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UMWELTLABOR/289: Seltene Erden - Verschleierte Lasten ... (SB)


Seltene Erden - die Folgen des Abbaus für Luft, Wasser und Böden


Der "Living Planet Report" des WWF, eine alle zwei Jahre erscheinende Studie zum "Gesundheitszustand der Welt", kam bereits 2012 zu der Erkenntnis, daß wir bis zum Jahr 2030 zwei Planeten benötigen werden, "um unseren Bedarf an Naturkapital wie Nahrung, Wasser und Energie zu decken". Bis 2050, wenn voraussichtlich 9,7 Milliarden Menschen die Erde bevölkern, wären es sogar schon drei - vorausgesetzt, daß sich durch die zunehmende globale Erwärmung und steigenden Meeresspiegel die ohnehin strapazierten Regenerationsmöglichkeiten unseres Planeten nicht erheblich einschränken werden oder die Ansprüche der Bewohner nicht zunehmen. Denn bisher geht der Verbrauch vor allem auf die westlichen Industrienationen zurück, die vergleichsweise viele Ressourcen benötigen, um ihren Lebensstil auf Kosten der restlichen Welt zu wahren. Was aber ist mit den nicht regenerierbaren Rohstoffen der Erde wie Kohle, Erdöl oder Metall, die von der verarbeitenden Industrie ebenfalls in Massen verbraucht werden? Ihre Beschaffung hängt nicht nur unmittelbar mit dem boomenden Konsum an noch regenerierbarer "Planetenmasse" (Wasser und Energie) zusammen, ihr absehbares Ende macht Wirtschaft und Industrie jetzt schon Kopfzerbrechen, ohne daß daraus von dieser Seite erkennbare Konsequenzen gezogen würden. Energie- und Ressourceneffizienz und "grünes Wirtschaftswachstum" gelten als umwelt- wie wirtschaftsverträgliche Lösungen.

Im Klartext heißt das: Der Raubbau des Planeten wird mit immer größerem Zerstörungspotential durch Maschinen, Bohrer und Sprengkräften in immer tiefere und sensiblere Bereiche vordringend fortgesetzt, um alle Arten von Erzen mit niedrigeren Metallgehalten aus den planetaren Eingeweiden herauszulösen, verbunden mit einem gewaltig anwachsenden Appetit auf Energie, Wasser und Chemikalien. Gerade beim Umstieg auf ressourcenschonende "grüne" Technologien, zeigt sich, daß der profitgetriebenen Wirtschaft höchste Priorität eingeräumt wird. Im Zusammenhang mit den fast unvermeidlichen Rebound-Effekten [1] konnte bereits in der letzten Folge dieser Serie über Seltene Erden gezeigt werden, daß der Aufschwung der Förderindustrie, um die Nachfrage der Nachhaltigkeitstechnologien [2] zu bedienen, eine besonders perfide Form der Verschleierung darstellt: Auf der einen Seite werden bestimmte Ressourcen eingespart und beispielsweise Energie ohne CO2-Emissionen generiert, energie- und resourceneffizient produziert, dafür müssen aber auf der anderen Seite neue, bislang weniger genutzte Rohstoffe in ungeahnt großen Mengen energie- und CO2aufwendig der Erde entrissen werden. Und das ist nur möglich, weil sie dem bisherigen Raubbau aufgrund technologisch ungelöster Herausforderungen an ihre Aufbereitung und Trennung bislang entgangen sind.

Nach dem bereits im ersten Teil beschriebenen Mißverständnis ihrer Bedeutung bei den sogenannten "sauberen" Erneuerbaren, die dadurch mehr als "schmutzig" werden [2] und vor der noch zu erörternden Konfliktwirksamkeit von Rohstoffen und ihren Streitschauplätzen (auf die eine spätere Folge eingehen wird) sind die eklatanten Umweltfolgen Grund genug für die gesellschaftliche Relevanz dieses Themas. Daher sollen in dieser Folge die damit verbundenen Schäden, Verluste und irreversiblen Konsequenzen für Mensch und Natur in den Fokus der Betrachtung gerückt werden.

Einiges davon, was die zunehmende Gier nach den begehrten Stoffen mit sich bringt, wird sich erst im Laufe von andauerndem Abbau und längerer Nutzung ermessen lassen. Das gleiche gilt für das Vordringen und Abtauchen bei der Exploration und möglichen Exploitation dieser Stoffe in Bereiche, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat wie die Tiefsee und ihre empfindlichen Ökosysteme. Mit der direkten Toxizität der Seltenen Erdmetalle, die bis heute als relativ unschädlich gelten (aber bisher nie in dieser isolierten Form und in Mengen in Gebrauch genommen wurden) und spekulativen, aber wahrscheinlichen gesundheitlichen Auswirkungen für diejenigen, die hautnah damit zu tun haben, soll sich eine weitere Folge separat befassen.

