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UMWELTLABOR/198: Raps und Rüben hungern nach Schwefel (SB)


Kohl, Zuckerrüben und Raps haben es schwer

Ohne Extraportion Schwefel geht fast nichts mehr


Mit dem Titel "Hungry Beet - Nach dem großen Durst hungern Zuckerrüben jetzt nach Schwefel!" gibt die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) offiziell über den Informationsdienst Wissenschaft zu, daß Schwefel in der deutschen Landwirtschaft derzeit Mangelware und somit essentieller Düngemittelzusatz geworden ist.

Was hier allerdings zunächst nach einem saisonalen Defizit aussieht, kann man bei genauerer Betrachtung nicht nur auf kurzfristig wirkende Faktoren zurückführen, wie sie im folgenden geschildert werden:

Auch eine Folge des Klimawandels: Mit der großen Trockenheit im Frühjahr fing in diesem Jahr das Leben schon schwer genug an für die jungen Zuckerrüben. Diesen Durst konnten die ergiebigen Regenfälle der vergangenen Wochen zwar mehr als reichlich stillen, haben aber auch den für Zuckerrüben lebenswichtigen Nährstoff Schwefel aus dem Boden ausgewaschen. Als Folge haben Wissenschaftler/innen des Institutes für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig weit verbreiteten Schwefelmangel in Zuckerrübenfeldern festgestellt.
(idw, 1. August 2007)

Fotos, die man im Internet unter der Adresse des idw (http://idw- online.de/pages/de/news220753) einsehen kann, zeigen deutlich, was den Forschern zunächst aufgefallen war: Aufgehellte Teilflächen an Stellen mit leichter Bodentextur, also Boden, der leichter und damit eher von Erosion betroffen ist:

(Foto 1) Diese Stellen sind insbesondere im Gegenlicht durch die dann leuchtende Gelbfärbung der Pflanzen zu erkennen. Die Pflanzen sind, im Vergleich zu symptomfreien Pflanzen des Bestandes, im Wuchs deutlich zurück (Foto 2) und insgesamt chlorotisch (gelb verfärbt).
(idw, 1. August 2007)

Daneben gibt es aber auch noch weitere Merkmale für den Nährstoffmangel. Die Pflanzen wirken insgesamt starrer, die Blätter stehen senkrecht hoch und fallen nicht wie bei gut versorgten Pflanzen fächerförmig auseinander. Wegen der höheren Krankheitsanfälligkeit von Pflanzen, die unter Schwefelmangel leiden, sind diese häufiger von Mehltau oder anderen Parasiten befallen. Und schließlich produzieren die Schwefelmangelpflanzen mit einem derart geschwächten Blatt- und somit Photosyntheseapparat einen deutlich geringeren Zuckerertrag. Das wird sich schon in diesem Jahr spürbar im Ernteertrag abzeichnen.

Bis vor 25 Jahren gab es Schwefel als Begleiterscheinung ungereinigter Verbrennungsabgase und für die Bauern gratis aus der Luft. Da er sich jedoch in Form von Schwefeldioxid mit der Luftfeuchtigkeit zu schwefliger Säure verband, kam diese Form der unfreiwilligen, durch Umweltverschmutzung provozierten Schwefeldüngung bald in Verruf, zumal durch die direkte Einwirkung von Säure auf Laub-, Nadelhölzer und Gebäude bzw. Denkmäler große Schäden in Natur und Städten betrauert werden mußten.

Als Folge hoher Standards in der Luftreinhaltung und der daraufhin begonnenen Einführung von Rauchgasentschwefelungen in Kraftwerken sowie der Verwendung von schwefelarmen Treibstoffen ist Schwefelmangel in Nordeuropa zur häufigsten Ernährungsstörung von Kulturpflanzen geworden. Statt bis zu stellenweise über 100 Kilogramm pro Hektar Ende der 70er Jahre gelangen heute meist weniger als zehn Kilogramm pro Hektar Schwefel im Jahr aus der Atmosphäre in die Böden, so daß Landwirte heute regelmäßig Schwefel künstlich ausbringen müssen.

Das ist jedoch gar nicht so einfach, denn die für die Pflanzen aufnehmbare und verwertbare Schwefelverbindung ist wasserlöslich und wird sehr schnell, bei großen Niederschlägen sogar fast vollständig, aus dem Boden ausgewaschen. Den Boden quasi mit Schwefel auf Vorrat zu sättigen, ist daher wenig sinnvoll. Andererseits lassen sich die Kulturpflanzen, wenn sie erst einmal aus dem Boden kommen und ihr Blattwerk die Reihen schließt, nur noch mühsam von unten her düngen. In der Landwirtschaft wird der Schwefel dann nur noch auf die Blätter gespritzt, um den größten Schwefelhunger zu stillen. Und das kann sehr leicht wieder zur Schädigung des Blattapparates durch die aggressiven Chemikalien führen.

