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PHARMAZIE/072: Künstliches Currygewürz ist auch ein Chemotherapeutikum (SB)


Japanische Forscher machen Krebskranken Hoffnung mit tumorsuppressivem Currygewürz

Und manipulieren es zu einem wirksamen Chemotherapeutikum


Zwei neue Varianten von einem Curry-Bestandteil sollen dem Krebs den Garaus machen. So oder ähnlich betiteln die Journalisten dieser Tage eine Erfindung japanischer Wissenschaftler und machen damit Krebskranken Hoffnung, die vor den Aus- und Nebenwirkungen der berüchtigten "Chemotherapie" verständlicherweise Angst haben.

Die medikamentöse Behandlung mit sogenannten Zytostatika (Zellgiften) wird gemeinhin nach der operativen Entfernung von Tumoren als notwendig erachtet, um eventuell im Körper verbliebene Tumorzellen zu vernichten, die zu Metastasen (Tochtergeschwulsten) führen können. Ziel der Chemotherapie ist es, möglichst stark auf das Wachstum von Tumorzellen einzuwirken. Im Idealfall sollen sie abgetötet werden, ohne gesunde Zellen zu schädigen. Doch selten gelingt es wirklich, gesunde Zellen ausreichend zu schonen.

Die stärksten Auswirkungen ergeben sich auf die Körpergewebe, die am schnellsten wachsen. Davon sind insbesondere Knochenmark, Haut, Schleimhäute und Haare betroffen. Zu den häufigsten akuten Nebenwirkungen zählen Übelkeit, Erbrechen und Müdigkeit. Schleimhautentzündungen, Fieber, Haarausfall und Blutbildveränderungen durch Schädigung des Knochenmarks zählen ebenfalls dazu. Viele Patienten klagen auch über Probleme mit dem Gedächtnis und andere kognitive Störungen.

Vor diesem Hintergrund scheint ein natürliches Antitumormittel aus der Curcuma-Wurzel (Gelbwurz), das der aus vielen Gewürzen zusammengewürfelten Curry-Würzmischung vor allem die schöne gelbe Farbe verleiht und ansonsten kaum eine relevante pharmazeutische Wirkung oder Nebenwirkung besitzt, wie ein Geschenk des Himmels.

Studien zufolge soll das im Gelbwurz enthaltene Curcumin eine das Tumorwachstum unterdrückende Wirkung besitzen. Angeblich werden Menschen, die viel Curry zu sich nehmen weniger von der Zivilisationskrankheit Krebs betroffen als andere. Allerdings müssen die Urheber dieser Behauptung einräumen, daß die tumorsuppressive Wirkung von Curcumin, die bisher nur an Zellkulturen nachgewiesen werden konnte, schon im Verdauungstrakt ihre Wirkung verliert. Was dann auch den fehlenden statistischen Nachweis, z.B. einer krebsfreien, sich von Curry ernährenden, indischen Bevölkerung erklärt. Auch im Ursprungsland des Gewürzes gibt es immer noch Krebs.

Doch von solchen Schönheitsfehlern im Konzept lassen sich die japanischen Forscher nicht stören. Sie entwickelten zwei chemische Derivate aus dem Curcumin, d.h. synthetische und nicht mehr natürliche chemische Varianten des gelben Farbstoffs, die nicht mehr so schnell metabolisiert werden können und länger wirksam bleiben:

The scientists wrote in the latest issue of Molecular Cancer Therapeutics that they had synthesized two variations - GO-Y030 and GO-Y031 -- which have proved more potent and lasting than natural curcumin.
(Reuters, 6. November 2007)

Sie testeten die Substanz an Mäusen mit Darmkrebs und bestätigten die wesentlich stärkere Wirksamkeit der neuen Substanzen. Die wachstumssuppressive Wirkung sei 30 mal größer als bei dem natürlichen Stoff, frohlockten sie:

"Our new analogues (synthetic versions) have enhanced growth suppressive abilities against colorectal cancer cell lines, up to 30 times greater than natural curcumin," said Hiroyuki Shibata, associate professor at Tohoku University's Institute of Development, Ageing and Cancer.

"In a mouse model for colorectal cancer, mice fed with five milligrams of GO-Y030 or GO-Y031 fared 42 and 51 percent better, respectively, than did mice in the control group."
(Reuters, 6. November 2007)

Außerdem gaben sie ihre Hoffnung kund, daß die neuen Versionen, ebenso wie das natürliche Curcumin auch andere Krebsarten bekämpfen könne, z.B. Brust-, Leber- oder Lungenkrebs. Womit sie indirekt zugeben, daß die Substanzen nicht spezifisch oder nur an bestimmten Gewebearten zur Wirkung kommen.

Nebenbei bemerkt wird aus dem obigen Zitat deutlich, daß die Wissenschaftler für ihre Untersuchungen außer Krebszell-Linien (d.h. Gewebehaufen) sogenannte Krebsmäusemodelle für Krebs verwendet haben. Das sind Mäuse, die speziell für diese Untersuchungen gezüchtet werden. Anders gesagt, sie sind genetisch so manipuliert, daß sie sehr leicht eine bestimmte Krebsform entwickeln, sich aber auch sehr leicht heilen lassen. Wenn sich eine solche genmanipulierter Krebserkrankung durch ein Medikament stoppen läßt, gilt das zwar als erster Anhaltspunkt für ein mögliches neues Zytostatikum, über die Wirkung des Medikaments am Menschen kann man anhand dieser Versuche jedoch keine Prognose stellen.

Anzumerken sei noch, daß durch die künstlich verlängerte Wirksamkeit auch die Harmlosigkeit des ursprünglichen Gewürzes aufgehoben ist. Schließlich konnte man nur deshalb keinerlei negative Folgen durch den Genuß von Curcumin feststellen, weil es schon beim Eintritt in den Gastrointestinaltrakt abgebaut, d.h. schnell metabolisiert und damit unwirksam wird.

Sind diese Sicherheitsvorkehrungen durch künstliche Manipulation quasi ausgeschaltet, kann man auch nicht mehr von einem natürlichen Wirkstoff sprechen oder aufgrund dessen seine Harmlosigkeit garantieren. Statt dessen handelt es sich um einem Tumorsuppressor oder ein Zytostatikum, wobei man dann auch wieder mit entsprechenden Nebenwirkungen zu rechnen hat.

7. November 2007