Zunächst zur Frage, was in diesem Zusammenhang heute schon an umwelttoxischen Begleiterscheinungen sichtbar toleriert wird, um dem Grünen Wirtschaftswachstum keine Steine in den Weg zu legen. An dem lange etablierten und ebenso mit rigorosen Methoden zu beschaffenen, seltenen Rohstoff Gold zeigen sich erste Parallelen [3]:

Um heutzutage eine Feinunze Gold (31,104g) mit einem momentanen Materialwert von 980,48 Euro aus Erzen zu gewinnen, müssen vergleichbar zu den Seltenen Erden gewaltige Mengen an Gestein gefördert, gebrochen, zermahlen und gelaugt werden. Bilanziert man den Gewinnungsprozeß bis zur reinen Feinunze Gold, so wird man feststellen, daß man dafür so viel Energie verbraucht beziehungsweise so viele Treibhausgase emittiert werden, wie bei einer 4.000 Kilometer weiten Autofahrt mit einem Mittelklassewagen. Abgesehen von den Folgen, die das für das Klima hat, vergiften umweltrelevante Chemikalien, die beim Goldabbau zum Einsatz kommen (wahlweise Quecksilber oder Cyanid), Luft, Boden und Wasser. Vor allem Quecksilber ist ein besonderes Problem, da es schwere Schädigungen von Nerven und Gehirn zur Folge hat. In sogenannten "artisinalen" Produktionsstätten, also Ein-Mann-Kleinproduzenten oder Familienbetrieben, von denen nach wie vor ein großer Teil der Goldgewinnung bestritten wird, ist es unter dem erheblichen Druck des vorherrschenden Wirtschaftsdiktats üblich, in einem der Verfahrensschritte das überschüssige Quecksilber bei 360 °C einfach ungefiltert in die Atmosphäre zu verdampfen. Die Produzenten sterben daran. Der alternative Einsatz von Cyanidlaugenbädern zum Anlösen des gewonnenen, goldhaltigen Gesteins ist ebenfalls hochgradig umwelttoxisch und für die Natur ebenso problematisch wie für alle, die mit diesem Verfahren in Kontakt kommen (1 bis 2 mg/kg Körpermasse festes Cyanid oder 100 bis 200 ppm (parts per million) Blausäure in der Atemluft sind bereits tödlich).


Seltene Erden - das neue Gold, das keiner kennt

Von den Medien häufig als "das neue Gold, das noch keiner kennt" tituliert, gibt es beim Abbau von Seltenen Erden und ihrer chemischen Aufbereitung durchaus vergleichbare Probleme. Zwar lassen sich über den Verbrauch von fossilen Rohstoffen noch keine konkreten Angaben finden. Allein die im Festgesteinsabbau mit konventionellen Bergbaumethoden (Bohren, Sprengen und Laden auf LKWs), aber auch im weiteren Verfahren zur Aufkonzentration der abgebauten Erze (Zerkleinern, Mahlen und Trennung durch Flotation) notwendigen energieaufwendigen Schritte lassen jedoch darauf schließen, daß es neben der Entwicklung und Freisetzung von Ruß, Feinstaub und Luftschadstoffen zu einem treibhausrelevanten Eintrag in die Atmosphäre kommt, der jenen, für den ein Mittelklassewagen 4.000 km fahren muß, noch übertrifft.

Aus den Unterlagen der 2002 geschlossenen Mountain Pass-Mine geht hervor, daß für Aufbereitung und Raffination zudem gefährliche Substanzen verwendet beziehungsweise im Prozeß produziert werden, darunter organische Lösungsmittel, Säuren, Flockungsmittel, Ammoniak und Nitratverbindungen, aus denen u.a. flüchtige Gifte (SO2, Schwermetalle) oftmals ungefiltert freigesetzt wurden und werden.

Bei einer weiteren in bestimmten Abbaugebieten einzig machbaren Extraktionsmethode bringt man die Chemikalien, vornehmlich starke Säuren, direkt in das Bohrloch ein, um die Erze aus dem Gestein zu lösen und anschließend durch ein zweites Bohrloch zu fördern. [4] Das erinnert nicht von ungefähr an die beim "Fracking" diskutierten Methoden, ohne daß über die Konsequenzen nachgedacht wird. Durch das Einbringen von Flüssigkeit sind Erschütterungen und Verschiebungen des Erdreichs zu erwarten.

