungen sind dennoch die gleichen:

"Die künftige Luftzusammensetzung führt dazu, dass bestimmte Enzyme in der Pflanze effektiver arbeiten und die Pflanzen weniger Stickstoff aufnehmen. Auch andere Mikronährstoffe, die für unsere Ernährung wichtig sind, nimmt die Pflanze nur noch begrenzt auf, sagt Prof. Dr. Fangmeier. "In 50 bis 100 Jahren liefern die heutigen Sorten unter diesen veränderten klimatischen Bedingungen nicht mehr die Erntequalität, die wir brauchen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir in Zukunft neue oder veränderte Pflanzenarten zur Lebensmittelproduktion benötigen", sagt Prof. Dr. Fangmeier.
(idw, 10. April 2007)

Angesichts der Tatsache, daß die Entwicklungen allgemein sehr viel schneller voranschreiten als bisher vorhergesagt, können wir also schon in wenigen Jahren mit prallen Erntesilos rechnen, deren Füllgüter jedoch nährstofffrei und für die Lebensmittelverarbeitung nicht mehr zu gebrauchen sind.

Die lapidare Schlußfolgerung, dann müsse eben für neue oder veränderte Pflanzenarten für die Lebensmittelproduktion gesorgt werden, scheint plötzlich eine Technologie zu rechtfertigen und regelrecht auf den Plan zu rufen, deren Erforschung bisher umstritten und bis heute nicht kontrollierbar geblieben ist, und deren Ergebnisse bisher vor allem Negativfolgen für Umwelt und Tierwelt mit sich brachten: die Gen- und Biotechnologie.

Schon jetzt beschäftigen sich die Hohenheimer Forscher mit Raps, der sich unter konzentrierten CO2-Bedingungen gewissermaßen nach Wunsch entwickelt.

Bleibt allerdings abzuwarten, ob tatsächlich auch alle berechneten Bedingungen eintreten, für welche die vollständig und bestens angepaßten Agrarpflanzen dann konstruiert wurden. Abgesehen davon, daß die Luft unter dem Einfluß anderer Faktoren (z.B. des fehlenden Ozonschilds und des daraus resultierenden, aggressiven Strahleneinflusses) chemisch noch ganz anders zusammengesetzt sein könnte und nicht nur den Stoffwechsel der Kartoffel zur Produktion von Giftsstoffen anregen würde, werden manche für die Agrarproduktion wichtige Voraussetzungen in diesem Szenario sogar übersehen.

Dabei macht das völlig unerklärliche Verschwinden von ganzen Bienenstöcken und anderen Bestäubungsinsekten (was ebenfalls am ehesten Unverträglichkeiten in Luft und Atmosphäre nahelegt) vielen Landwirten schon jetzt große Sorgen und könnte in Zukunft jede Art von Landwirtschaft ganz zum Erliegen bringen. Letztere wäre dann unter derart sterilen Bedingungen, in denen sich Mensch und Tier praktisch selbst überlebt haben, wohl auch gar nicht mehr notwendig.

11. April 2007