Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

UMWELTLABOR/188: Klimaretter in Not - Hilfe geht nach hinten los (SB)


Und wenn ich auch wüßte, daß morgen die Welt unterginge, so würde ich dennoch heute ein Apfelbäumchen pflanzen ...

Welche Blüten das Bemühen um die Reduktion von Treibhausgasen treiben

und das genaue Gegenteil bewirken kann


Was wird nicht alles getan, um zumindest die öffentliche Moral hochzuhalten. Die Entwicklungen und Veränderungen in der Umwelt, die kaum noch zu übersehen sind, künden von einer Art Endzeitstimmung. So heißt es in einer der jüngsten Pressemitteilungen wörtlich:

Washington (dpa) - Der weltweite Kohlendioxidausstoß steigt schneller als befürchtet. Nach einer jüngsten Studie kletterte der Ausstoß von 2000 bis 2004 pro Jahr drei Mal so schnell wie in den 1990er Jahren. Er wuchs damit stärker, als in den schlimmsten Szenarien des UN-Klimarats Ende der 1990er Jahre vorausgesagt wurde. Das berichtet ein internationales Forscherteam. Die Zuwachsrate sei in sich schnell entwickelnden Ländern wie China zwar am stärksten. Hautverursacher des Klimawandels seien aber die Industrieländer.
(dpa, 22. Mai 2007, 15:00 Uhr)

Da paßt der kleine Vers, den schon die katastrophen- und kriegsgeprobte Generation unserer Mütter häufig in Poesiealben schrieb: "Und wenn ich auch wüßte, daß morgen die Welt unterginge ..." gewissermaßen wie die Faust aufs Auge, um von Heil und Hoffnung zu künden.

Nicht nur der letzte Artikel in dieser Rubrik, UMWELTLABOR/187: Brotlose Zeiten (SB), weist daraufhin, wie sehr das Überleben auf der Erde an Atmosphäre, Klima und damit letztlich an eine nicht zu überschreitende Konzentration von Treibhausgasen in der Luft, allen voran der des Kohlenstoffdioxid (CO2), gebunden ist. Die Auswirkungen der Erderwärmung zeigen sich inzwischen ganz elementar in Wetterkatastrophen, bedrohlichen Veränderungen der Weltmeere und z.B. zunehmenden Mißernten. Immer wieder sind daher Forscher darum bemüht, unkonventionelle Wege zu erkunden, mit denen sich die schädlichen Gase wieder auf ein dem Erdklima bekömmliches Maß reduzieren lassen. Sogenannte CO2-Senken, sind dabei u.a. im Gespräch. Das sind im wesentlichen kleine Besonderheiten der Natur, die schon immer eine bestimmte Menge an CO2 speichern konnten (ohne daß dies erforderlich war oder besonders ausgenutzt wurde). Als CO2-Senken gelten z.B. Moore (organisches kohlenstoffhaltiges Material, das unter Luftabschluß am Verrotten (CO2-Entwicklung) gehindert wird), dann Meere u.a. Wasserflächen, die bis zu einem gewissen Grad CO2 aufnehmen können sowie lebendes, wachsendes, organisches Material wie Bäume, Wälder oder landwirtschaftlich ungenutzte Wiesenlandschaften. Während Moore und Gewässer schon längst ihre Speichergrenze überschritten haben - und aus den Mooren zudem langsam wieder CO2 austritt, weil sie durch die zunehmende Erderwärmung trockengelegt werden und Fäulnisprozesse neben CO2-Bildung wieder begonnen haben -, scheinen Naturflächen, und hier vor allem Wälder, ein noch endloses Aufbaupotential für Biomasse zu besitzen. Da alle Pflanzen zu ihrem Wachstum CO2 aus der Luft verbrauchen, was sie in Stengel und Blättern materialisieren, liegt die Schlußfolgerung nahe, z.B. durch das Pflanzen von Bäumen bzw. groß angelegte Aufforstungen CO2 speichern zu können.

Abgesehen davon, daß sämtliche Biomasse irgendwann auch wieder verrotten muß und dann das gesamte CO2 wieder freisetzt, erweisen sich diese Überlegungen auch noch auf eine andere Weise als Milchmädchenrechnung. So konnte man unlängst in einer Meldung der französischen Nachrichtenagentur AFP lesen, daß das Anpflanzen neuer Wälder nach neuesten Erkenntnissen die Erderwärmung sogar weiter anheizen könnte, statt sie zu bremsen, je nachdem, wo man die Bäume ansiedeln möchte. So böten sich beispielsweise wegen der langsamen Erweichung der Dauerfrostböden inzwischen neue Regionen in Sibirien oder Kanada für die nutzbringende Bewaldung an. Doch dazu meint der AFP:

Während die tropischen Regenwälder einen kühlenden Effekt hätten, könnten Wälder in schneereichen Regionen wie Sibirien oder Kanada das Gegenteil bewirken, heißt es in der Online-Ausgabe des US- Fachblatts "Proceedings of the National Academy of Sciences". Aufforstungsprojekte in nördlichen Regionen seien daher "kontraproduktiv".

"Unsere Studie zeigt, dass nur die tropischen Regenwälder einen großen Beitrag dazu leisten, die Erderwärmung zu bremsen", erklärte Klimaforscher Govindasamy Bala. In schneereichen Gebieten dagegen würden Sonnenstrahlen auf freien Flächen vom Schnee reflektiert und verhinderten damit eine Aufheizung, große Waldstrecken indes schluckten die Strahlen - und damit auch die Wärme.
(AFP, 10. April 2007)

Dabei wurde allerdings nicht darauf hingewiesen, daß auch das Ausmaß der schneereichen Gebiete und somit die sonnenlichtreflektierenden Schnee- und Gletscherflächen immer kleiner werden.

Die Gebiete der feuchtheißen, tropischen Regenwälder, die nicht nur klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) absorbieren und in ihre Biomasse einbauen, sondern obendrein dichte Dunstwolken produzieren, die - ähnlich wie Schneefelder - Wärme und UV-Strahlen reflektieren und die Erdoberfläche vor weiterer Erwärmung schützen können, werden zunehmend durch Brandrodung von Menschenhand reduziert.

Anders gesagt, die vermeintlich positive Aussicht, die Klimaentwicklung kurzfristig vielleicht sogar zu verzögern, ist gar keine.

Allerdings ist auch von vorschnellen Schlußfolgerungen wie die, nun auch noch die Wälder in den schneereichen Gebieten abzuholzen, um mehr Schneefläche zur Strahlungsreflexion zu gewinnen, abzuraten. Denn soviel sollten die Klimaforscher inzwischen schon gelernt haben, daß eigentlich niemand ganz genau vorherberechnen kann, wie sämtliche Faktoren in diesem empfindlichen Ökosystem ineinandergreifen. Genaugenommen sehen sie den angerichteten Schlammassel bisher immer nur dann, wenn sie nichts mehr daran ändern können. Daher kündigt ihr halbherziges Bekenntnis am Ende des Artikels ebenfalls nur von der eigenen Hilflosigkeit, gar nicht genau zu wissen, was eigentlich um sie herum vorgeht oder was zu tun wäre:

"Die Zerstörung von Ökosystemen im Kampf gegen den Klimawandel wäre eine kontraproduktive und perverse Strategie", sagte der Klimaforscher Ken Caldeira.
(AFP, 10. April 2007)

Nähere Erläuterungen bleibt er allerdings schuldig.

An der Studie wirkten unter anderem Wissenschaftler der Stanford- Universität in Kalifornien und der französischen Universität Montpellier II mit.

23. Mai 2007