Hierbei und dann noch mal zu einem späteren Zeitpunkt des Aufschlusses der Mineralien kommt hochkonzentrierte Schwefelsäure zum Einsatz, die zudem auf 300 bis 600 Grad erhitzt werden soll (was, wenn die Angaben der TU-Berlin korrekt sind, einem überkritischen, extrem oxidativen Zustand entspricht, d.h. hochkonzentrierte Schwefelsäure plus Schwefeltrioxid SO3, der nur schwer zu handeln ist). Der dabei freiwerdende, ätzende Fluorwasserstoff (konzentrierte Flußsäure (HF)) ist in der Lage, die meisten gewöhnlichen Luftfilter ungehindert zu passieren. In weiteren Prozeßschritten werden die Seltenerd-Sulfate ausgelaugt, in mehreren Stufen ausgefällt und mit starker Natronlauge in Hydroxide umgewandelt, erneut in Salzsäure gelöst, um schließlich als SE-Chloride in Oxide umgewandelt zu werden, die schließlich als SEO (Seltenerd-Oxide) zur weiteren Verarbeitung in den Handel kommen.

Rund um die größte Mine für Seltenerdmetalle, Bayan Obo in der inneren Mongolei, China, in der vordergründig Eisen, aber auch Niob und 50 Prozent der chinesischen Produktion an SE in staubigen Tagebauen mittels Seilbaggern abgebaut wird, haben sich im Laufe der Jahre - ganz ähnlich wie bei der Goldgewinnung - unzählige artisinale Weiterverarbeitungsbetriebe angesiedelt, die den hiesigen Umweltauflagen und -anforderungen nicht genügen würden. Auch hier müssen die Kleinproduzenten zu Lasten der eigenen Gesundheit ihre Herstellungskosten klein halten. Die physikalischen und chemischen Methoden, um die SE-Metalle mit Handarbeit aus dem Gestein zu lösen, erinnern den westlichen Betrachter an die mittelalterliche Alchemie - mit entsprechenden Folgen für die Umwelt.


Das Satellitenfoto zeigt die Verwüstung der Landschaft - die Vegetation ist rot, Grasland hellbraun, Gestein schwarz und Wasser grün dargestellt. - Foto: by NASA Earth Observatory 2006

Wie eine entzündete Wunde auf dem Antlitz der Erde - die SEE Tagebaue von Bayan Obo
Foto: by NASA Earth Observatory 2006

Laut einer Studie des Bundesumweltamts werden mindestens 10 Millionen Tonnen Abwässer aller Art von den SE-produzierenden Unternehmen in der Baotou Region größtenteils ohne entsprechende Aufbereitung in die Naturgewässer wie den Yellow River Jahr für Jahr entsorgt.

Die im Abwasser verbliebenen Säuren, z.B. Salzsäure (HCl), müssen allerdings zuvor mit z.B. Natriumhydroxid (Natronlauge (NaOH)) neutralisiert werden. Das Produkt dieser Neutralisationsreaktion, hier nichts anderes als Kochsalz (NaCl), erhöht den Salzgehalt der davon betroffenen Fließgewässer. In der Umweltbilanz geht dieser Zusammenhang als Zunahme einer Umweltgröße oder eines Faktors ein, die mit der Bezeichnung "gesamte gelöste Feststoffe (TDS total dissolved solids)" die Versalzung und das mögliche Aussterben eines Süßwasserökosystems bis zur Unkenntlichkeit der eigentlichen Zusammenhänge verklausuliert.

Je nach Extraktionsmethode fallen weitere verschiedene Arten von Schlacken und Rückständen an, die eine erschreckende Bilanz ergeben: So wurde in einem Artikel von China Daily [5] berechnet, daß für nur eine Tonne Seltenerdmetalle in der Weiterverarbeitung 63.000 Kubikmeter Abgase kontaminiert mit Schwefel- und Flußsäure, 200 Kubikmeter säurehaltiges Abwasser und 1,4 Tonnen radioaktiver Abfall anfallen. Bei letzterem handelt es sich um vergesellschaftet vorkommende, radioaktive NORM-Teilchen [6], die während des gesamten Prozesses des Bergbaus, der Verarbeitung und Nutzung von Seltenerdmineralien, -oxiden und -metallen zu Tage gefördert und mit ihnen in der Welt verbreitet werden.

Das deutsche Bundesumweltamt kam in einer ähnlichen Studie [7] auf teilweise moderatere Vergleichszahlen: Danach fallen bei der Produktion einer Tonne Seltene Erden an die 2.000 Tonnen Aufbereitungsrückstände an. Davon 8,5 Kilogramm Fluor und 13 Kilogramm Staub. Beim Aufschluß mit Schwefelsäure ist die Rede dagegen "nur" von 9.600 bis 12.000 Kubikmeter toxischen Abgasen, die Staub, Flußsäure, Schwefeldioxid und Schwefelsäure enthalten und auch "nur" 75 Kubikmeter saure Abwässer. Bei der Menge der radioaktiven Schlämme (in beiden Studien über eine Tonne) treffen sich die Zahlen wieder.