Das, was fast zur Genugtuung der zum "Luftfiltern" verdammten großen Petrochemie und Kohleindustrie gereicht, Schwefelmangel an Nutzpflanzen, hatten die Forscher der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) auch schon vor drei Jahren beim Raps festgestellt. Dieser braucht wegen seines hohen Gehaltes an Eiweiß und Senfölen ebenfalls sehr viel von dem gelben Element.

Heute fallen immer mehr Rapsfelder mit weißen Blütenblättern auf. Das Blattpigment der typisch gelben Rapsblüten können die Rapspflanzen durch den Schwefelmangel offenbar nicht mehr ausreichend erzeugen. Und die Erbleichung des Rapses hat zudem tiefgreifende ökologische und ökonomische Konsequenzen.

Weißblühende Rapsfelder riechen deutlich weniger nach Honig und werden von Bienen viel seltener besucht. Das führt nicht nur zu einem Ernährungsproblem für die Bienen, sondern auch der Raps wird weniger gut bestäubt, was zu nachlassenden Ernteerträgen bei den Ölsamen führen kann. Raps ist die bedeutendste heimische pflanzliche Ölquelle, gilt zudem als nachwachsender Rohstoff und wird außer in der Lebensmittelindustrie auch im Energiesektor zur Herstellung alternativer Treibstoffe (Biodiesel, Rapsmethylester) verwendet. Er wird daher in großem Stil angebaut.

Für die Bienenweide, d.h. für Imker und Honigproduzenten, sind Rapsblüten und -felder daher schon mengenmäßig eine wesentliche Komponente. Noch wird geprüft, ob das von der Ernährungsstörung hervorgerufene optische Signal (weiße Blüte) auch mit einem veränderten Futterangebot (z.B. weniger Nektar) für die Bienen einhergeht.

Das ist allerdings sehr wahrscheinlich, da das komplizierte Kommunikationssystem der Bienen durchaus verschiedene Farben als Indikator für Futter zuläßt und nicht allein auf Gelb als potentielle Nektarquelle fixiert ist. So werden u.a. auch die weißen Blüten der Taubnessel angeflogen bzw. ihre Standorte an Stammesgenossen weitervermittelt. Wenn die Tiere also ein Feld mit intakten Blüten meiden, dann hat das möglicherweise vernünftige, ökonomische Gründe:

Für den Flug verbrauchen Bienen, relativ zu ihrem Körpergewicht, enorme Energiemengen. Die Experten vergleichen diesen Bedarf alleine für das "Abheben" des Insekts mit dem Energieverbrauch eines Jumbojets während eines gesamten Transatlantikfluges. Die Bienen gewinnen die nötige Energie aus Pflanzennektar, daher ist für sie unabdingbar, nach der Landung sofort wieder etwas Nahrhaftes zu sich zu nehmen.

Nun ähneln aber die kleinen weißen Rapsblüten verblühenden Blüten, deren Nektar bereits gefressen wurde. Das könnte bedeuten, daß die Bienen den Besuch einer solchen Pflanze als nicht mehr lohnend erkennen. Da Bienen aber auch lernen und ihre Erfahrung weitergeben, muß die Erkenntnis, daß an den kleinen weißen Blüten tatsächlich nichts mehr dran ist, offenbar immer wieder bestätigt werden. Mit anderen Worten, dem weißen Raps fehlt offenbar der Honig, sonst würden sich die Bienen anders verhalten.

Da im erwähnten idw-Beitrag die Schwefelergänzung durch entsprechende Düngung als ausgesprochen heikel beschrieben wird, kann man vermuten, daß es letztlich nicht am Schwefel allein liegt, daß der Gehalt an Pflanzenprodukten wie Zucker, Nektar oder Öl zurückgeht. Die extrem leichte, fast staubähnliche Bodentextur oder Krume, die eine Bodenerosion sowie das Auswaschen von Nährstoffen besonders fördert, läßt sich möglicherweise auch auf weitere Umwelt- und zunehmende Strahlungseinflüsse zurückführen, die den ausgelaugten, von Mikroorganismen befreiten, sterilen und verkarstete Boden zurücklassen, den wir heute fast überall vorfinden.

29. August 2007