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UMWELTLABOR/215: Sonnenbank mit ungeahnter Nebenwirkung (SB)


Sonnenbank mit ungeahnter Nebenwirkung


Bräune ohne Streifen ist nicht alles, was man von der Benutzung einer Sonnenbank erwarten darf. Wie in der englischsprachigen Online Ausgabe von LiveScience zu lesen war, kann das Sonnenbaden in den eigenen vier Wänden oder im Sonnenstudio zusätzlich zu knusprig brauner Haut und einem erhöhten Krebsrisiko auch noch süchtig machen. Und das ist kein Scherz.

Tatsächlich lassen sich die positive Stimmung und der leichte Aufputscheffekt, etwa wie nach einer guten Tasse Kaffee, die sich auch schon nach einer nur kurzen Bestrahlung mit ultraviolettem Licht einstellen, nicht abstreiten. Nicht von ungefähr bringen sich viele Streßgeplagte nach einem ermüdenden Bürovormittag in der Mittagspause so wieder auf Vordermann. Bereits die Frühjahrssonne, die man sich auf die Nase scheinen läßt, hat einen ähnlichen Effekt. Doch über die gesamte Haut verteilt soll das Hochgefühl offenbar noch länger anhalten. Und das hat nichts damit zu tun, daß man anschließend glaubt, besser und vitaler auszusehen.

Wörtlich hieß es im LiveScience-Artikel:

"We had previously shown that ultraviolet light has an effect on mood that tanners value," said Mandeep Kaur of the Wake Forest University Baptist Medical Center. "Now, in this small study, we've shown that some tanners actually experience withdrawal symptoms when the 'feel-good' chemicals are blocked." ["Wir hatten bisher zeigen können, daß UV-Licht eine von den Sonnenanbetern geschätzte positive Wirkung auf die Stimmung nimmt", sagte Mandeep Kaur vom Baptist Medical Center der Forest University. "In dieser kleinen Untersuchung stellten wir nun fest, daß die Sonnenbadenden tatsächlich Entzugserscheinungen erleiden, wenn die "Gutfühl"-Substanzen blockiert werden." Übersetzung SB-Red.]
(LiveScience, 29. März 2006)

Hiernach konnten die Forscher des Wake Forest University Babtist Medical Center in einer Studie an einigen wenigen Freiwilligen also auch so etwas wie Entzugserscheinungen feststellen, wenn die körpereigenen "Glückshormone" blockiert wurden.

Allerdings gilt die Studie aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl wissenschaftlich als nicht relevant. Nur 16 Personen nahmen daran teil. Die Hälfte davon ließ sich acht bis 15 Mal im Monat mit künstlichem Sonnenlicht behandeln, was den Erkenntnissen der Dermatologen zufolge notwendig ist, um die vermeintliche Sonnenbräune aufrecht zu erhalten. Die anderen acht Personen ließen sich nicht häufiger als 12 mal im Jahr künstlich mit UV-Licht bestrahlen.

Darüber hinaus erhielten einige der Probanden aus beiden Gruppen ein Medikament, das die Wirkung der Wohlgefühl auslösenden Endorphine sowie anderer gehirneigener Opioide blockiert, die angeblich während einer Sonnenbanksitzung, durch UV-Licht induziert, freigelassen würden.

Nach Einnahme hoher Dosen dieser Blocker waren häufige Sonnenbankbenutzer wesentlich weniger erpicht darauf, ihre künstlichen Lichtquellen aufzusuchen und etwa die Hälfte der Probanden klagte sogar über Übelkeit und Zittrigkeit. In der Vergleichsgruppe der Sonnenbankmeider traten diese Symptome nach Einnahme der Blocker nicht auf.

Das hatten die Forscher nicht erwartet und interpretierten die Testergebnisse als Sonnensucht, die durch eine leichte Abhängigkeit von den durch UV-Licht stimulierten "Glückshormonen" und hier vorzugsweise von Opioiden und Endorphinen hervorgerufen würde. Übelkeit und ein unter Drogenabhängigen bekannter, sogenannter "Turkey" (Zittrigkeit, Gänsehaut usw.) entsprächen dabei den Erscheinungen, die auch bei einem sanften Opiat-Entzug auftreten.

Das gleiche Wissenschaftlerteam hatte zuvor den günstigen Einfluß des UV-Lichts auf die Psyche von Versuchspersonen nachgewiesen, indem sie in einer Studie zeigten, daß Personen, die eine Sonnenbank mit UV-Anteil besuchten, wesentlich entspannter waren als Personen, bei denen der UV-Anteil weggefiltert wurde. Doch liegt den Forschern offensichtlich nichts daran, für die 2 Milliarden Dollar Solarstudio-Industrie in den USA auch noch die Werbetrommel zu rühren.

Bislang warb diese nämlich selbst damit, daß ihre Einrichtungen bei der Benutzung nicht nur den Sonnenbrand, sondern auch das Krebsrisiko ausschalten könnten, ein Sonnenbankbesuch somit harmlos und sogar (zum Aufbau von Hautvitaminen) äußert gesund und essentiell wichtig sei.

Die Wake Forest Forscher sehen das anders. UV-induzierte Bräune, ganz gleich aus welcher Quelle, schade den Erbinformationen in der Tiefe der Hautzellen, was durchaus eine Entwicklung von Hautkrebs fördern könne, so ihre Aussage. Die Haut dunkle nämlich als Schutzreflex gegen das Sonnenlicht. Die amerikanische Skin Cancer Foundation stimmt mit ihnen darin überein, ebenfalls die U.S. Food and Drug Administration (FDA), die den folgenden Standpunkt vertritt:

"UV radiation from the sun, tanning beds, or from sun lamps may cause skin cancer. While skin cancer has been associated with sunburn, moderate tanning may also produce the same effect." [Sonnenstrahlung, Sonnenbänke oder UV-Lampen können Hautkrebs verursachen. Obwohl Hautkrebs gemeinhin mit Sonnenbrand in Verbindung gebracht wird, läßt sich die krebsauslösende Wirkung selbst bei gemäßigtem Sonnenbaden nicht ausschließen. Übersetzung Sb-Red.]
(LiveScience, 29. März 2006)

Das neue Suchtargument wäre nun die passende Erklärung, warum Sonnenhungrige trotz zahlloser vernünftiger Gründe nicht mit dem Sonnenbaden aufhören können. Darüber hinaus liefere es die passende Therapie für Sonnenabhängige.

Doch nicht nur die wenig signifikante Menge an Probanden, auch die logische Deduktion der Ergebnisse weckt Zweifel. Denn die Gabe eines Endorphinblockers, der also entweder das Freisetzen der "Glückshormone" oder auch deren Auftreffen auf die entsprechenden Rezeptoren verhindert, sollte unserer Ansicht nach nicht die Lust auf Sonne dämpfen, sondern eher ein gegenteiliges Verhalten - also langes intensives Sonnenbaden - bewirken, um die ausbleibenden Glücksgefühle doch noch in ausreichender Menge zu bekommen. Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich mit kleinen statistischen Mengen und entsprechend eigener Interpretation genau das nachweisen läßt, was man wissenschaftlich auch zu belegen beabsichtigte.

Es ist daher nur eine Frage der Zeit, wann eine weitere von den Betreibern von Sonnenbänken und Sonnensüchtigen unterstützte Forschergruppe erneut die Notwendigkeit des Sonnenlichts beweisen wird.

Erstveröffentlichung 31. März 2006
Neue, überarbeitete Fassung

25. März 2008