Nur selten werden die ebenfalls bei der Raffination von SE anfallenden Mengen an hochtoxischen Schwermetallen Blei und Arsen erwähnt, die bei mangelnder Filtration ebenfalls in den Wasserkreislauf gelangen. [8] Das liegt unter Umständen mit daran, daß Art und Zusammensetzung der Kontamination von Förderstelle zu Förderstelle sehr unterschiedlich sind und immer im Zusammenhang mit den jeweils anderen kritischen Metallen wie Kupfer-, Kobalt oder Eisen betrachtet werden müssen. Blei und Arsen werden daher beim umstrittenen Kupferabbau (z.B. in Sambia oder im Kongo) erwähnt, nicht aber ein zweites Mal, wenn an der gleichen Stelle auch die noch gefragteren Seltenen Erden abgebaut werden. Eine Übertragung der Umweltfolgenabschätzung von einem "Bohrplatz" zum nächsten ist nicht möglich. Entsprechend neue Messungen und Analysen oder ein Monitoring fehlen an den meisten Standorten des aktuellen Abbaus.

Doch ganz gleich, welche der vorliegenden Umweltzahlen für eine Tonne produzierte SE zur Grundlage genommen werden, sei an dieser Stelle an die Rechnungsgrundlage der letzten Folge [2] erinnert. Danach sind auch die kleinsten dieser Werte bereits die Mindestumweltbelastung, die bei der SE-Produktion für nur eine einzige Windkraftanlage (die mindestens eine Tonne SE benötigt) anfällt. Für die allein in China geplante Aufstockung der Windenergieanlagen auf 20.000 hätte man danach allein 20.000 bis 30.000 Tonnen radioaktiven Abfall zu entsorgen, von den Lösungsmitteln, Säureseen und dem ganzen Rest (immer mal Faktor 20.000) einmal abgesehen, ganz zu schweigen von der immensen Versalzung der Böden und Grundwasserreservoirs ... [9]

Bereits das Auffangen und Ablagern der Rückstände in entsprechenden Becken und Teichen nimmt bei einer Produktion dieses Ausmaßes ungeheuerliche Dimensionen an. Eine Absetzanlage in Baotou (China) hat der UBA-Studie [7] zufolge nach über 50 Betriebsjahren eine Fläche von 10 Quadratkilometern bei einer Dammhöhe von 30 Metern erreicht. Sie muß laufend vergrößert werden. Mittlerweile lagern dort an die 160 Millionen Tonnen Rückstände und 17,5 Millionen Kubikmeter Abwässer. Darin enthalten sind sowohl die radioaktiven Begleitelemente wie Thorium und Uran aus Monazit und die bereits erwähnten Chemikalien und Säuren. Bei einer Jahresproduktion von 120.000 Tonnen Seltenen Erden (für China 2008) sind ein jährlicher Zuwachs an rund 120.000 Tonnen radioaktiven Schlämmen zu erwarten - ein akutes Umweltproblem, das an die offene Lagerung von Radioaktivität in Fukushima erinnert.

Das Entsorgungsproblem ist noch nicht gelöst, bislang sickern die flüssigen und gelösten Rückstände durch die zumeist undichten Anlagen in die Umgebung und gelangen auf diese Weise in das Grundwasser.

Ohne diesen "natürlichen Abfluß" besteht auch das Risiko von Dammbrüchen und somit weiteren katastrophalen Versalzungs- und Verschmutzungsereignissen. Dies war seinerzeit in der sogenannten Mountain Pass Mine, dem ehemaligen Abbaugebiet für Seltene Erden in den USA, geschehen. Erst nachdem in den 90er Jahren Veränderungen in der Grundwasserqualität und ein abnehmender Grundwasserspiegel festgestellt worden waren, begann man dort mit regelmäßigen Überprüfungen der Wasserqualität. Durch die mangelhafte Dokumentation der Vorfälle läßt sich das gesamte Ausmaß der Umweltkontamination über die Jahre laut einer weiteren Studie des Bundesumweltamtes [10] jedoch nicht mehr nachvollziehen. Ein Auszug der Studie spricht für sich:

Insgesamt soll es zwischen 1989 und 1998 zu 40 bis 50 Unfällen entlang der Pipelines und zum Austritt von kontaminierten Abwässern gekommen sein. Das Gesamtvolumen des ausgelaufenen Abwassers wird auf 3.675.000 l geschätzt (Thompson 2013). So kam es beispielsweise 1990 zu einem von der EPA dokumentierten Unfall, bei dem um die 170.000 l kontaminiertes Abwasser in die Umwelt austraten (EPA 2012a). [10]

