Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → FAKTEN

BERICHT/088: Neue Direktorin am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (idw)


Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie - 23.04.2008

Neue Direktorin am MPI für biophysikalische Chemie


Seit April 2008 hat das Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie eine neue Direktorin: Prof. Marina Rodnina wurde zum wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und zur Leiterin der neu eingerichteten Abteilung "Physikalische Biochemie" berufen. Der Forschungsschwerpunkt der neuen Abteilung wird sein, die Funktionsweise von Ribosomen - den Proteinfabriken der Zelle - weiter aufzuklären. Mit der Neuberufung von Marina Rodnina hat das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie jetzt 12 Abteilungen; es ist damit eines der größten der 80 Institute innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft.

Die Biologin Marina Rodnina studierte an der Universität Kiev (Ukraine) und promovierte dort 1989 in Molekularbiologie und Genetik. 1990 wechselte sie an die Universität Witten-Herdecke, wo sie bereits als Stipendiatin der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und später als wissenschaftliche Assistentin den Zusammenbau der Proteine - die Proteinbiosynthese - erforschte. Nach ihrer Habilitation im Fach Biochemie wurde Marina Rodnina 1998 von der Universität Witten-Herdecke als Professorin berufen; dort leitet sie seit 2000 den Lehrstuhl für Physikalische Biochemie.

Marina Rodninas Ziel ist es, die Funktionsweise von Ribosomen bei der Proteinbiosynthese im Detail aufzuklären. Alle wichtigen Funktionen der Zelle - Katalyse, Bewegungs- und Transportprozesse, Signalübertragung und Informationsverarbeitung - werden von Proteinen ausgeführt. Die Bauanleitungen der Proteine sind als genetische Information in der Erbsubstanz (DNA) einer jeden Zelle festgeschrieben. Bei der Proteinbiosynthese wird die genetische Information in eine Kette von Aminosäuren - die Bausteine der Proteine - übersetzt, die sich dann zu der dreidimensionalen Struktur des Proteins faltet. Für diese Übersetzung ("Translation") ist das Ribosom zuständig; es ist eine komplexe Miniatur-Maschinerie aus über 50 Proteinkomponenten und drei bis vier Ribonukleinsäure-Molekülen, die zu einer kleinen und einer großen Untereinheit zusammengesetzt sind. Mit einem Durchmesser von 20 bis 30 Nanometern (millionstel Millimeter) sind diese molekularen Maschinen winzig. Ihre Funktionsweise lässt sich nur mit größerem Aufwand untersuchen. Marina Rodnina und ihre Mitarbeiter wenden daher verschiedene biophysikalische Methoden wie Fluoreszenzmessungen und schnelle Kinetiken an. In der Entwicklung und in der Anwendung dieser komplexen Methoden bei Untersuchungen von Ribosomen ist die Arbeitsgruppe weltweit führend.

Die Wissenschaftlerin interessiert es vor allem, wie "Störfälle" in der Proteinfabrik vermieden werden. "Der Zusammenbau der Proteine muss äußerst genau sein und Proteine mit exakt der richtigen räumlichen Struktur liefern. Wir möchten herausfinden, welche Regulationsmechanismen in der Zelle für die Qualitätskontrolle sorgen und wie Fehler vermieden werden. Denn selbst kleinste Fehler können für die Zelle bereits fatale Folgen haben", erklärt die Wissenschaftlerin. Wichtige Grundprinzipien der Qualitätskontrolle hat Rodnina in der Vergangenheit bereits erfolgreich aufklären können. Ihre Forschungsarbeiten haben sich dabei vor allem auf den Zusammenbau der Proteine in Bakterien konzentriert. Für die nächsten Jahre hat sich die Wissenschaftlerin noch einiges mehr vorgenommen. "Wir möchten unsere Methoden zukünftig auch auf die Proteinbiosynthese in höheren Zellen ausdehnen, ein System, das noch sehr viel komplexer ist".

Eine genauere Kenntnis der unterschiedlichen Translationsprozesse ist nicht nur entscheidend, um die Ursachen bestimmter menschlicher Erkrankungen aufzuklären, sondern auch Voraussetzung, um gezielt neue Medikamente entwickeln zu können. Zahlreiche Antibiotika blockieren bestimmte Prozesse während der Proteinbiosynthese und legen damit die Protein-Maschinerie lahm. Da sich bakterielle Ribosomen in einigen wichtigen Details von den Ribosomen höherer Organismen unterscheiden, verhindern bestimmte Antibiotika erfolgreich die Proteinsynthese in Bakterien, nicht aber in den Zellen unseres Körpers. Detaillierte Kenntnisse könnten daher eine Grundlage für die Neuentwicklung von Medikamenten gegen Infektionskrankheiten schaffen.

Die von ihr entwickelten biophysikalischen Methoden möchte Rodnina zukünftig nicht nur auf Ribosomen, sondern auch auf andere makromolekulare Maschinen in der Zelle anwenden. Dazu biete das MPI für biophysikalische Chemie ausgezeichnete Kooperationsmöglichkeiten, so die neue Direktorin. "Marina Rodninas weltweit anerkannte Expertise bei der Untersuchung großer Proteinkomplexe ergänzt in hervorragender Weise bestehende Forschungsrichtungen am Institut", sagt Prof. Christian Griesinger, Geschäftsführender Direktor des MPI für biophysikalische Chemie. "Das Gebiet der Biophysik in Göttingen wird durch ihre Berufung deutlich gestärkt".

Weitere Informationen unter:
www.mpibpc.gwdg.de/research/dep/rodnina/index.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution255


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Dr. Carmen Rotte,
23.04.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2008