Über das Ausmaß der damit verbreiteten Radioaktivität wird allerdings nicht spekuliert. 2002 wurde die Mountain Pass-Mine aus ökologischen, besser gesagt aus ökonomischen Gründen aufgrund neuer und kostspieliger Umweltauflagen aufgegeben. Nachdem die Rohstoffpreise und die Nachfrage wieder stiegen, hat sich das amerikanische SE-Projekt wie Phoenix aus der Asche erhoben und genau so heißt das 2011 begonnene Modernisierungsprojekt des alten Bergwerks auch.

Ob die Umweltauflagen der vermeintlich "nachhaltigeren" Gewinnung Seltener Erden, die ihre Energie in diesem Fall aus der ebenfalls CO2 produzierenden Erdgasverstromung bezieht, ausreichen, um Störfälle auszuschließen, wird die Zukunft zeigen. Die Produktionsmethoden benötigen nach wie vor enorme Wassermengen und auch die hier wie in China abfallenden Schadstoffe lassen sich nicht wegrationalisieren. In der aktivsten Zeit der Mine wurden täglich 2.000 Tonnen Erz im Tagebau gefördert, dabei fielen pro Minute 3.217 Liter an Abwasser an. Entsprechend wurden von 1965 bis 1995 allein 1,5 Milliarden Liter Wasser aus der Gegend verbraucht, was den Grundwasserspiegel um 30,5 Meter senkte. [10] Inzwischen werden zwar geringere Mengen an Seltenen Erden extrahiert und aufgeschlossen, was aber nicht zwangsläufig die dafür notwendige Wassermenge reduziert. Nach dem Höhepunkt des Abbaus werden inzwischen weniger ergiebige Gesteinsschichten mit der gleichen Menge an Wasser und Chemikalien aufgeschlossen. Wie ergiebig das Gestein in Bezug auf NORM- und TENORM-Partikel ist, wurde nicht erkundet.

Nun sind kaum US-Bürger während der akuten Störfälle nachweislich zu Schaden gekommen, was an der geringen Besiedlung der Gegend liegt. Die Folgen für wild lebende Tiere sowie für die Pflanzenwelt sind (Mountain Pass weitet seinen Einzugsbereit von ursprünglich neun Quadratkilometer immer mehr aus) jedoch nicht unerheblich. Abgesehen davon, daß Tiere von Brut- und Futterplätzen vertrieben werden, konnte ein Rückgang des Nährwerts in den Pflanzen festgestellt werden, die Nahrungsgrundlage vieler ansässiger Lebewesen sind und der auf die zunehmende Bodenversalzung u.a. Umwelteinträge zurückgeführt wird. Eingeräumt wurde auch, daß die Ablagerung von Staub und Abgasen auf der von Tieren bevorzugten Vegetation toxisch wirkt und den bereits registrierten Populationsrückgang vor Ort erklären könne. Dabei wurde die radioaktive Belastung nicht untersucht.

Auch in China ist der Abbau von Seltenen Erden nicht mehr gänzlich unumstritten. Denn in den Abbauregionen, von der Mongolei bis hin zu den sogenannten Ionen-Adsorptions-Tonen im Süden des Landes, sind die Folgen des Abbaus inzwischen für die Bevölkerung hautnah spürbar geworden. So sind in der nahe der Bayan Obo Mine gelegenen Stadt Baotou Beschwerden wie Chemikalienvergiftungen und Schwarze Lunge, die auf den SE-Abbau zurückzuführen sind, inzwischen an der Tagesordnung. In den Haaren von dort beheimateten Kindern zwischen 11 und 15 Jahren fanden Forscher signifikant erhöhte Werte für mehrere leichte Seltenerdmetalle, als sie in früheren Statistiken verzeichnet wurden. [4]

Die größte Gefahr in der Nähe von Abbaugebieten geht allerdings von der radioaktiven Verstrahlung durch die von SE nicht zu trennenden NORM- und TENORM-Partikel [6, 11] aus, die gerne kleingeredet wird. Bei dem zuvor erwähnten im Gestein vergesellschafteten Vorkommen im Verhältnis von 1:1 (SE-Produktion zu NORM-Abfällen) sollte vielleicht auch die Zunahme von SE im Kinderhaar einen anderen Stellenwert bekommen.

Zu nennen wären hier Thorium und Uran (z.B. Thorium-232 und Uran-238), mit denen Seltene Erden in ihren Mineralien (z.B. den Cer- und Lanthan reichen Monaziten) vermischt sind und von denen sie nicht gereinigt werden. Da Seltene Erden fast immer im schwer voneinander trennbaren 17er-Pack auftreten, ist auch ihr radioaktiver kleiner Bruder "Promethium" als Bestandteil der natürlich auftretenden radioaktiven Materialien in der Umwelt immer mit von der Partie. In manchen Minen wird außerdem kumuliertes, radioaktives Radon (z.B. Ra-226) in Mengen freigesetzt, die z.B. die Wasserqualitätsnorm überschreiten. Seltener aber in den Abwässern einer amerikanischen SE-Mine registriert wurden geringe Barium-, Bor-, und Strontium-Konzentrationen mit radioaktiven Bestandteilen.

Entgegen aller anderen Umweltgifte und Risiken, die in bestimmten Geweben kumulieren müssen, um eine toxische Qualität zu erreichen, und die sich mit anwachsenden Befindlichkeitsstörungen bemerkbar machen, reicht hier nur ein radioaktives Partikelchen aus, das sich wie auch immer an einem entsprechenden neuralgischen Punkt spaltet, um den Betroffenen etwa mit einer Krebserkrankung tödlich zu treffen.

Erinnern die Abraumbecken mit radioaktiven Schlämmen und Säureseen in China bereits an den leichtfertigen Umgang mit Nuklearenergie und ihren Folgen, sollte einem gerade in diesem Zusammenhang die in den bisher erwähnten Umweltstudien zu Seltenen Erden unausgesprochene Frage zu denken geben, welche Folgen oder auch toxische Relevanz ihre zunehmende Verbreitung auf der Welt hat. Inwieweit können die Nachhaltigkeitstechnologien, die noch von anderen modernen Technologien wie Handys, Smartphones, PCs, Tabloids, Computerchips, Assistenzsysteme in Pkws oder Katalysatoren in der Nutzung von Seltenen Erden übertroffen werden, die Lebensumwelt verändern, wenn die Konzentration von Seltenen Erden und ihren unvermeidlichen Begleitstoffen in den Umweltkompartimenten Wasser, Boden und Luft zunimmt?

Bereits heute ist ein gesteigerter Eintrag von Seltenen Erden durch Abrieb und Verschleiß zu beobachten, der beispielsweise dadurch entsteht, daß Lanthanoxid (als Katalysatorzusatz bei der Raffinierung von Erdöl) oder Ceroxid (als Katalysatorzusatz in modernen Treibstoffen) für schadstoffärmere Abgase sorgen sollen. Auch dieser neue Feinstaub-Anteil wird von den radioaktiven Elementen Thorium, Uran, Promethium sowie Radon begleitet, von denen die Seltenerderze nicht gereinigt werden, da sie im weiteren Einsatz der Elemente nicht stören.

Zwar kommen bislang nur mäßige Mengen an Seltenerdoxid in "umweltschonenden" Treibstoff zum Einsatz, dafür aber regelmäßig: Etwa 50 Gramm Ceroxid auf eine Tonne Dieselkraftstoff (1.400 Liter) werden benötigt. Umgerechnet verbraucht ein Fahrzeug während seiner gesamten Lebensdauer von 10 Jahren etwa 1,5 Kilogramm davon. Gleichzeitig boomt die Nachfrage an vermeintlich schadstoffarmen, dafür aber besonders großen, "angesagten" Dieselkraftfahrzeugen wie Diesel-Geländewagen. Dank der neuen klimaneutralen Rußpartikelfilter samt Seltenen Erden können sich die, die es können, doch wieder leisten, haufenweise gereinigte Dieselkraftstoff-Abgase in die Luft zu blasen - radioaktive Spurenflüge nicht ausgeschlossen.

Inwieweit sich diese Praxis bereits in der radioaktiven Hintergrundstrahlung abzeichnet oder dadurch eine größere Wahrscheinlichkeit, radioaktive Stoffe aufzunehmen und in Folge an Krebs zu erkranken, besteht, wird sich kaum überprüfen lassen. Angesichts des gemeinhin wenig sorgfältigen Umgangs mit radioaktiven Materialien anderswo oder den verzweifelten und komplett mißlungenen Versuchen in den verstrichenen Jahren die Folgen von Kernkraftwerkshavarien klein zu halten oder zumindest zu vertuschen, sind die Thorium, Uran, Strontium, Promethium und Radon verschleudernden SE-Technologien nur mehr "Peanuts" [12]. In der Fallstudie des Umweltbundesamts zu den "Umwelt- und Sozialauswirkungen der Gewinnung Seltener Erden in Bayan Obo, China" wird allerdings eine Untersuchung der Tsinghua Universität Peking erwähnt, bei der die Baotou Region tatsächlich auf ihre radioaktive Belastung getestet wurde. Um die Gamma-Strahlung und die damit einhergehende Belastung der Bevölkerung festzustellen, wurde eine Fläche von 2.060 Quadratkilometern von einem Flugzeug gammaspektrometrisch gescannt. Registriert wurde eine Zusatzbelastung für die Bergbauarbeiter vor Ort von 0,24 - 0,7 mSv/a (Millisievert pro Jahr) und für einige sogar bis zu 1 mSv/a (Department of Engineering Physics of Tsinghua University Beijing 2010). Damit wäre der von der europäischen Richtlinie EURATOM und der deutschen Strahlenschutzverordnung festgelegte Grenzwert um das Doppelte überschritten. Die Extrabelastung für die normale Stadtbevölkerung von Baotou sei dagegen nur geringfügig erhöht. Auch das erinnert an gängige Verschleierungspraktiken in Fukushima oder Tschernobyl.


Anmerkungen:

[1] Rebound Effekte: Durch die Steigerung der Effizienz können Produkte oder Dienstleistungen mit weniger Ressourcenverbrauch geschaffen werden. Oft sind damit auch Kosteneinsparungen verbunden. Ein einfaches Beispiel: Ein sparsamer Pkw verursacht geringere Treibstoffkosten pro gefahrenem Kilometer. Das wirkt sich zumeist auf das Fahrverhalten aus: Wege werden häufiger mit dem Pkw zurückgelegt, längere Strecken gefahren und öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad dafür weniger genutzt. Ein Vorteil für die Umwelt wie geringere Schädigung oder ein nachhaltigerer Umgang mit den Ressourcen wird durch den größeren Verbrauch nicht erwirkt.

[2] Unter dem kategorischen Titel "Seltene Erden" befaßt sich eine aktuelle Serie des Umweltlabors mit den sich aus dem "Rohstoffhype" ergebenden Widersprüchen. Siehe auch:
Naturwissenschaft → Chemie
UMWELTLABOR/288: Seltene Erden - Schönrechnen innovativ ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chula288.html

[3] aus dem Vortrag von Andreas Manhart zum Thema "Seltene Erden und kritische Metalle"
http://www.kath-akademie-bayern.de/tl_files/Kath_Akademie_Bayern/Veroeffentlichungen/zur_debatte/pdf/2012/Vortrag_Manhart.pdf abgerufen am 1.12.2015

[4] Lücht, M.; Momsen, R.; Niemann, K.; Recherche zur Rohstoffgruppe der Seltenen Erden, 16. April 2014, Freie wissenschaftliche Arbeit im Fach Umweltmanagement an der Technischen Universität Berlin
http://www.reuse-computer.org/fileadmin/user_upload/documents/Artikel/UM_Recherche_Seltenerdmetalle.pdf abgerufen am 1.12.2015

[5] Li Jiabao and Liu Jie. Rare earth industry adjusts to slow market. ChinaDaily, 2009.
http://www.chinadaily.com.cn/bw/2009-09/07/content_8660849.htm abgerufen am 15.12.15

[6] NORM: Diese Begleitstoffe werden als Natural Occurring Radioactive Material, kurz NORM bezeichnet, was soviel bedeutet wie natürlich anfallende radioaktive Stoffe. Radiologisch relevant ist NORM erst, wenn die spezifische Aktivität der Radionuklide die geogenen Hintergrundwerte stark übersteigt. Das kann bei natürlichen Rohstoffen, z. B. Uran- und Thoriumerzen oder Schwermineralien, aber auch bei natürlichen Radionuklidakkumulationen, z. B. in Sedimenten der Fall sein. Wenn die radioaktiven Stoffe durch technologische Prozesse angereichert wurden, spricht man von TENORM (Technologically Enhanced Natural Occurring Radioactive Material). Ein Beispiel für die Entstehung von TENORM ist die Gewinnung von Metallen aus Erzen.

[7] Lukas Rüttinger, adelphi; Robert Treimer, Montanuniversität Leoben; Günter Tiess, Montanuniversität Leoben; Laura Griestop, adelphi; Fiona Schüler, adelphi; Janis Wittrock, adelphi - Fallstudie zu den Umwelt- und Sozialauswirkungen der Gewinnung Seltener Erden in Bayan Obo, China
http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/dokumente/umsoress_fallstudie_seltene_erden_china_bayan_obo.pdf

[8] Lukas Rüttinger, adelphi; Robert Treimer, Montanuniversität Leoben; Günter Tiess, Montanuniversität Leoben; Laura Griestop, adelphi; Fiona Schüler, adelphi; Janis Wittrock, adelphi - Fallstudie zu den Fallstudie zu den Umwelt- und Sozialauswirkungen der Gewinnung Seltener Erden in Mount Weld, Australien und der Raffination in Kuantan, Malaysia
http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/dokumente/umsoress_fallstudie_seltene_erden_malaysia_westaustralien.pdf abgerufen am 1.12.2015

[9] Cindy Hurst. China's Rare Earth Elements Industry: What Can the West Learn? Institute for the Analysis of Global Security (IAGS), 2010.
http://fmso.leavenworth.army.mil/documents/rareearth.pdf abgerufen am 1.12.2015

[10] Lukas Rüttinger, adelphi; Robert Treimer, Montanuniversität Leoben; Günter Tiess, Montanuniversität Leoben; Laura Griestop, adelphi; Fiona Schüler, adelphi; Janis Wittrock, adelphi - "Fallstudien zu den Umwelt- und Sozialauswirkungen der Gewinnung Seltener Erden in Mountain Pass, USA"
http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/dokumente/umsoress_fallstudie_seltene_erden_usa_mountainpass.pdf abgerufen am 15.12.2015

Thompson, K. (2013): One American Mine Versus China's Rare Earths Dominance.
http://www.popularmechanics.com/technology/engineering/news/one-american-mine-versus-chinas-rare-earths-dominance-14977835. abgerufen am 20.12.2015

EPA (Environmental Protection Agency) (2012a): Rare Earth Elements: A Review of Production, Processing, Recycling, and Associated Environmental Issues, U.S. Environmental Protection Agency. http://nepis.epa.gov/Adobe/PDF/P100EUBC.pdf. abgerufen am 04.12.2015

[11] Das Thoriumisotop Th-232 ist mit seiner Halbwertszeit von 14,05 Mrd. Jahren schwächer radioaktiv (geringere Dosisleistung) als Uran-238, da durch die längere Halbwertszeit weniger Zerfälle pro Sekunde stattfinden und auch die Konzentration der kurzlebigen Zerfallsprodukte geringer bleibt. Thorium ist sowohl ein Beta- und Gammastrahler, gefährlich bei Inhalation und Ingestion. Metall-Stäube und vor allem Oxide sind aufgrund ihrer Lungengängigkeit radiotoxisch besonders gefährlich und können Lungen-, oder Bauchspeicheldrüsenkrebs verursachen. Beim Lagern von und Umgang mit Thorium und seinen Verbindungen ist auch die stetige Anwesenheit der Elemente aus der Zerfallsreihe zu beachten. Besonders gefährlich sind starke Betastrahler (Radium-228, Actinum-228, Blei-212, Bismut-212 und Thallium-208) und die mit einem hohen 2,6-MeV-Anteil sehr energiereichen und durchdringungsfähigen Gammastrahlen. Das Einatmen von hohen Thoriumkonzentrationen kann zu einer tödlichen Metallvergiftung führen.

Alle Promethium-Isotope sind mit einer Halbwertszeit von etwa 2,6 Jahren radioaktiv. Das kommt daher, daß Atomkerne, die 61 Protonen enthalten, instabil sind und zerfallen. Promethium und das leichtere Technetium (43) sind somit die einzigen Elemente mit kleinerer Ordnungszahl als Bismut (83), die diese Eigenschaft besitzen. Entsprechend krebserregend kann es bei einer Aufnahme in den menschlichen Körper wirken. Vor allem am Arbeitsplatz kann Promethium eine Gefahr darstellen, wenn dessen Dämpfe und Gase eingeatmet werden. Das kann vor allem bei einer langzeitlichen Belastung Lungenembolie verursachen. Wenn Promethium im menschlichen Körper akkumuliert wird kann es auch die Leber angreifen.

Über die Treibstoffabgase ausgestoßen akkumuliert Promethium im Boden und am Grund von Gewässern und reichert sich so über die Nahrungskette in Menschen, Tiere und Bodenpartikel an. Bei Wasserlebewesen verursacht Promethium nachweislich Schäden an den Zellmembranen, was zahlreiche negative Auswirkungen auf die Fortpflanzung und die Funktion des Nervensystems hat. Ähnliche Auswirkungen sind auch bei höheren Lebensformen zu erwarten.
Siehe auch
http://www.lenntech.de/pse/elemente/pm.htm#ixzz3uyMEFQ66

[12] Ein aktuelles Beispiel dazu: Derzeit erwägt die japanische Regierung hochradioaktiven Abfall im Meeresboden vor der Küste zu "entsorgen"...
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/brenn/ubge0011.html
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/brenn/ubge0012.html
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/brenn/ubge0013.html

5. Januar 2016


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